Im Gegensatz zu Godzilla, das/der aus Japan kommt und für den Ausspruch "It came from Japan" steht, habe ich den gegenteiligen Weg eingeschlagen und mich auf den Weg in das Land der aufgehenden Sonne gemacht. Warum Nippon? Nicht des Sushis wegen, sondern, um unserem eher enttäuschenden Winter ein weiteres Schnippchen zu schlagen und tiefen Powder zu fahren.
Ein unschuldiges Skypegespräch in einem Hotel im Tessin kann schon mal dazu führen, dass man zehn Tage später mit zwei Salzburger Kumpels in ein Flugzeug nach Hokkaido steigt. In diesem Gespräch ging es um die Frage, wo auf der Welt man Mitte Januar zuverlässig den besten Schnee finden würde. Aufgrund des „Lake effects", sibirischer Luftmassen, dem japanischen Meer und Bergen war der Norden Japans recht schnell als Ziel ausgemacht. Insbesondere, da sonst weltweit kaum Powderkonkurrenz in den Wetterkarten zu sehen war.
Nach der Buchung begannen sich allerdings auch die Westalpen in Schale zu werfen und bevor ich wirklich ins Flugzeug stieg stand noch ein Kurztrip ins Wallis an, der aber nur bedingt von Pulverträumen gekrönt war, da die Schneefallgrenze meist zu hoch lag und unser Flug genau am ersten richtig guten Tag in den Alpen war. C'est la vie, wie der Westwalliser sagen würde. Nichtsdestotrotz war es nett alte Bekannte zu treffen und am Montag vor Abflug noch guten Schnee zu fahren.
Reisefreuden
Um 19:50 begann dann an einem Dienstag im Januar im Fernbus nach Münschen eine weitere Episode im Buch „Die merkwürdigen Reisen des L" mit dem Kapitel „Du willst nach Japan? – zum Skifahren?". Interessant ist, dass die selbe Äusserung zu dem Thema von völlig unterschiedlichen Menschen kam, meinen Eltern, Freunden aus der Kletterhalle und dem leicht irritierten Security Mann am Münchner Flughafen. Anscheinend kann lediglich ein illustrer Zirkel von gleichgesinnten Tiefschneefanatikern die Idee goutieren, für eine Handvoll Pulver in eine völlig fremde Kultur am anderen Ende der Welt aufzubrechen. Hätte ich doch lieber einen Töpferkurs im Sabbatjahr gemacht. Eine Nacht am Fughafen und zwei Notcappucinos später trudelten dann die anderen zwei Drittel der drei Fremdenlegionäre ein und der Trip konnte losgehen. Mehrfaches umsteigen und acht Zeitzonen später gab es noch mal einen kurzen Moment des Atemanhaltens, als sich die japanische Security in Nagoya partout nicht davon überzeugen lassen wollte, dass die 20mg Sprengstoff im Griff meines ABS Rucksacks absolut notwendig sind und das Ding sonst nur eine sehr teure und sehr schwere Umhängetasche wäre. Alles Wedeln mit den IATA Flugbestimmungen half aufgrund einer schier unüberbrückbaren Sprachbarriere nicht. It's ok!?- NO POWDER! (Die Ironie seiner Worte war ihm nicht bewusst)- It's OK!! NO POWDER!!! Der Dialog wurde schnell eintönig und aus meiner Sicht auch frustrierend. Als Tipp an alle Terror- äh Touristen, die Lawinenrucksäcke mitnehmen wollen sei gesagt: Es hilft wenn euer Boarding schon eigentlich vorbei ist und euch dann eine Dame vom Abflugate mit durch die Kontrolle nimmt und auch „It's OK" sagt. Amüsanterweise war es auf dem Rückweg kein Problem, da hier jemand Englisch konnte.
Onsen und Sushi
Japan selbst ist ein wirklich faszinierendes Land. Die Badekultur, das Essen und der Umgang miteinander sind wirklich etwas Besonderes. Aufeinem aktiven Vulkan Ski zufahren ist da nur das Sahnehäubchen auf dem berauschenden Cocktail der Eindrücke. Wenn es dann noch ein hüfttiefes Powdersahnehäubchen ist, auch nicht schlecht. Nachdem wir mit unserem Mietwagen, ein ständiger Quell der Freude ob seiner PS-Zahl und völlig erratischen Automatikgetriebeeigenschaften, in Asahidake angekommen waren, gab es erst mal die ersten meist positiven Überraschungen bezüglich Japans. Das Essen ist selbst in Jugendherbergen einfach unglaublich gut und wirklich authentisch, denn auch wenn dort viele westliche Touristen sind gibt es nur Stäbchen und immer Fisch zum Frühstück. Die Onsen sind nicht nur ein Eckpfeiler der japanischen Kultur, sondern eine Erfindung die auch in den Alpen flächendeckend eingeführt werden sollte, denn sich nach dem Skitag in heißes Vulkanwasser zu legen, hört sich nicht nur traumhaft an, sondern hilft die Muskeln entspannen und steigert die Laune. Ob die Mitnahme von Bierdosen hierbei einen schlimmen soziokulturellen Fauxpas darstellt, haben wir Dank der japanischen Höflichkeit nicht herausgefunden. Und wenn man ohnehin zuviel von diesem heißen Wasser hat, lässt man es nicht nur in die Badebecken ein, sondern auch einfach über den Parkplatz laufen um keinen Schnee schippen zu müssen. Clevere Geothermie für Fortgeschrittene!
Zweiter Tourstopp war das Tourengebiet Tokachidake und das bescherte uns nicht nur das beste Onsen mit rostbraunem original Vulkanwasser, einem unschlagbaren Ausblick auf beeindruckende Berge, die es zu fahren galt, sondern auch endlich einem echten Sonnentag. Der ganze Schnee der in Hokkaido liegt muss ja irgendwo herkommen und das bedeutet im Normalfall Wolken und Schneefall. Machmal wochenlang. Dort allerdings stiegen wir im Sonnenschein zu netten Linien im feinsten Schnee auf. Viel besser wird Tourengehen nicht. Fast schon surreal war das Abendessen in diesem bescheidenden Berghotel. Eine Auswahl an erlesenen Köstlichkeiten gilt dort als normales Abendessen. Zu einem Preis für den man hier nicht mal das Abendessen bekäme gibt es dort eine Übernachtung, heisse Quellen und Halbpension von einem anderen Stern.
Auch die japanische Kultur kam nicht zu kurz, denn auch hier schläft man auf Futons auf dem Boden und geht im Kimono zum Onsen, Westler oder nicht. Aus diesem Paradies wurden wir am nächsten Tag von einem einsetzenden Orkan vertrieben, der uns auch die nächsten beiden Tage wie das sprichwörtliche Laub vor sich her trieb. Zuerst wurden wir wortwörtlich vom Furanodake heruntergweht und brachen unsere Tour nach 30min ab, dann drifteten wir, weniger wörtlich, nach Tomamu. Immer auf der Suche nach Neuschnee und windgeschützten Stellen.
Nightlife in Sapporo
Nach dieser Durststrecke steuerten wir wir letztendlich die Großstadt Sapporo an, um von dort die schneereichste Ecke im Westen Hokkaidos zu erkunden. Glitzernde Hochhausfassaden und meterhohe Schneewände. Wer das für unvereinbar hält wird dort eines Besseren belehrt. Das ****Hotel im Zentrum war billig, das Essen beim abendlichen Erkundungsspaziergang teuer, aber es hat sich gelohnt und als Belohnung durfte ich das Beste Sushi meines Lebens geniessen. Das Ausgehviertel bot alles was das Japanerherz begehrt. Von Mädels in Bunnykostümen, die augenscheinlich nur Drinks zu servieren scheinen, im Erdgeschoss bis zu achtstöckigen Hochhäusern mit Plakaten der Dienstleisterinnen im Foyer gab es anscheinend jede erdenkliche Abstufung des Stressabbaus für den japanischen Geschäftsmann.Aber auch normale Clubs und Kneipen waren immer auf 5-10 Stockwerken verteilt und nicht wie bei uns im Erdgeschoss. So landeten wir in einer echten japanischen Punkkneipe, dem „Swindle". Ein Laden, der in etwa 12 (ja zwölf!) Quadratmeter und 5 Plätze im fünften Stock hatte. Ein seltsames Erlebnis. Aber immerhin bin ich jetzt eine Erfahrung und eine 4 Track EP des Besitzers reicher. „The Blag", seine Band, machen guten alten 77er Punk der Ramones Schule und singen auf japanisch. Vermutlich gegen das System.
Ein Highlight zum Schluss
Hätte der Trip sich bis hierhin nicht schon allein wegen all der Eindrücke gelohnt, so hätten die letzten drei Tage allein schon ausgereicht um einen ins glückselige Powdernirvana zu befördern, denn zuerst bekamen wir hüfttiefen Pulverschnee vom feinsten. Und das direkt ab Liftstation. Als ob das nicht gereicht hätte kam per social media die Einladung am letzten Tag bei einer kleinen Tour mitzumachen, da ein Österreicher in Niseko ohnehin auf den Berg wollte. Obwohl es ca. 1 ½ Stunden in die entgegengesetzte Richtung des Flughafens war stand die Entscheidung nach ein paar Sekunden fest. Eine richtig steile Bergflanke mit perfektem Schnee zwinkerte uns neckisch aus Facebook an. Eine richtige Linie und nicht nur Powder für zwischendurch. Etwas Besonderes also. Denn so bekannt Hokkaido für Powder ist, so unbekannt ist es für richtige Linien, da den Bergen meist die Steilheit und das Wilde der Alpen fehlt.
Und was soll ich sagen, der Trip endete mit seinem Höhepunkt. Zuerst eine kleine Runde im sonnigen japanischen Märchenwald wie man ihn aus professionellen Skivideos kennt und dann als wirklich allerletzte Abfahrt des letzten Tages eine geniale 600 Höhenmeter Vollgas Linie. Domo Arigato Hokkaido!