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Die Bergwacht Bayern: zwischen Bergunfällen und Edelweißraub

25.10.2017 von Kristian Rath
Freitag Abend, 19.30 Uhr: Melderübergabe bei der Bergwachtbereitschaft Bad Hindelang. Eine Woche lang habe ich nun Bereitschaft. Das heißt einsatzklar sein, falls jemand in unserem Dienstgebiet in Bergnot gerät. Das heißt, dass ich mich eine Woche lang zu Hause oder im Nahbereich des Bergwachtdepots aufhalte, außer wenn ich arbeite.

Wir sind zu sechst. Vier Bergwächtler, ein Einsatzleiter und ein Anwärter. Drei haben ihren Arbeitsplatz im Umkreis von fünf bis zehn Autominuten vom Bergwachtdepot und drei sind etwas weiter entfernt beschäftigt. Passieren kann in unserem Dienstgebiet in den Allgäuer Alpen so ziemlich alles, außer gletschertypische Unfälle. Falls ein Heli benötigt wird, sollte man in ca. zehn Minuten startklar am Landeplatz sein. Da mein Arbeitsplatz knappe 30 Kilometer entfernt ist, bin ich bei Einsätzen unter der Woche meist außen vor. Zudem bin ich im Winter als Beobachter für den Lawinenwarndienst Bayern tätig, daher verpasse ich noch weitere Einsätze. Seit nun 25 Jahren gehöre ich der Bergwacht Bad Hindelang an. Da kommt so oder so einiges zusammen.

Wie läuft ein Einsatz ab?

Irgendwo im Allgäu kommt es zu einem Unfall. Der Verunfallte selbst oder Zeugen wählen den Notruf am Handy und werden, sofern ein deutsches Netz vorhanden ist, mit der Integrierten Leitstelle Allgäu (ILS Allgäu) verbunden. Anhand des Meldebildes  entscheidet die Leitstelle, welche Rettungsorganisation alarmiert wird, also z.B. Feuerwehr, Wasserwacht, Rotes Kreuz oder eben die Bergwacht. Grob gesagt wird die Bergwacht dann alarmiert, wenn der Unfallort nicht mit normalen Fahrzeugen anfahrbar ist. Die Leitstelle löst die Funkmelder der entsprechenden Organisation aus. Der Meldeempfänger klingelt und der Einsatzleiter nimmt Kontakt zur Leitstelle auf. Die diensthabenden Bergwachtler eilen zum Depot und entscheiden dort, was zu tun ist. Je nach Meldebild wird ein Hubschrauber oder ein Notarzt angefordert.

Der Einsatz beginnt. Da kann von einem unspektakulären Abtransport eines Leichtverletzten mit dem Auto bis zu schwierigen Bergung aus einer Felswand alles vorkommen. Die nötigen Handgriffe werden von den aktiven Bergwachtlern regelmäßig geübt. Sowohl medizinisch als auch technisch.

Im Winter sind mindestens vier, am Wochenende sechs Bergwachtler in Skigebiet Oberjoch stationiert. Da kann man davon ausgehen, dass auch regelmäßig etwas passiert. Die höhere Beförderungsleistungen der Bahnen und der harte Kunstschnee trägen auch zu einer Steigerung der Unfallzahlen bei. Genau so verhält es sich auf der Rodelbahn. Auch dort kann man Wochenende täglich von Unfällen ausgehen. Die Bergung erfolgt dort meist mit dem Motorschlitten.

Welche Voraussetzungen muss ein Bergwächtler bringen?

  • Regelmäßig und gerne in den Bergen unterwegs sein.
  • Trittsicherheit, Schwindelfreiheit, Kondition
  • Überdurchschnittliches skifahrerisches Können, sowohl auf der Piste als auch im Gelände
  • Erfahrung im alpinen(!!) Klettern mit Vorstieg im Grad IV oder höher
  • und nicht zu vergessen: Neugier/Interesse, Geselligkeit und Zeit
  • Mindestalter 16 Jahre

Wie läuft die Ausbildung ab?

Man tritt einer Bergwachtbereitschaft als Anwärter bei. Eine körperliche und charakterliche Eignung vorausgesetzt, durchläuft man nun die in der Grafik unten dargestellte Ausbildung.

Warum das Ganze?

Als aktiver Bergsteiger kann man selbst in Not geraten und ist dann auf Leute angewiesen, die einem Notfalls aus der Patsche helfen. Schon alleine aus menschlichen Aspekten kann man verunfallte Personen nicht einfach liegen lassen, wenn die Möglichkeit besteht, diese zu retten. Zudem erhält man eine gute Ausbildung, die man auch für sich selbst als Bergsteiger brauchen kann. Nicht zu vergessen ist weiters die soziale Komponente, die Gemeinsamkeit mit Gleichgesinnten und auch manches nette Feschtle (wie man im Allgäu sagt).

Gesetzliche Verankerung

Die Bergwacht Bayern führt den Rettungsdienst in den alpinen Einsatzbereichen, an unwegsamen Einsatzschwerpunkten und in Höhlen durch. Sie ergänzt in besonderen Fällen die weiteren Einheiten des Rettungsdienstes auch außerhalb ihrer Einsatzbereiche. Sie wird durch die Zweckverbände für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung auf der Basis des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes und öffentlich-rechtlicher Verträge mit der Durchführung des Rettungsdienstes beauftragt.

Unterschied Bergwacht/Bergrettung

Gerne durcheinander gebracht werden die unterschiedlichen Begrifflichkeiten in Bayern und Österreich. In Bayern wird die Rettung aus alpinem Gelände von der Bergwacht durchgeführt. In Österreich übernimmt diese Aufgabe jedoch die Bergrettung. In Österreich gibt es auch eine Bergwacht. Diese übernimmt aber ausschließlich Naturschutzaufgaben.

Natur- und Umweltschutz

Auch wenn gerade in den alpinen Bereitschaften der Regionen Allgäu und Oberland die Rettung ganz klar an erster Stelle steht, darf nicht ganz vergessen werden, dass die Bergwacht Bayern es sich zur Aufgabe macht, dass alle Auszubildenden und Mitglieder der Organisation über eine umfassende Ortskenntnis verfügen und eine überdurchschnittliche Kenntnis der naturräumlichen Zusammenhänge in ihren Zuständigkeitsbereichen besitzen. Das versetzt sie in die Lage, ihr eigenes Verhalten beim Bergsteigen und bei der Durchführung von Einsätzen zu reflektieren und sich naturschonend und umweltbewusst zu verhalten.

Die Bergwacht Bayern motiviert Persönlichkeiten in ihren Reihen, neben ihrer Tätigkeit im Berg- und Höhlenrettungsdienst Bergsportler und Naturinteressierte für die Natur und deren Schutz zu begeistern. Ein ganz großer Verdienst der Bergwacht ist es, die reichhaltigen Edelweißbestände in den Allgäuer Alpen vor der Plünderung und Vernichtung bewahrt zu haben. Dazu muss man wissen, dass in den 1930ger Jahren das Edelweiß in der Bevölkerung einen unglaublich hohen Stellenwert hatte. Einheimische plünderten die Edelweißbestände und verkauften diese in Oberstdorf an Touristen. Ebenso versuchten Touristen ihr Glück und kamen dabei nicht selten in Bergnot. Die Brücke zwischen Naturschutz und Rettungsaufgaben war somit schnell hergestellt. Heute stellt der „Edelweißraub" kein relevantes Thema mehr da. Somit ist der Naturschutzposten an der Höfats auch nicht mehr besetzt.

Geschichte der Bergwacht

Vor knapp 100 Jahren – genauer gesagt 1920 – gründeten einige Männer aus München die erste deutsche Bergwacht. Ihr Ziel war es, nach den katastrophalen Zuständen in den Bergen nach dem ersten Weltkrieg wieder „Ziel, Ordnung, Sitte und Anstand" in die Bergwelt einkehren zu lassen.

In Hindelang war in einer Schrift des örtlichen Alpenvereins zu lesen:
..daneben treiben sich in den Bergen auch Leute herum, die man sich dort nicht wünsche. Rotes Revolutionsgesindel, Unzuchtreibende, Naturfrevler, Hütten und Lagerdiebe......

Nur wenige Monate später gründete das Rote Kreuz den Gebirgsunfalldienst. Dies war ein Verbund von Sanitätern. Mitte der 60er Jahre schlossen sich die Landesverbände der Bergwacht auf Bundesebene zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen. Aus dieser Gemeinschaft entstand der Bundesausschuss der Bergwacht des deutschen Roten Kreuzes. Dies hält bis zum heutigen Tag an.

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