Erster Eindruck und Verarbeitung
Wenn man die Ski zum ersten Mal in der Hand hält, tut es einem fast schon weh, eine Bindung einzubohren und sie dem täglichen Skieinsatz zu unterziehen. Earlybird hat diese Bretter aber nicht als Wandschmuck, sondern als dauerhaften Begleiter am Berg gebaut. Das merkt man in der Verarbeitung. Im Trend zur Gewichtsreduzierung ist die Langlebigkeit ein oft vernachlässigtes Kriterium in der Skiwahl. Ein wichtiger Punkt, da ich nicht jede Saison einen neuen Ski kaufen mag und meine Ski mehr aushalten müssen als ein durchschnittlicher Pistenski.
Der Hauptwerkstoff des Jackdaws ist Holz. Mit Flachsfasern verstärkt ein flexibles und zugleich dauerhaftes Material, solange es gut geschützt wird! Die ziemlich robuste Holzoberfläche aus Robinie ist mit Bio-Öl versiegelt und nimmt Arbeitsspuren ganz gut hin. Man sieht zwar Kratzer wie bei jedem anderen Ski auch, auf dem Holz stört es mich allerdings weniger, denn die Jahresringe erzeugen sowieso ein für jeden Ski einmaliges Bild.
Die Kanten hinterlassen, besonders wenn sie sehr scharf sind, beim Aufsteigen kleine Kratzer an der Innenseite des Skis an Tip und Tail, was bei anderen Ski auch manchmal der Fall ist. Erstmal kein größeres Problem, aber hier bin ich trotzdem auf den Langzeittest gespannt. Der Übergang der Sidewall in Tip und Tail ist sehr robust gelöst und die lange Sidewall aus Robinie lässt nicht nur auf gute Kraftübertragung schließen, sondern vor allem auch auf lange Haltbarkeit.
Wer den Jackdaw wie jeden Ski sorgfältig pflegt und Coreshots unverzüglich ausbessert, kann an ihm lange Freude haben. Die Verarbeitung des Skis wirkt wirklich ausgezeichnet!
Fahreigenschaften
Der Ski ist bei mir etwa 5 cm über der Körpergröße. Tag eins meines Testtagebuchs führt uns in die Alpspitz Nordwand. Bei harten und nicht mehr ganz so pulvrigen Bedingungen braucht es ein paar Schwünge, um sich an den neuen Drehpunkt des Skis sowie die Länge zu gewöhnen.
Die Abfahrt über die pulvrige Ostseite ist ein Traum und nach einer kurzen Lernkurve vermittelt der Jackdaw Stabilität und Selbstbewusstsein. Weiter unten wechseln aufgeweichte Lawinenboller mit Firn. Für den Jackdaw mit seinem langen Schnabel selbst mit Speed kein Problem. Zum Glück geht’s mit dem Schlepplift gleich nochmal hoch und über die Pisten hinab ins Tal.
Tourentag zwölf auf dem Jackdaw: Der Frühling hält Einzug. Ich stelle fest, der Ski liebt große Schwünge mit Tempo auf Firnflanken und lässt sich exzellent surfen. Das kenne ich in der Art von meinem Line Opus und ich entdecke jede noch so kleine Kante oder Wechte als Gelegenheit, mit dem Ski zu spielen.
Trotz der Länge ist der Jackdaw überaschend wendig. Durch den großen Radius merkt man, dass vor allem offenes Terrain das Spezialgebiet des Skis ist. Ab heute taufe ich ihn Jacky.
In engen Rinnen bei harten Bedingungen empfand ich den Ski als etwas zu lang und träge. Wer den Ski viel in technischem Terrain navigiert und weniger Wert auf Auftrieb und Speed legt, dem empfehle ich, den Ski etwas kürzer zu nehmen. Große elegante Turns im Pulverschnee sind mit dem Ski ein großer Genuss. Es gibt viele breite Bretter, die das können, aber wenige würde ich ohne zu zögern auch auf längere Touren mitnehmen.
Jackdaws, im deutschsprachigen Raum Bergdohlen genannt, sind ausdauernde Flieger und erreichen selbst hohe Gipfel ohne auch nur eine Daune zu krümmen. Beneidenswert, denn Earlybird hat es geschafft, einen Ski zu produzieren, der in Sachen Gewicht federführend unter den Dohlen mitspielt.
Eine der letzten Touren des Jahres, bevor ich das Tourenbuch schließen muss, ist eine ausgedehnte Tagestour im Allgäu. Es geht übers Kreuzegg und Rauheck hinab ins Ostrachtal. Der Jackdaw bleibt über 1700 hm auf den Rucksack geschnallt, denn die Bedingungen im Aufstieg lassen nur Steigeisen zu. Am Gipfel ziehe ich die unnötig aufgezogenen Felle ab und wundere mich, dass ich breite Freerider im Gepäck habe. Das habe ich am Rucksack beim besten Willen nicht gespürt. Mit etwas über 1600 g pro Holz werde ich in Zukunft wohl nur noch für mehrtägige und extreme Hochtouren zu meinem schmaleren Tourenski greifen. Wer kein Grammjäger ist und sowieso breite Ski im Hochgebirge gewöhnt ist, wird mit dem Jackdaw über den Hochwinter hinaus glücklich.
Bodenlosen Champagne Powder konnte ich aufgrund des gekürzten Winters leider nicht testen. Bei durchschnittlichen und teils auch stattlichen Neuschneefällen hat der Ski mich aber mit genügend Auftrieb überzeugt. Er animiert einen zu mittleren und großen Radien sowie dem ein oder anderen Sprung. Buckelfahrer brauchen gute Nerven und auch für Backcountry Trickser gibt es bessere Ski, denn der Jackdaw ist eher eine steife Latte als eine weiche Nudel. Eine Eigenschaft, die ich von meinem Scott Scrapper kenne und schätze. Wie der Scrapper lässt sich auch der Jackdaw präzise kontrollieren, wenn es mal ruppiger wird. Einen Punkt, an dem der Ski anfängt zu flattern, habe ich außer auf dem Dachträger bis jetzt nicht finden können.
Auch die ein oder andere harte Landung in Falllinie hat der Ski gutmütig verziehen, es braucht aber einen aktiven Skistil, um die Bretter wieder um die Kurve zu bekommen. Eine saubere Skitechnik wird mit direktem Rebound und Spurtreue quittiert. Der Kraftaufwand liegt dabei etwas höher als bei einem weicheren Tourenski, was den stattlichen Dimensionen des Skis geschuldet ist. Besonders die saubere Schwungeinleitung kristallisierte sich als der Zügel heraus, der den Ski in die Schranken weisen kann. Einfach nur nach links und rechts lehnen wie bei einem voll gerockerten Ski ist dem Jackdaw nicht genug.
Obwohl der Jackdaw unter den Freetourern angesiedelt ist, behält er Freestyle-Potential durch die Form des Tails. Das Skiende ist leicht gerockert, aber nicht so stark, dass man den Ski nicht mehr in den Schnee rammen kann. Bei gedrifteten Schwüngen, Spurpatzern oder im Aufstieg beim Aneinander-Vorbeiziehen verhakte sich trotz der Breite nichts. Earlybird hat hier meines Erachtens das perfekte Mittelmaß an Verspieltheit und Praxistauglichkeit gefunden.
Aufgrund des Designs gibt es keine designierte Vertiefung oder ähnliches, um das Fell zu halten. Ob Umklapphaken auf der glatten Oberfläche als Fellbefestigung dauerhaft halten, kann ich nicht einschätzen. Ich hatte hinten einen umgehenden Stahlbügel und konnte vorn mit Klettverschluss das Fell spannen, was den ganzen Tag über gut hielt und ich so empfehlen kann.
Ein so auffälliger Ski kommt natürlich auch mit einem stolzen Preis. Earlybird spielt hier in einer anderen Liga als die meisten bekannten Ski-Marken. Kein Wunder: Die Ski sind alle handgemacht und aus hochwertigen Recycling-Materialien hergestellt und noch dazu in der Schweiz. Die Arbeitszeit, die hier in einem Ski steckt, dürfte vor allem Leute, die sich im Eigenbau versucht haben, nicht überraschen.
Der Trend zur Nachhaltigkeit wird zwar mittlerweile erfreulicherweise von vielen Skimarken aufgegriffen und auch umgesetzt. Trotzdem ist nicht zu leugnen, dass es sich manchmal nur um Greenwashing handelt.
Bei Earlybird wurde der Rohstoff-Kreislauf von der Firmengründung an bedacht und akribisch bis ins Detail umgesetzt. So ist von der Presse aus Holz bis zum recycelten Belag mit Bio-Skiwachs alles darauf ausgelegt, die Arbeitsschritte so angenehm und gesund wie möglich zu gestalten. Das merkt man auch, wenn man den fertigen Ski in der Hand hält. Er riecht angenehm und auch die Haptik ist emotional ansprechend.