Am liebsten mag er es, wenn's «klöpft und tätscht». Heute* jedoch war es ruhig, fast zu ruhig für seinen Geschmack. Gefahrenstufe 2 – mässig – wenig Lawinenaktivität. Noch kurz das freitägliche Interview mit Radio Rumantsch um 17.50 Uhr–für den 29-jährigen Lawinenprognostiker aus Ruschein im Bündner Oberland ein Heimspiel – danach ist Feierabend.
* 'Heute' ist ein beispielhafter, fiktiver Tag. Es handelt sich hier nicht um die aktuelle Lawinensituation.
Seit 5.30 Uhr ist Gian Darms auf den Beinen, wie immer, wenn er Bulletindienst leistet. Der erste Gang gilt dem Drucker in der Lawinenwarnzentrale. Im Verlauf der Nacht treffen dort Daten der über hundert automatischen Messstationen ein. Die Zeit bis 8 Uhr ist knapp. Dann muss die neue Gefahreneinschätzung für den anbrechenden Tag online vorliegen. Konzentriert überprüft Darms sämtliche Informationen, so auch Wettermodelle und -berichte. Um 7 Uhr setzt er sich mit Teamkollege Lukas Dürr zum Briefing zusammen. «Kein Neuschnee über Nacht, Wind schwach aus Nordost, keine Abweichungen zum Bulletin in den Gefahreneinschätzungen der Beobachter», schildert er seinem Kollegen kurz und prägnant die aktuelle Wetter- und Lawinensituation und empfiehlt: «Ich würde keine Änderungen des gestrigen Bulletins vornehmen.» Sie diskutieren Gefahrenstufe und Gefahrenbeschreibungen und beschliessen, alles beim Alten zu belassen.
«Unser Lawinenbulletin entsteht nie im Alleingang, sondern in Zusammenarbeit von zwei- bis drei Lawinenprognostikern», erklärt Darms. «Ein gut funktionierendes Team ist deshalb unerlässlich.» Damit eine Gefahreneinschätzung auch im Nachhinein nachvollzogen werden kann, archivieren Darms und seine Kolleginnen und Kollegen alle Daten, die den Entscheidungen zugrunde liegen.
An ruhigen Tagen wie heute liegt ein Gang ins Gelände durchaus drin. Die Ski geschultert, beeilen sich Darms und Dürr, die 8.15-Uhr-Parsennbahn zu erreichen. Aufgewachsen direkt unterhalb der Skipiste, sind solche Ausflüge für Darms eine willkommene Abwechslung zum Büroalltag. Geplant ist, auf dem Weissfluhjoch selbst in die Schneedecke zu schauen. Mit dabei, wie immer, das Piketthandy. «Im Dienst sind wir 24 Stunden am Tag erreichbar.»
Mitten im Schneeschaufeln klingelt denn auch tatsächlich das Telefon. «Tgau Fridolin», begrüsst Darms den Anrufer und nimmt dessen Schilderungen zur Schneeverfrachtung am Glaspass aufmerksam entgegen. «Die rund 200 Beobachterinnen und Beobachter, die tagtäglich fürs SLF im Einsatz sind, sind das eigentliche Herzstück der Lawinenwarnung. Ihre Rückmeldungen zur lokalen Schnee- und Lawinensituation sind unerlässlich für die Lawinenprognose», erklärt Darms, während des Studiums selber jahrelang Patrouilleur und SLF-Beobachter.
Inzwischen ist es höchste Zeit, wieder ins BĂĽro zurĂĽckzukehren. Das nächste Briefing findet um 15 Uhr statt. Vorher wollen alle neu hereingekommenen Daten interpretiert sein. Sicherheitsdienste und Schneesportler warten bereits auf die Gefahreneinschätzung fĂĽr den folgenden Tag, die um 17 Uhr viersprachig auf Website und App aufgeschaltet sein sollte.Â
Während des ganzen Winters diesem Zeitdruck und dieser Verantwortung ausgesetzt zu sein, ist eine nicht zu unterschätzende Belastung. Trotzdem kann Darms ruhig schlafen: «Gerade als langjähriger Praktiker bin ich mir der Grenzen des Lawinenbulletins sehr bewusst. Es bietet eine wichtige Grundlage. Vor Ort im Gelände ist aber jeder selbst für seine Entscheidungen verantwortlich.»
«Ina biala sera», wünscht Gian Darms seinen Hörerinnen und Hörern auf Radio Rumantsch und macht sich selbst auf in den Feierabend.
Dieser Artikel ist in Ausgabe 1/2014 des WSL Magazins Diagonal erschienen und wurde PG vom SLF freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Der Text stammt von Christine Huovinen, SLF.