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Interviews

PowderPeople | Manuela Mandl

Ein Interview zum kompetitiven Freeriden mit einer der erfahrensten Frauen in diesem Business.

von Timo Macvan 27.01.2024
Im Frühjahr letzten Jahres trafen sich die besten Frauen und Männer der kompetitiven Freerideszene in Fieberbrunn, um herauszufinden, wer das Zeug hat, zwei Wochen später ganz oben auf dem Treppchen der Freeride-Worldtour zu stehen. . Auch ich durfte hier mit von der Partie sein, natürlich nicht als Athlet, sondern als Reporter, der Einblicke in die Tour sowie die Rahmenveranstaltungen geben durfte. Im Zuge dessen hatte ich das Vergnügen, ein Interview über unsere liebste Beschäftigung mit der Lokalmatadorin Manuela Mandl zu führen. Im Jahr 2018 wurde sie Freeride-Weltmeisterin im Snowboarden und letztes Jahr sicherte sie sich den Sieg in Xtreme Verbier, womit sie den dritten Platz der FWT erreichte.

Timo: Freeriden ist ein großer Teil deines Lebens, du bist seit langer Zeit in der Szene und auch kompetitiv unterwegs. Was ist das für ein Gefühl Freeriden zu gehen? Wie fühlt es sich an, wenn du unterwegs im freien Gelände bist?

Manu: Wenn ich wirklich bei super Bedingungen am Berg bin, wobei ich mich nicht auf einen Auftrag konzentrieren muss, dann bin ich ganz in dem Moment und es ist eine komplette Erfüllung. Wenn ich dann noch etwas „senden“ kann, was so prickelnd an der Grenze ist und man nicht genau weiß, ob es funktioniert, aber am Ende doch klappt, dann ist das einfach großartig.  Ich spiele einfach gerne mit diesen Grenzen.

Es gibt so Tage, wenn die Bedingungen passen, wo man pushen kann. Dabei vergesse ich die Zeit komplett, weil ich so in diesen Momenten lebe.

 

Timo: Welche Rolle spielt mentale Gesundheit in deinem Kosmos Freeriden? Wie nutzt du das ganze Thema für dich am Berg? Du hast zu dem Thema auch einen Film produziert.

Manu: Für mich ist draußen sein und sich bewegen zu können extrem wichtig für meine mentale Gesundheit. Und für mich als Sportlerin und in der Blase, in der ich mich bewege, ein großes Thema. Als Folge eines Sturzes hatte ich eine Gehirnerschütterung, die als kurzfristige Folge Gedächtnisverlust mit sich zog. Was mich aber langfristig beschäftigt hat, waren für eine gewisse Zeit akute Depressionen. Wenn der Kopf einmal komplett durchgeschüttelt wird, stellt sich die Frage, wie sortiert man sich dann wieder als Mensch und wo sind die Ankerpunkte, die wieder Vertrauen geben.

In dem Film, den du ansprichst (Through Darkness), geht es genau um dieses Thema. Ich war mir nach meinem Sturz nicht mehr sicher, ob ich überhaupt noch gescheit Snowboard fahren kann. In diesem Filmprojekt habe ich versucht, dies herauszufinden. Durch die Blindheit in der Dunkelheit musste ich mich mehr auf meine Instinkte und Muskelerinnerungen verlassen, und das hat unfassbar gut funktioniert. Wenn man die Sicht rausnimmt, dann hört das Denken sofort auf und der Körper übernimmt intuitiv. Du bist so fokussiert, weil du einerseits überfordert bist durch den Sichtverlust, aber auf der anderen Seite unterfordert, weil ganz viel Kapazität im Hirn nicht genutzt werden muss. Und das war super interessant und sehr wichtig für mich.

Timo: Wie genau lässt sich der Film zeitlich einordnen? War er die Antwort auf besagten Sturz und die daraus resultierende schwierige Zeit?

Manu: Ja genau, ziemlich genau danach habe ich ihn gedreht. Der Sturz war nach dem Weltmeistertitel 2018, durch einen blöden Verkannter nach einem Drop, wo es mich dann mit dem Hinterkopf zuerst in die Felsen geschleudert hat. Den Film haben wir dann im Herbst desselben Jahres in Norwegen gedreht und ihn 2019 veröffentlicht. Ich habe in dem Zuge erfahren, dass Gehirnerschütterungen über den Hinterkopf wohl etwas gröber sind als manch andere. Ich bin mir natürlich bewusste, dass in unserem Sport solch Unfälle passieren können. Aber dennoch hatten wir in der Folge auf den Sturz die Idee, einen Film auch über diese Seite des Sportes zu produzieren. Es sollte darum gehen, Inspirationen für Bewältigungsstrategien zu geben, in Situationen, die schwierig sind, aber sich nicht ändern lassen. Da war die Location Norwegen auch eine super Metapher, denn in der Polarnacht ist es einfach dunkel und das kannst du nicht ändern. Es ist so ähnlich wie mit dem Wetter. Es geht einfach darum, was man draus macht. Klar war der Winter letztes Jahr (22/23) nicht wirklich gut, aber ändern kann man es nicht.

 

Timo: Du hattest vorhin erwähnt, dass du gerne easy rüberkommen magst, dich das aber auch zum Teil stresst. Ist das im Sport vor allem bei Wettbewerben auch so? Beeinflusst dich das und verhältst du somit in bestimmten Situationen anders?

Manu: Klar gibt es einen Unterschied, wenn ich als Sportlerin irgendwo auftauche. Aber natürlich bin ich neben der Sportlerin auch noch viel mehr. Ich bin Architektin, ich interessiere mich für Politik und da sind auch sicherlich noch andere Dinge, die ich noch lerne und in denen ich noch nicht so gut bin. Aber es gehört dazu, wenn ich als Sportlerin unterwegs bin, dass ich vor allem die positiven Seiten des Sports in den Vordergrund stelle und meine anderen Bedürfnisse in der Zeit ein wenig zurückschraube. Das heißt dann auch manchmal einfach nicht zu erzählen, was es alles kostet, dass man jetzt hier steht. Dass man beispielsweise die Familie an wichtigen Veranstaltungen nicht immer sehen kann, weil man über den Winter einen sehr unregelmäßigen Lebensstil hat. Diese Sachen haben sicherlich andere Leute durch ihren Job aber im Sport geht es häufig unter, weil es nicht so im Vordergrund steht. Ein anderes Beispiel ist das Training, welches wir das ganze Jahr über durchziehen. Ein Beispiel ist, dass es oft auf Unverständnis stößt, wenn man nicht mit auf einen Kaffee noch kommt, weil man sich noch nicht ausgedehnt hat. Auch die immer weiter voranschreitende Professionalisierung bringt einen Mehraufwand mit sich. Es bedarf immer mehr strukturierten Training, was mittlerweile ja schon in Kinderzeiten beginnt. Daher wird das Freeriden immer mehr zum Vollzeitjob.

Timo: Du hast bereits durchblicken lassen, dass dir auch das Thema Sicherheit am Berg sehr wichtig ist. Wie sieht da deine allgemeine Vorbereitung aus?

Manu: Ich betreibe Risikominimierung nach bestem Wissen und Gewissen. Aber natürlich ist mir auch klar, dass man einfach Pech haben kann. Vor allem in der letzten Zeit hatte ich viele Menschen aus meinem direkten Umfeld, die nicht mehr vom Berg zurückgekommen sind. Da fragt man sich dann schon, ob es das wert ist, jetzt unbedingt diese Line fahren zu müssen. Ich probiere für mich immer mit meinen subjektiven Eindrücken eine sehr einfache Risikoabschätzung zu gestalten. Dabei versuche ich abzuschätzen, ob es nur weh tut, ich im Krankenhaus liegen kann oder vielleicht sogar sterbe. Meine goldene Regel lautet, wenn ich einfach nicht alle Faktoren ganz abschätzen kann, dann lasse ich es einfach sein. Ich hatte da jetzt vor kurzem noch ein passendes Erlebnis zu, wo Xaver de la Rue und Jeremy Jones den Juniors gesagt haben, dass sie niemals über Geländefallen fahren. Das kann da drüber noch so geil aussehen, die fahren da einfach nicht drüber. Also durch Auswahl der Spur, des Geländes und des Berges kann man schon einiges an Risiko vermeiden.

 

Timo: Mir fällt jetzt durch deine Antworten noch eine Frage spontan ein und zwar hast du zum einen über die Vorbilds-Funktion als Sportlerin gesprochen und zum anderen auch, dass oft nur die sonnigen Zeiten in den Vordergrund gestellt werden. Wäre es nicht auch vorbildlich, den Menschen zu zeigen, wie es wirklich ist?

Manu: Genau das probiere ich immer wieder auch zu zeigen. Gerade eines meiner letzten Reels war ein Instagram vs. Reality, wo ich eine mega geile GoPro Aufnahme habe und auf dem Video von unten hört man, wie eisig es war und sieht, wie wenig schön ich da runtergefahren bin. Grundsätzlich ist das eine sehr spannende Frage, denn das Konstrukt Social Media verlangt ja, dass das private Leben gezeigt wird. Ich muss aber auch klar sagen, dass ich da meine Grenzen sehr strikt ziehe. Ich möchte mich nicht in der Öffentlichkeit und noch für immer und ewig im Internet festgehalten emotional entkleiden. Wahrscheinlich wäre es sehr inspirierend für manche Leute und es würde sich auch besser verkaufen. Z.B. wenn ich mich auf dem Weg mit dem Lift nach oben über Geschlechterungleichheit im Sport aufrege. Da steckt wahrscheinlich auch medienwissenschaftlich bereits einiges an Wissen hinter aber ich bin die eigene Kuratorin meiner sozialen Medien und ich stelle mir dann immer die Frage, ob ich das möchte. Häufig ist darauf die Antwort „Nein“ und deswegen mache ich es dann nicht. Auch, wenn ich mich dazu entscheide, etwas in dieser Art zu zeigen, ist es nicht das wahre Leben. Es ist dann immer noch eine bewusste Entscheidung, einen Ausschnitt meines Lebens zu zeigen.

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