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TourenTipps

TourenTipp | Col du Passon - Chamonix

Ein Klassiker im Tal von Chamonix

27.12.2018 von Jan Imberi
Es gibt wohl kaum einen Ort auf diesem Planeten, in dem die Kontraste zwischen Urbanität und extremer Natur so nah beieinander liegen wie im Tal von Chamonix. Das hat Vorteile, doch auch Nachteile – und man ist definitiv nie allein im El Dorado der alpinen Superlative.

Von Argentière auf den Col du Passon

Februar 2018, Grands Montets Talstation, 8.30 Uhr. Kletterequipment klingelt im Rhythmus einer sich drängenden Menge, welche sich in Scharen zur ersten Gondel des Tages schiebt. Es ist ein nebliger Morgen, der Himmel bedeckt. Was das Liftpersonal bereits weiß, wir dagegen noch hoffen, liegt oberhalb der drückenden Wolkendecke. Unser Ziel an diesem Februartag ist die Col du Passon Traverse, ein Klassiker im Tal von Chamonix.

Wir zwängen uns in die Gondel, Noe, Falko und ich. Für Noe ist es ein besonderer Tag, und eine hochalpine Premiere, mit seinem Dad auf Tour zu gehen. Die Gondel zieht uns hinauf ins Nebelmeer. Trübe Aussichten als wir auf der Mittelstation ankommen. Wir schieben uns weiter zur Gondel zur Aiguille du Grands Montets auf 3.295m. Kaum einer der Passagiere wirkt, als würde er dem Pistengenuss wegen hier hinauf fahren. Grands Montets ist Ausgangspunkt für Abenteurer, Alpinisten, solche die davon träumen - und der schnellste Zugang in eines der spektakulärsten Täler im Chamonixgebiet – Le Bassin d’Argentière.

Die Gondel zieht uns nach oben. Die Wolkendecke ist dicht. Dann wird das uns einhüllende Grau zu weiß. Wir sind geblendet und mit einem Mal über den Dingen, mitten im Blau und dem strahlenden Weiß des Mont Blanc Massivs. Scharf zeichnen sich die dunklen Granitfelsen im Kontrast, allen voran die Aiguille du Dru beängstigend schön und im Westen und im morgendlichen Gegenlicht die Kette der majestätisch wirkenden Ostbegrenzung des Argentièrebeckens – Aiguille d’Argentière, Aiguille du Chardonnet, Aiguille du Passon.

Wir lassen die Crowd an uns vorbei ziehen - No need to rush – und genießen das Panorama auf der Plattform. Der große Weiße thront über dem Tal, umringt von einer Palisade an Wächtern, Aiguille du Grèpon, Aiguille du Plan, Aiguille du Midi und dahinter ein endloses Wolkenmeer bis zum Horizont. Noch ein Foto fürs Album, dann machen wir uns auf den Weg. Pieps Check und wir verlassen die Piste, fahren durch den Gletscherabbruch unterhalb der Aiguille Verte (4122m) mit ihren extrem steilen Eis-faces hinunter auf den Glacier d’Argentière.

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Auf 2350m queren wir den Gletscher oberhalb des Gletscherbruchs. Wir nehmen den Abfahrtsschwung mit, gleiten bis zur Gletschermitte, wo wir bei einer kurzen Pause mit spektakulärem Panorama anfellen. Wir gehen ohne Seil, in moderatem Abstand. Der Gletscher liegt hier flach und die Schneelage ist in diesem Winter überdurchschnittlich. (Zum Ende des Winters werden es kulminiert 16m sein).

Nachdem wir den Gletscher gequert haben, steigen wir die steile Moräne hinauf, die Ski aufgebunden. Für Noe die erste Herausforderung. Wir nehmen ihn in die Mitte, ich gehe zum Schluss. Dann neigt sich der Hang und wir können auf Skiern weitersteigen. Die Sonne hat inzwischen auch unseren Hang erreicht. Doch es ist kalt und der Schnee bleibt trocken. Ohnehin sind die Bedingungen nahezu perfekt. Vor 4 Tagen hat es 40cm Neuschnee gegeben. Es war weitgehend windstill, kalt und der Schnee konnte sich setzen.

Wir sind nicht die einzigen, die an diesem Tag zum Col du Passon unterwegs sind. Doch wir haben keine Eile und lassen die Anderen vorbeiziehen. Das Team ist wichtiger als die First Tracks, die ohnehin keine mehr sind an diesem 4. Tag nach Schneefall. Dann kommt die Schlüsselstelle in Sicht. Eine kaminartige Rinne, 45° oder etwas mehr, die durchstiegen werden muss um über ein Felsband auf den Col (3028m) zu gelangen. Doch zuvor rasten wir unterhalb des Felsens und lassen uns die Sonne ins Gesicht scheinen. Es ist 12 Uhr mittags, die Sonne warm und wir genießen die Aussicht

Der weitere Anstieg folgt in direkter Fallinie. Wir legen die Steigeisen an und klettern die Rinne hinauf. Unter uns weitet sich der Blick ins Tal. Nebelschwaden lecken an der Zunge des Glacier d’Argentière. Wird die Wolkendecke im Tal auch noch aufreissen?

Noe kämpft sich die Rinne hinauf. Es ist gut, dass wir nicht die einzigen sind. Das motiviert, vor allem wenn die Erwachsenen ihn bewundernd anspornen. Er ist mit Abstand der Jüngste an diesem Mittag.

Col du Passon (3028m), unterhalb der Aigulle du Passon gelegen, ist Aussichtsplattform über das Tal von Chamonix und das Tor auf den Glacier du Tour. Der Gletscher zieht sich von hier in moderatem Gefälle hinunter ins Tal nach Le Tour (1462m). Wir finden fantastische Schneebedingungen in kaum verspurtem Gelände. Beflügelt von den lohnenden Anstrengungen des Aufstieges rauschen wir in weiten Turns über die weiße Fläche. Der Schnee ist poudreuse, luftig und trocken. Immer wieder bleiben wir stehen, sehen uns um und sind überwältig von der Landschaft und den Bedingungen, die wir darin finden. Offene, weite Hänge, Kuppen, Spines gerahmt von Felsrippen, die von Seracs umspült sind. Alpine Landschaft at it’s Best.

Zwischenzeitlich hat sich der Nebel gelichtet und die Sonne scheint nun bis ins Tal hinab. Wir lassen den Le Tour Gletscherabbruch östlich von uns liegen und fahren durch kupiertes Endmoränengelände in das kleine und charmante Örtchen Le Tour, das am Ende des Tals von Chamonix gelegen ist. Ein Blick zurück und hinauf hinterlässt bei uns ein Grinsen, das fast schon schmerzhafte Züge besitzt.... unbeschreiblich gut.

Le Tour (1462m) ist Endpunkt der Traverse. Von hier kann man den Bus hinunter nach Argentière nehmen, um zurück zum Ausgangspunkt zu gelangen.

Durch das Nant Noir Tal nach Trient

Doch wir sind noch nicht fertig, körperlich vielleicht, mental auf keinen Fall und so besteigen wir in Le Tour die Gondel hinauf zum Tête de Balme (2321m). Der Berg ist Grenzberg zwischen Frankreich und der Schweiz und beheimatet ein kleines Skigebiet mit variantenreichem Freeride-Terrain. Von der Bergstation steigen wir die letzten 150 Höhenmeter zu Fuß mit geschulterten Ski hinauf zum Gipfel. Im Vergleich zu unseren vorherigen Unternehmungen ein Spaziergang, doch in Anbetracht der Uhrzeit und den Höhenmetern, die wir bereits in den Beinen haben, ein spürbarer, letzter Anstieg. Nant Noir heißt das Tal, das zu unserem Ziel hinunter führt, nach Trient im Wallis.

Wir lassen unseren Blick noch einmal über das Chamonix Tal wandern, aus dem nun der Nebel wieder hinaufsteigt und dabei von der tiefstehenden Sonne aus Westen beleuchtet wird. Noch ist das Nant Noir wolkenlos und wir beeilen uns, hinunter zu kommen ehe die Sicht schlechter wird. Erst nach Süden, zum Col du Balme, auf dem ein altes Grenzhäuschen steht und dann nach Nordosten, hinein in die offenen Hänge des Tales. Noch einmal weite Schwünge im tiefen Pulver. An der Baumgrenze angekommen wechseln wir in die Talsohle einer engen Lawinenrinne, deren steile Flanke nicht nur Noe, der sich tapfer schlägt, alles abverlangt, sondern auch unseren Oberschenkeln. Über den Lawinenkegel, der nach einem extremen Wärmeeinbruch im Januar kurz nach Sylvester massive Lawinenabgänge befördert hat, fahren wir hinaus ins Tal und hinunter zur Dorfstraße in Trient auf 1300m.

Unsere Oberschenkel brennen. Wir sind glücklich und erschöpft. Was für ein Tag - und was für ein krönender Jahresabschluss für Noe, denn morgen feiern wir seinen 16. Geburtstag. Chapeau!

Details

Höhenmeter Start und Ziel: Bergstation Les Grands Montets 3295m | Glacier du Argentière 2530m | Col du Passon 3028m | Le Tour 1462m | Tête de Balme Peak Chair 2185m | Tête de Balme 2321m | Trient 1300m

Höhenmeter bergauf | bergab: ca. 650 hm | ca. 3355 hm

Dauer:  Ca 8 Std.

Schwierigkeitsgrad:  3.1 / AD

Exposition (Abfahrt): Nordost / Nordwest / Nordost

Kartenmaterial: IGN - Chamonix - Massif du Mont Blanc 1:25 000 oder http://www.chamonixtopo.com/skiing/col-du-passon/ bzw. http://en-gb.topographic-map.com/places/Glacier-d'Argentiere-6756862/

Links:Grand Montets und Balme

Hütten:Refuge d'Argentière und Refuge Albert

Transfer: Taxi Alpin oder Alpybus

Fotogalerie

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