Neue Bahnen, der Zusammenschluss von kleinen Skigebieten, flächendeckende künstliche Beschneiung und immer mehr Komfort und Service – die alpinen Wintersportgebiete kämpfen um ihre Gäste. Der Konkurrenzkampf der Wintersportorte und der Liftgesellschaften um die Gäste ist hart, denn die Nachfrage stagniert. Viele große Skigebiete versuchen, ihre Gäste mit immer moderneren und komfortableren Bahnen zufrieden zu stellen, während kleinere und mittlere Wintersportgebiete ihr Heil in Zusammenschlüssen suchen.
Das Nachsehen haben insbesondere die schlecht erreichbaren, abgelegenen Skiorte. Solche Wintersportgebiete lassen sich oft nicht kostendeckend betreiben und müssen von den betreffenden Orten unter großen finanziellen Belastungen am Leben gehalten werden, aus Angst die zahlungskräftige Winterklientel zu verlieren.
Massive Investitionen auf der einen Seite, schlecht ausgelastete Gebiete und eine deutliche Überkapazität andererseits, führen, so ist zu befürchten, zu einem Rückgang der Zahl der Skigebiete.
Die Angst vor dem Klimawandel und der Rückgang der Schneemengen in den niederen und mittleren Lagen führt zu einem immer intensiveren Einsatz von Beschneiungsanlagen.
Österreich und insbesondere Tirol, haben mit ihren nahezu perfekt ausgebauten Skigebieten und ihrer professionellen Werbung und Vermarktung die Konkurrenz in Deutschland und der Schweiz abgehängt. Um im Konkurrenzkampf zu bestehen, sehen viele Verantwortliche ihr Heil in immer mehr Angeboten. Der Neu- und Ausbau von Skiliften und Bergbahnen gehört hier ebenfalls dazu wie der Zusammenschluss von bisher für sich allein agierenden Skigebieten. Doch laut der international verbindlichen Alpenkonvention dürfte es diese großen Ausbau- und Zusammenschlussprojekte gar nicht geben…
Die Alpenkonvention – internationaler Vertrag über den Schutz der Alpen
Seit 1991 existiert ein „Übereinkommen zum Schutz der Alpen“ in dem sich die Alpenländer und die sog. Alpenanrainerstaaten zu einem weitreichenden Schutz der weltweit einmaligen alpinen Kultur- und Naturlandschaft verpflichten. Im sog. Tourismusprotokoll (§ 12) verpflichten sich die Staaten, die das Protokoll unterzeichnet haben, ihre Politiken so auszurichten, dass Liftneubauten nur dann genehmigt werden, wenn im Gegenzug alte Anlagen abgebaut werden und die frei werdenden Flächen renaturiert werden. Diese an sich verpflichtende Regelung, wird jedoch, wie an den Liftneubauprojekten ersichtlich wird, nicht oder nur ungenügend umgesetzt.
Dieser Artikel beleuchtet den Konflikt, der zwischen Anhängern und Gegnern der Neuschließungen und Skigebietszusammenschlüsse seit vielen Jahren erbittert ausgefochten wird. Es ist anzunehmen – auch wenn dem Verfasser hierzu keine empirischen Untersuchungen bekannt sind –, dass viele Wintersportler den Ausbau und die Komfortverbesserungen der Skigebiete zunächst einmal begrüßen dürften. Anders sieht es bei den meisten Skitourengängern aus. Diese benutzen zwar gelegentlich bestehende Liftanlagen, um Aufstiegszeiten zu reduzieren oder um die Reichwerte von Tagestouren zu erhöhen, stehen den Ausbauplänen jedoch zumeist ablehnend gegenüber. Zu den entschiedensten Gegnern der Ausbaupolitk der Skigebiete gehören neben den verschiedenen Naturschutzorganisationen die Alpenvereine, DAV, ÖAV und SAC.
Freerider bzw. Variantenfahrer stehen in der Mitte: Denn es hat sich gezeigt, dass ein Mehr an Liften nicht unbedingt zu besseren Möglichkeiten für das Variantenfahren führt bzw. dass, wenn nahezu alle Hänge ohne größere Aufstiege erreichbar sind, diese innerhalb kürzester Zeit befahren werden, was solche Gebiete für Freerider eher weniger interessant macht. Pikanterweise lauten die Argumente, mit denen einige Verantwortliche ihre Ausbauprojekte durchsetzen wollen, immer wieder, dass man für Tiefschneefahrer / Freerider besonders atratktive Angebote schaffen will. Grund genug für PowderGuide, die Ausbaupläne der Skigebiete kritisch zu durchleuchten.
Neuerschließungen, Liftneubauten und Zusammenschlüsse in Zeiten des Klimawandels
Aufgrund der unsicheren Aussichten wie stark sich die Klimaerwärmung nicht nur auf die Wintersportmöglichkeiten auswirken werden, sondern auch wie sich hierdurch das Freizeitverhalten der Menschen ändern wird, scheinen Neuerschließungen von ganzen Skigebieten in den Alpen ausgeschlossen zu sein. Zumal solche Neugebiete von der Alpenkonvention ausdrücklich ausgeschlossen werden.
Die derzeitigen Lift- und Seilbahnprojekte stellen entweder Ausbauprojekte bereits existierender Gebiete dar oder Zusammenschlüsse von bisher für sich bestehenden Wintersportgebieten.
Hierbei werden jedoch nahezu immer ehemals wenig oder gar nicht genutzte Flächen und Gebiete durch die Projekte belastet, wodurch oftmals wertvolle Biotopflächen beschädigt oder zerstört werden. Erschwerend wirkt sich aus, dass bedrohte Wildtierarten wie Auerhuhn und Schneehuhn oder Steinbock im Winter äußerst empfindlich auf Störungen reagieren und Gebiete, die intensiv und regelmäßig von Wintersportlern befahren werden, ihren Lebensraumanforderungen nicht mehr genügen.
Auflistung der uns bekannten Erschließungs- und Zusammenschlussprojekte
Aufgrund der schwierigen Informations- und Quellenlage beschränken wie uns daruf, die Aus- und Neubauprojekte in den deutschsprachigen Alpenländern aufzulisten.
Derzeit gibt es keine zentrale Stelle, die alle Zusammenschluss- und Ausbauprojekte sammelt und publiziert. Wir sind hier auf das Wissen und die Informationen aus der Community angewiesen. Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr!
Kategorisierung der Projekte
- 3: Projekt genehmigt, Information überprüft und gesichert
- 2: Projekt in der Planung – unklar, ob und wann dieses verwirklicht wird
- 1: Information aus der Community, ohne formale Bestätigung
Österreich
- Ischgl / Samnaun: Neuerschließung Piz Val Gronda | 3
- Arlberg: Zusammenschluss Lech–Warth | 3
- Zusammenschluss Rendl (Arlberg)–Kappl (Paznauntal) | 2
[Gegen das Umweltverträglichkeitsgutachten zu diesem Projekt gibt es heftigen Protest von Seiten der Tiroler Umweltanwaltschaft.]
- Zusammenschluss Arlberg Lech-Zürs und St. Anton | 2
- Kitzbühel: Bau der "Brunn" 2014, damit Erschließung eines neuen Bereichs, wo bisher nur eine ruhige Randpiste verlief | 2
- Kitzbühel: Bau der "Bichlalmbahn" als Ersatz für die frühere Bahn. Zeitpunkt wegen Gerichtsverfahren noch offen. Hierdurch würde das stillgelegte jetzige Tourenskigebiet wieder eröffnet. | 2
- Und nach dem gescheiterten Zusammenschluss von Zell am See mit dem Kitzsteinhorn (auch dagegen soll angeblich geklagt werden) das wohl größte Projekt der kommenden Jahre: Zusammenschluss von Zell am See/Schmitten mit Saalbach Hinterglemm und Fieberbrunn. | 2 Dadurch entstünde ein neuer Platzhirsch der Kitzbühel oder die Skiwelt in den Schatten stellen würde.
- Verbindung Kitzbühel und St. Johann | 1
- Verbindung Westendorf und Kitzbühel? | 1
- Oberösterreich, Region Ryhrn-Priel: Zusammenschluss des Skigebiets Wurzeralm mit dem Gebiet Hutterer Höss | 2
- Liste wird fortgeführt …
Schweiz
- Ausbau und Neubau(!) des Skigebiets Andermatt-Sedrun | 3
- Zusammenschluss der zentralschweizer Skigebiete Engelberg, Melchsee Frutt, Hasliberg (Meiringen) | 2
- Zusammenschluss der Bündner Gebiete Lenzerheide und Arosa | 3
- Neubau einer Gondelbahn von Göschenen ins neue Skigebiet Andermatt–Sedrun | 2
- Verbindung der Walliser Skigebiete Zinal und Grimentz | 2
- Schilthorn / Mürren: Verbindung mittels zwei Liten vom Blumental nach Hubel und Schiltgrat | 2
- Zusammenschluss der Gebiete Zermatt und Saas Fee | 1
- Liste wird fortgeführt …
Deutschland
- Verbindung Ifen und Walmendingerhorn am Bürgerotest gescheitert. Dennoch Modernisierung des Skigebiets Ifen | 3
- Bau eines Großparkhauses am Feldberg im Schwarzwald | 2
- Liste wird fortgeführt …
Anhand zweier Beispiele werden die Probleme und Konflikte, die der Neubau von Bergbahnen mit sich bringt, aufgezeigt:
Ischgls Motto: "Relax if you can!" – Der Kampf um den Piz Val Gronda
Das ehemals arme Bergsbauerndorf Ischgl hat einen kometenhaften Aufstieg zu einem der bekanntesten Skigebiete Tirols bzw. Österreich zurückgelegt. Mit großem Erfolg arbeiten die Skigebietsverantwortlichen daran, den Service immer weiter auszubauen, um ihren Gästen modernste und komfortabelste Anlagen zu bieten.
Seit mehreren Jahrzehnten – erste Pläne zur Erschließung des Piz Val Grondas gibt es seit 1976 – tobte eine heftige und emotional geführte Auseinandersetzung zwischen Naturschützern und den Skigebietsverantwortlichen und Ischgler Touristikern um die Erschließung des als äußerst sensibel geltenden Piz Val Gronda (2812 m). Um das Gebiet in das bestehende Großskigebiet zu integrieren, werden eine neue Seilbahn und eine neue Piste angelegt.
Durch den Ausbau wird das ehemals den Tourengehern und Wanderern vorbehaltene Gebiet rund um die Heidelberger Hütte um vieles schneller erreichbar und wird deutlich stärker frequentiert werden. Obwohl sämtliche Gutachten und auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung gegen die Erschließung votiert haben, gelang es den Touristikern letztlich, diesen Berg ihrem Skigebiet einzuverleiben.
Bescheidener Gewinn, einschneidender Verlust
Der „Gewinn“ für das Skigebiet „Silvretta-Arena“ liegt bei bescheidenen 1,3 km Skipisten, die zu den bereits bestehenden 240 km Pisten hinzukommen. Pikanterweise wirbt Ischg damit, dass durch den Neunbau ein außergewöhnliches „Freeride Skigebiet“ entstehen würde. In Anbetracht des bescheidenen Pistenzugewinns, aber des großen Zugewinns an Flächen für das Tiefschneefahren, scheint der Fokus tatsächlich auf der Erweiterung des Freeride-Terrains zu liegen. In Anbetracht der weitläufigen Flächen, die in Ischgl/Samnaun für Freerider zur Verfügung stehen, stellt sich natürlich die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieses Projekts.
Doch nicht nur in Ischgl gibt es große Ausbaupläne und –wünsche: auch in vielen anderen Skigebieten wird geplant und gebaut, als nähme mit jedem neuen Lift die Anzahl der Wintersportler automatisch zu. Tatsächlich ist es aber so, dass die Anzahl der Wintersporttage (also die Anzahl der Tage die Skifahrer und Snowboarder in Skigebieten verbringen) zurückgeht oder bestensfalls stagniert. Hinzukommt, dass mit der Überalterung der Gesellschaften (immer mehr Alte, immer weniger Junge) auch die Nachfrage nach Action-Sportarten vermutlich eher zurückgeht als steigt. Auf die unsicheren Aussichten durch den Klimawandel wurde bereits hingewiesen.
Gebi Mair, ein grüner Landtagsabgeordneter Tirols fragte seine konservative Landesregierung „Wie viel Ischgl verträgt Tirol?“. Diese blieb jedoch eine Antwort schuldig. Mairs Kritk trifft auch auf viele andere expansive Seilbahnunternehmen und Tourismusregionen zu: „Die verstehen einfach nicht, dass man außer mit Skifahren auch noch anders Geld verdienen kann“. Seine konsequente Forderung aus dem Ortsbild Ischgls lautet: Orte wie Ischgl sollen zu Industriegebieten erklärt werden, wo alles zugelassen wird. „Das übrige Land wird dafür in Ruhe gelassen, und die Skigebiete werden auch zurückgebaut.“
Die finanziellen Interessen der Tourismusdestination Ischgls gaben letztlich den Ausschlag, das Projekt trotz großer Widerstände beispielsweise der Silvretta-Alianz und der Alpenvereine zu genehmigen. Und wenn die Profitgier gegenüber den Schutzbemühungen gewinnt hat, heißt das in der typischen Amtssprache, dass „das öffentliche Interesse an der Erschließung höher zu gewichten [sei] als die ökologischen Einwände.“
„Pro Schneeparadies“ – geplanter Zusammenschluss der Zentralschweizer Skigebiete Engelberg – Melchsee Frutt – Meiringen Hasliberg
In der Zentralschweiz gibt es seit langem das Vorhaben, die drei für sich bestehenden Skigebiete Engelberg Titlis, Melchsee Frutt und Hasliberg Meiringen durch den Bau neuer Anlagen zu verbinden. Auch hierbei würden bisher weitgehend ungestörte Lebensräume von Wildtieren und sensible Ökosysteme beeinträchtigt. Um die drei Skigebiete miteinander zu verbinden, deren Talorte nur über lange Fahrstrecken miteinander verbunden sind, müssten, so die aktuelle Planung 7 neue Bahnen mitsamt Pisten und Beschneiungsanlagen sowie diverse Verbindungen und Anschlüsse, z.B. ein Tunnel gebaut werden.
Projektierte Anlagen für die Realisierung des „Schneeparadieses“
Verbindung von Engelberg via Jochpass nach Tannalp und zurück:
- 4er Sesselbahn Jochpass-Ober Grumm
- 4er Sesselbahn Engstlenalp-Schafthal
- 4er Sellelbahn Hengliboden-Graustock
- Tunnel vom Graustock ins Schaftal (Länge 170 m)
- Offener Skiweg vom Schaftal in Richtung Jochpass
Verbindung von Tannalp nach Frutt und zurück:
- 4er Sesselbahn Richtung Hohmad
- 4er Sesselbahn Tannendamm-Chringen
Verbindung Frutt nach Fulenberg (Übergang nach Hasliberg) und zurück:
- 4er Sesselbahn Aa Alp-Spätbüel
- Pendelbahn Spätbüel-Fulenberg
Hierdurch entstünde das größte Skigebiet der Zentralschweiz mit ca. 190 km Pistenlänge, das zudem mit dem Titlisgebiet über einen, wenn auch eingeschränkt nutzbaren Gletscher verfügt.
Auch hier wird unter Projektbefürwortern und -gegnern heftig gestritten:
Plattform der Projektgegner
Plattform der Projektbefürworter
Anders als in Ischgl scheint es jedoch mit dem Projekt „Schneeparadies“ nur im Schneckentempo voranzugehen. Ein möglicher Grund dürfte – neben der gemächlichen Schweizer Bürokratie – darin bestehen, dass die Investitionspläne des ägyptischen Milliardärs Sawiris für das Gotthard-Resort Andermatt zügig voranschreiten. In Zuge dieses Projekts wird Andermatt aus seinem Dornröschenschlaf gerissen und das Skigebiet Nätschen mit dem Oberalpass und Sedrun zur Andermatt-Sedrun-Arena ausgebaut. Mit Hilfe von 14 neuen Bahnen (7 sind jedoch Ersatz für Altanlagen) wird das Gebiet ausgebaut und modernisiert. Das ehemalige Skigebiet Winterhorn im benachbarten Hospental soll im Gegenzug demontiert werden und das Gebiet zum Landschaftsschutzgebiet erklärt werden. Auf diesen Kompromiss haben sich die Bergbahnbetreiber mit den Umweltverbänden geeinigt.
Letztlich muss jeder Wintersportler für sich entscheiden, welche Konsequenzen er oder sie aus den expansiven Ausbauprojekten zieht: Fährt man weiterhin in diese Gebiete, unterstützt man indirekt die Ausbaupolitik dieser Wintersportorte. Alternativ kann man die zahlreichen kleinen, aber oftmals feinen Wintersportgebiete bevorzugen und mit seinem Besuch einen Beitrag zu deren Fortbestand leisten.
Was bringt die Zukunft – ein Ausblick
„Wir werden auch in Zukunft kalte und schneereiche Winter erleben. Die Frage ist allerdings, wie viele Winter es hintereinander ohne oder mit zu wenig Schnee geben wird. Wie kann die Tourismusbranche damit umgehen, dass die Gäste über mehrere Jahre hinweg ausbleiben?
Die derzeitige Lösung sind Beschneiungsanlagen. Dafür braucht man allerdings niedrige Temperaturen, Energie und Wasser. Das Beschneien von Pisten ist bestenfalls eine Übergangslösung, damit die Gemeinden und Regionen Zeit haben, sich anders zu positionieren, zum Beispiel den Sommertourismus zu forcieren oder ganz etwas anderes zu entwickeln. Gleichzeitig müssen sie für gute Verkehrsanbindungen sorgen, denn die Menschen werden à la longue, zum Beispiel aus Hamburg, nicht mehr mit dem Auto anreisen. Wichtig ist, dass man auch lokal mit öffentlichen Verkehrsmitteln auskommt. Man muss bei der Planung berücksichtigen, dass man in Zukunft nicht nur weniger Schnee, sondern auch weniger Energie zur Verfügung haben wird.“ Klimaforscherin Prof. Helga Kromp-Kolb
Eure Meinung zu den Ausbauplänen und -projekten sowie zur Kritik daran in diesem Artikel im Forum…