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Abenteuer & Reisen

Snowboarden: Alles Krise oder innovative Weiterentwicklung

Snowboarden: Krise & Innovationen | Diskussion

von Holger Feist 05.04.2010
Die ehemalige Trendsportart Snowboarden ist in eine tiefe Krise geraten. Wer hip ist, fährt heute Ski und immer mehr ehemalige Snowboarder steigen wieder auf das Skifahren um. Ski-Konvertit und Gelegenheits-Snowboarder Tobi Kurzeder diskutiert mit dem Snowboard Manager, PG-Mitbegründer und Ex-Snowboard-Profi Holger Feist über die Snowboard-Krise, deren Gründe und die vermeintlich mangelnde Innovationsfähigkeit der Snowboard-Branche.

Tobi: Holger, du hast dich daran gestört, dass ich auf PowderGuide geschrieben habe, dass sich in der Snowboardindustrie nichts Neues tut bzw. dass die Rocker-Bauweise für Snowboards wenig bringt. Du siehst das entschieden anders: Wie ist deine Meinung hierzu, gibt es derzeit größere Innovationen?
Holger: Im Moment tut sich sehr viel an Innovationen im Snowboardbau. Speziell durch die neuen Rocker-/ Camber-Konstruktionen verbessern sich die Fahreigenschaften und die Boards bekommen einen erweiterten Einsatzbereich.

Zudem werden Snowboards immer leichter, haben heute bessere Flex-Eigenschaften, sind besser zu kontrollieren und es entstehen neue Shapes. Diese werden oft abgeleitet aus den ursprünglichen Snowboard-Formen aus der Anfangszeit des Snowboardens, aber sie werden nach heutigen technologischen Standards interpretiert und umgesetzt. Dadurch entstehen ganz neue Möglichkeiten für den Snowboardbau.

Die ersten Snowboards in den 80igern hatten schon einen Rocker und außerdem starke Pintails. Dadurch waren sie sehr wendig, hatten aber keinen guten Kantengrip. Die Boards waren auch sehr hart und hatten keinen vernünftigen Flex. Dadurch waren die Fahreigenschaften sehr mäßig.

Tobi: Was ist deiner Meinung nach der Grund dafür, dass Snowboarden in der Außenwahrnehmung gegenüber dem Skifahren immer mehr ins Hintertreffen gerät.
Holger: War für die Jugend in den 90igern Snowboarden die einzige Möglichkeit im Wintersport etwas Neues zu entdecken, anders zu sein, einen neuen Livestyle zu erleben und dem konservativen Skisport zu entfliehen, der damals in einer Innovations-Sackgasse steckte.

Heute gibt es wieder Schwung und Innovation im Skisport, aber dies verdankt die Skiindustrie insbesondere der Snowboard-Bewegung: Taillierte Ski, Rocker-Technologie, Freeriden, coole Klamotten und vor allem der Style im Skisport, fast alles davon kommt nun mal vom Snowboarden. Man muss aber auch sehen dass durch die neuen taillierten Ski der Spaßfaktor beim Pistenskifahren enorm verbessert wurde; Alpin-Snowboarden existiert nicht mehr und es ist viel einfacher geworden Ski zu fahren.

Tobi: Wie stark ist denn der Rückgang in der SB-Industrie in Zahlen? Verkauft ihr heute weniger Boards als früher und wie sieht es bei euren Konkurrenten aus?
Holger: Konkrete Zahlen sind schwer zu bekommen, zudem sollte man auch die wetterbedingten Schwankungen berücksichtigen, wir hatten in den letzten fünf Jahre, zwei Winter sehr wenig Schnee. Ich denke aber, es wird sich bei ca. 20 bis 25% Rückgang einpendeln.

Tobi: Ich habe den Verdacht, dass die Krise des Snowboarden zu einem Teil auch hausgemacht ist. Nach dem medialen Hype ums Snowboarden wenden sich nun viele ab. Ich bin der Meinung, dass hieran aber auch die Snowboard-Industrie (mit-)schuldig, die derzeit Fahrer unterstützt die hauptsächlich mit ihren Brettern über Eisengeländer rutschen. Für einen alten Snowboarder wie mich, ist das genau das Gegenteil, weshalb ich diesem Sport verfallen bin: Mich hat die Harmonie der Bewegungen, am besten im Pulverschnee, fasziniert. Wie siehst du die Rolle und die Eigenverantwortung der Snowboard-Industrie?
Holger: Sicher ist die Zielgruppe der Snowboard-Industrie jünger geworden. Durch den neuen Trend Freeski und Freestyle-Ski sind viele Snowboarder, speziell die etwas älteren wieder zum Skifahren gewechselt. Ich denke aber, dass die meisten dieser Wechsler bereits vor ihrer Zeit als Snowboarder, Skifahrer waren und den Skisport von klein auf gelernt haben. Gleichzeitig wächst aber auch eine Generation Snowboarder heran, die nie mit dem Skifahren in Berührung kamen. Ich bin davon überzeugt, dass Snowboarden ein faszinierender Sport ist, der auch in Zukunft seine Anhänger finden wird und die Snowboard-Industrie wird daran arbeiten, den Sport weiterzuentwickeln.

Tobi: Wie könnten solche Schritte denn konkret aussehen? Wie kann der Sport wieder nach vorne gebracht werden?
Holger: Wenn ich das wüsste, würde ich es machen. Wie kann ein Trend, kreiert, beeinflusst und in die Richtung gelenkt werden?

Tobi: Deine These Olympia habe dem Snowboarden geschadet, habe ich schon häufiger von dir gehört. Was meinst du damit?
Holger: Olympia ist eine sehr alte Veranstaltung für klassische Sportarten mit sehr traditionellen und konservativen Hierarchien. Snowboarden als junger individueller Sport halte ich dafür nicht passend. Der Sport ist noch jung und entwickelt sich schnell weiter. Diesem Wandel und der ständigen Weiterentwicklung können nur unabhängige Veranstaltungen wie z. B. die TTR-Serie [= Ticket-To-Ride-Serie] oder die X-Games gerecht werden. Olympia ist dafür nicht das geeignete Format.

Tobi: Besonders erstaunlich finde ich, dass die derzeit gefahrenen Snowboards immer kürzer werden und die Snowboarder scheinbar gar keinen Bedarf mehr für lange, freeride-taugliche Boards zu haben. Und auch beim Freeriden sind die Snowboarder vergleichsweise selten geworden, ich schätze, dass 90% der Freerider auf Ski unterwegs sind. Wie erklärst du dir das?
Holger: Das ist eine gute Frage, die für mich schwer zu beantworten ist. Ich bin der Meinung, dass deine 90%-These nicht belegbar ist, da die Snowboarder-Quote regional sehr unterschiedlich ist. Die modernen kürzeren Boards, jetzt oft mit neuen Camber-Formen bieten auch in kürzeren Längen mehr Auftrieb im Powder. Ein etwas längeres Board bietet aber im Backcountry mehr Stabilität und bessere Fahreigenschaften im höheren Geschwindigkeitsbereich.

Tobi: Falls es einen Weg für das Snowboarden aus dieser Krise heraus gibt, wie könnte dieser aussehen?
Holger: Es gibt viele Faktoren, die eine Krise auslösen können. Skisport ist auch in einer Krise und ist rückläufig. Nur in diversen kleinen und speziellen Bereichen wie z. B. Freeski sind derzeit Zuwächse zu verzeichnen. Auswege aus der Krise können die neuen Technologien und die Weiterentwicklung des Sports sein. Snowboarden ist ja noch ein junger und faszinierender Sport mit vielen Möglichkeiten.

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