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PowderPeople | RIP Guillaume Le Guillou aus La Grave

Ein verspäteter Nachruf auf einen begnadeten Fotografen, passionierten Snowboarder und vor allem liebenswerten Menschen.

17.02.2025 von Totti Lingotti
Nachdem ich in den letzten Wintern leider nicht mehr die Zeit gefunden hatte, so oft wie früher in die schöne Bergwelt der Westalpen zu fahren, wurde auch der Kontakt nach La Grave etwas sporadischer. Umso mehr freute ich mich als wir uns dieses Jahr entschieden endlich mal wieder ein paar Tage in La Grave zu verbringen. Umso schockierter war ich aber auch als Anne, Guillaumes Freundin, auf meine Email an ihn antwortete, dass er letzten Winter völlig überraschend gestorben ist. Das ist jetzt eineinhalb Wochen her und ich sammle immer noch meine Gedanken.

Alles begann eigentlich mit einem Bike-Festival in La Grave im Sommer 2007. Baschi Bender wurde als Fotograf zu dem Bike-Foto/Video-Contest Fat Wheels eingeladen und bat mich als Fahrer dabei zu sein. Zusammen mit Jan machten wir uns auf den Weg in die Westalpen und lernten in den folgenden Tagen das besondere Flair von La Grave kennen, welches sogar im Sommer zu spüren ist.

Bruno Florit und Guillaume Le Guillou richteten seit 2004 jeden Sommer das Fat Wheels Festival aus, bei dem es eigentlich hauptsächlich darum ging eine schöne, unvergessliche Zeit in der beeindruckenden Landschaft rund um La Grave zu verbringen. Nebenbei wurden natürlich auch noch etliche eindrückliche Bikebilder aufgenommen. Im Grunde war es den eingeladenen Teams völlig frei gelassen wo und wie sie das Bildmaterial in den zwei Tagen bis zur Prämierung zusammentrugen - einzig der Bezug zu vorgegebenen Kategorien sollte hergestellt und die vorgegebenen Grenzen des Tals nicht überschritten werden.

Und exakt diese Freiheit und Offenheit trafen wir auch bei den Menschen an, die sich in dem speziellen, pittoresken kleinen Dorf niedergelassen haben. Einer von ihnen war Guillaume Le Guillou, einfach Guigui genannt, der aus der Großstadt Paris wegen seiner Passion zum Snowboarden erst in Grenoble gelandet und im Jahr 2004 dann endgültig genau hier hängen geblieben war. Aufgewachsen ist er in der Bretagne, aber die Familie war in den Ferien immer in ihrem Ferienhaus in den Bergen von Valloire - gar nicht so weit weg von La Grave auf der anderen Seite des Col de Galibier.

Schon als Kind war er so intensiv am Segeln und Windsurfen, dass er als Jugendlicher schon anfing Erwachsene zu unterrichten. Das Interesse an der Fotografie hatte er von seinem Opa geerbt und war nicht minder leidenschaftlich dabei. Anfang der 2000er Jahre betrieb er in Grenoble sein erstes Business als Webdesigner (Infografik) und nahm in jeder freien Minute den Bus nach 2Alpes, um dort Snowboarden zu gehen.

Er fuhr auch immer wieder hinunter nach La Grave, aber erst als eine Abfahrt davon zu spät im Castillan endete, um wieder den Bus nach Grenoble zu bekommen und er in La Grave übernachten musste, wurde Guigui klar, dass er hier leben wollte. Er verkaufte seine Anteile an seinem Unternehmen und wollte sich als Fotograf durchschlagen und Snowboarden gehen.

Mit seinem bescheidenen und liebevollen Gemüt und seinem charmanten Grinsen war damals sofort eine freundschaftliche Beziehung aufgebaut - man konnte gar nicht anders als ihn direkt in sein Herz zu schliessen. Guigui hatte sich 2007 schon einen Namen als Fotograf gemacht - sowohl für den Bike- vor allem aber für den Schneesport.

Seine kontrastreichen - oftmals schwarzweiss - Aufnahmen hoben die Wintersportfotografie auf ein künstlerisches Niveau und er fand dafür in La Grave die perfekte Landschaft unterhalb des Gipfels der La Meije vor. Egal ob die windgeprägte Schneeoberfläche auf den weiten Hängen des Girose Gletschers, die schroffen Steilwände in den engen Couloirs oder die kantigen Eisformationen in den Abfahrten wie Pan de Rideau oder am Col de la Girose. Guigui verstand es wie kein anderer die schneebedeckten Berge in ihrer Wildheit in (fast) jedem seiner Bilder festzuhalten und den Ski- oder Snowboardfahrer darin passend zu platzieren.

La Grave stand spätestens seit Anfang der 90er Jahren des letzten Jahrhunderts mit einem seines gleichen suchenden Gütesiegel für FreeSki oder Freeride der ursprünglichen, etwas anarchischen Art: Eine völlig überalterte Gondel aus den Siebziger Jahren und exakt eine Piste mit Schlepplift auf dem Gletscher. Alle Wege zurück in das Tal führen durch mehr oder minder ernsthaftes Offpiste-Gelände, welches so variabel und somit weltweit wohl einzigartig ist.

Diejenigen, die hier hängen bleiben oder immer wieder zu Besuch kommen, lieben das Freeride-Mekka für seine Freiheit, Eigenverantwortlichkeit, aber auch wegen seiner Konsequenz und dem besonderen Flair, der hier vor allem im Winter herrscht. Es scheint als ob in einem solch ursprünglichen und leidenschaftlichen Ort hauptsächlich ebensolch passionierte und ehrliche Menschen hängen bleiben.

Uns hatte dieser Flair auch erwischt. Eben diese Freundschaften, die durch viele Besuche und abenteuerlichen Abfahrten in den nächsten Jahren intensiviert und erlebt wurden, machten es uns leicht immer wieder hierher zu kommen. Und Guigui spielte dabei mit seiner überaus gastfreundlichen Art eine wichtige Rolle. Er und Anne hatten immer ein Plätzchen in ihrer kleinen Wohnung für uns übrig. Guigui nahm jeden auf jede Reise mit - unabhängig davon, ob auf Skiern oder Snowboard, mit viel Erfahrung oder mit wenig! Hauptsache mit der gleichen Passion, die er auch für das Leben im Schnee inne hatte.

Dann packte er bei seinem ersten Kaffee am Morgen seinen übergewichtigen f-Stop-Fotorucksack und los ging es. Bis zum Abend und dem ersten Bier im Castillan gab es dann kaum Pausen, damit seine beiden Passionen auch ausreichend ausgelebt werden konnten. Nach dem letzten Bier wurde dann beim vorletzten Kaffee zuhause das Bildmaterial vom Tag ausgewertet und der Plan für den nächsten Tag besprochen. So ging das tagein tagaus - zumindest solange die Bedingungen gut waren.

Erstaunlich war wie viel sehenswertes Bildmaterial er von den Tagen jedes Mal mit nach Hause brachte. Egal, ob wir die unzähligen Rinnen hinunter zur Straße befuhren, wir einfach nur von P2 durch die Lärchenwälder powdern gingen oder eine längere Tour in die Ecrins und zurück nach La Grave machten. Er war zu allem motiviert und schleppte sein schweres Fotoequipment überall hin - und obendrauf auch noch sein langes powder board. Und es waren immer sehr eindrückliche Tage - auch wegen der vielen Gespräche, die wir währenddessen hatten.

Darin erwähnte er hin und wieder seinen Wunsch selbst einmal Snowboards produzieren zu wollen und ein eigenes kleines Snowboard-Unternehmen zu gründen - nicht des Profites wegen, sondern nur um seinen eigenen Ideen in die Shapes einzubringen, mit denen er so gern auf den Bergen abwärts unterwegs war. Und um die (Snowboard)-Welt um ein paar künstlerische Schmuckstücke zu bereichern, die seinen hohen Ansprüchen an Design und Funktionalität gerecht wurden. Vor allem aber um endlich adequate Splitboards für den Aufstieg zur Verfügung zu haben, da er konsequent Schneeschuhe nutzen musste, weil es zu der Zeit schlichtweg noch kaum Splitboards in seinen favorisierten Shapes gab.

Im Jahr 2019 wurde sein Traum Wirklichkeit und er gründete die Snowboardmarke Âme - mit der gleichen Passion wie für alles vorher war er auf einmal Shaper, Geschäftsführer, Webdesigner, Vertriebler, Marketing-Chef und Athlet in einem. Er hatte sich über die Jahre so viele Fähigkeiten angeeignet und Kontakte geknüpft, dass dies überhaupt erst als sein ultimatives Projekt möglich wurde.

Von Beginn an mit einem großen Fokus auf Freeride á La Grave entstanden innerhalb von vier Jahren sieben verschiedene Splitboards und sechs verschiedene Snowboards, von denen einige mit besonderen Shapes, wie das La Grave-originale swallow tail Makoblast in 185 cm, und auch mit limitierten Designs, wie z.B. das Black Swan (Kunstwerk von Alexander Jansson) oder das Roam ausgestattet sind. Diese kamen durchaus gut an und wurden auf dem internationalen Markt verkauft und auch prämiert.

Trotzdem musste natürlich jedes Mal wieder ein Haufen Geld investiert werden, um überhaupt eine weitere Serie zu entwickeln und ausreichende Stückzahlen produzieren zu können. Dieses Risiko ist Guigui mit der gleichen Überzeugung eingegangen wie die Abfahrten im ernsthaften Gelände von La Grave.

Guigui ist am 20. Januar 2024 völlig überraschend gestorben. Voraussichtlich werden die Âme Snowboards in Zukunft nicht mehr erhältlich sein, außer es findet sich ein Interessent für die erarbeiteten Produktionsmaterialien, welcher Guiguis Erbe weiterleben lassen möchte. Er hatte wohl schon an neuen Designs und Shapes für die nächsten Boards gearbeitet. Anne versucht nun einige Restbestände an Âme Snow- und Splitboards reduziert zu verkaufen, um die entstandenen Investitionen wieder zu refinanzieren. Sollte Interesse an einer Bestellung bestehen oder jemand eine Idee haben wie Âme Snowboards am Leben gehalten werden kann, bitte einfach per Email melden. Jeder einzelne Kauf hilft!

Guigui hat uns leider viel zu früh verlassen, um uns nicht noch mehr schöne Eindrücke aus den Bergen in seinen Bildern zu schenken. Viel zu früh, um nicht noch mehr seiner künstlerischen und fahrtechnischen Ideen in Snow- und Splitboards einzubringen. Viel zu früh, um uns mit seiner charmanten und liebevollen Art nicht noch mehr Grinsen ins Gesicht zu zaubern!

Roam in Peace, Guigui!

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