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Schneegestöber

SchneeGestöber 3 2017/18 | Kollektivprojekt Lawinenwarnung

Kollektiv bedeutet gemeinschaftlich

von Lukas Ruetz • 08.12.2017
Lukas Ruetz
Lawinenwarnung ist auch ein Gemeinschaftsprojekt von uns allen. Warum es nicht nur wichtig ist, Lawinenunfälle zu melden, sondern auch spezielle Beobachtungen von Schnee und seinen Umwandlungsprozessen, besprechen wir diese Woche im Schneegestöber.

In der vergangenen Woche wurde eine Vielzahl von Lawinenabgängen mit Personenbeteiligung vermeldet, vor allem in den Kitzbühler Alpen und den benachbarten Regionen. Wie wir dem tiroler, dem bayrischen und dem salzburgischen Lawinenlagebericht entnehmen konnten, lag die Ursache primär bei eingeschneitem Oberflächenreif. Die Bildung von Oberflächenreif ist nur schwer exakt vorherzusagen. Oberflächenreif ist einer von einer Hand voll von Prozessen, bei denen die Lawinenwarner auf Geländebeobachtungen angewiesen sind um sie gut eingrenzen zu können und ihren Einfluss auf die Lawinengefahr abzuschätzen. Lawinenwarnung ist somit auch ein kollaboratives System von uns allen!

Besprechen wir kurz die wichtigsten Punkte, die auch wir Otto Normalskitourengeher in das Bulletin miteinfließen lassen können.  Im Grunde ein Teil unserer moralischen Pflicht:

Regengrenze

Die wohl wichtigste Meldung für die Abschätzung der Schneedeckenentwicklung, vor allem im Herbst und Frühwinter. Im Bereich von Regenkrusten entwickeln sich in weiterer Folge bevorzugt Schwachschichten. Bei Regen auf eine bestehende Schneedecke ist eine Meldung mit Angabe der Höhe der Regengrenze und Intensität des Regens ein MUSS!

Lawinenabgänge, Setzungsgeräusche & Rissbildungen

Nonanet. Das sind die wohl markantesten Anzeichen für eine instabile Schneedecke. Alle beobachteten Lawinen sollten mit Höhenlage und Exposition (!) an die Warndienste gemeldet werden. Bei Lawinenabgängen mit Personenbeteiligung aber ohne Verschüttete oder Verletzte gibt man immer auch eine Negativmeldung per Notruf ab. (Anruf bei der Leitstelle: "Ich möchte eine Negativlawine melden" - die Person am anderen Ende fragt dann genauer nach.)

Oberflächenreif & Nigg-Effekt

In welchen Gebieten, Expositionen, Höhenbereichen hat sich Oberflächenreif gebildet bevor er eingeschneit wurde? Eine Sonderform der Oberflächenreifbildung stellt der sogenannte Nigg-Effekt dar (benannt nach einem Schweizer Bergführer). Dabei wird relativ warme, feuchte Luft an einen Grat oder Kamm herangeführt und überstreicht diesen. Falls nun an der Rückseite des Berges (meist betrifft dies die Schattenseite) die Schneeoberfläche durch Abschattung oder Ausstrahlung deutlich kühler ist, so lagert sich im unmittelbaren Kammbereich (und nur dort!), der in der Luft enthaltene Wasserdampf ab und bildet Oberflächenreif. Vermehrt tritt dieser Effekt im Früh- und Spätwinter auf. Wer Oberflächenreif beobachtet, gibt die Info mit Angabe von Gebiet, Höhenlage, Exposition an unser Gemeinschaftsprojekt weiter!

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Kalt auf Warm

Von den 10 Gefahrenmustern, die 2010 von beiden tiroler Lawinenwarnern Rudi Mair und Patrick Nairz eingeführt wurden, hat vor allem eines Eingang in den alltäglichen Gebrauch der Lawinensprache Einzug gehalten: Gm.4 oder "Kalt auf Warm / Warm auf Kalt". Mit diesem Muster wird folgender Prozess beschrieben: Schneit es auf eine sehr warme, meist sogar feuchte Schneeoberfläche kalten, lockeren Pulverschnee, bildet sich in kürzester Zeit eine hauchdünne Schwachschicht. Im Übergangsbereich der Altschneeoberfläche zum Neuschnee bilden sich durch einen riesigen Temperaturunterschied auf engem Raum kantige Kristalle (aufbauende Umwandlung). Diese bilden eine giftige und schwer einschätzbare Gefahrenquelle.

Der umgekehrte Fall, also "Warm auf Kalt" (Neuschnee mit knapp 0°C auf eine wesentlich kältere Altschneeoberfläche), lässt sich selten beobachten, wirkt sich allerdings gleich aus. Wenn die Voraussetzungen für eine solche Situation gegeben sind, werden von den Warndiensten entsprechende Informationen mit der Bitte um Rückmeldung ausgegeben.

Ob und wie stark sich eine Schwachschicht ausbildet, muss im Gelände erhoben werden. Besonders wichtig sind in weiterer Folge die Höhengrenzen in den verschiedenen Hangexpositionen (bspw. "Sektor Süd Schwachschichtbildung durch Gm.4 vermutlich im Höhenbereich 2500m-2800m, Sektor Nord möglich aber unwahrscheinlich im Bereich um 2000m“). Eine exakte Eingrenzung ist nur möglich, wenn möglichst viele Wintersportler mit entsprechendem Hintergrundwissen im Gelände danach Ausschau halten und weitermelden. Dafür muss man kein Schneeprofil aufnehmen, sondern nur den Übergang Altschnee-Neuschnee unter die Lupe nehmen und dort nach Hinweisen auf aufbauende Umwandlung suchen (hauchdünne, lockere, weiche, glasige Schicht). Am besten funktioniert dies mit einem ECT: Tut sich beim Test etwas an der Schichtgrenze Altschnee-Neuschnee oder nicht? 

Gefahrenmuster "Kalt auf Warm". Einen Tag nach Aufnahme des unteren Profils ist daneben eine Schneebrettlawine aufgrund dieser Schwachschicht ausgelöst worden. Das Kreuz zeigt den Standort des Profils.

Gefahrenmuster "Kalt auf Warm". Einen Tag nach Aufnahme des unteren Profils ist daneben eine Schneebrettlawine aufgrund dieser Schwachschicht ausgelöst worden. Das Kreuz zeigt den Standort des Profils.

Lukas Ruetz
Zischgeles

Graupel

Graupel bildet eine Schwachschicht innerhalb der Schneedecke. Intensive Graupelschauer sollten gemeldet werden.

Für die besonders interessierten und ausdauernden: ECT-Tests

Niemand muss ein vollständiges Schneeprofil aufnehmen. Wer dann und wann ein Loch gräbt, sich einen schnellen Überblick über die verschiedenen Schichten verschafft (ohne Aufnahme von Härten, Korngrößen usw.) und einen ECT-Test klopft, hat zwei Vorteile: 1. Er bekommt selbst ein Gespür für das, was unter seinen Brettln vor sich geht 2. Mit dem Ergebnis des ECT hilft man dem gemeinsamen Projekt bezüglich Altschneeproblem ungemein weiter. Eine Meldung im Sinne von "ECTP auf Berg XY, Höhenlage 2360m, Exposition Nordost, bei Schlag 23 gebrochen in der bodennahen Schwachschicht." ist Gold wert!

Fotos

… sagen mehr als tausend Worte. In der Rückmeldung beigeben!

Wo man relevante Beobachtungen meldet

Z.B. für die Schweiz im Rückmeldeformular unter https://pro.slf.ch/reply/public/?lang=de oder über die White Risk App.

Für Tirol hier: https://lawine.tirol.gv.at/service/rueckmeldungen/

Weitere RĂĽckmeldeformulare bzw. Kontaktadressen anderer Institutionen sind auf deren Internetauftritten zu finden.

Merke: Eine weitere StandardmaĂźnahme im winterlichen Gebirge ist neben dem LVS-Check die RĂĽckmeldung relevanter Beobachtungen an die Warndienste!

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