Das Paznaun – umfasst die Skiorte: See, Kappl, Ischgl und Galtür. In Ischgl eröffnen sich mit der Freeride-Map unzählige Variantenabfahrten. Für alle anderen Skiorte wie See, Kappl, Galtür und das Skitourengelände um die Heidelberger- und Jamtalhütte benötigt es Eigeninitiative und Recherche, gepaart mit alpinem Know-how, um anspruchsvolle Abfahrten im Gelände zu finden. Kurzum: jede Könnerstufe kommt hier voll auf ihre Kosten, egal ob man Tourengeher, Variantenfahrer oder Freerider ist.
Das Paznaun bietet alles was das Wintersportlerherz begehrt. Die ehemalige bergbäuerliche Talschaft ist heute vom Wintertourismus geprägt. Die vier nicht zusammenhängenden Skigebiete sind, taleinwärts beginnend, See, Kappl, Ischgl und Galtür. Das Paznaun wird im Norden von der Verwallgruppe und im Süden von der Samnaungruppe und der Silvretta begrenzt. Auf unserer Reise ins Paznaun haben wir uns See, Kappl und Ischgl, abseits der Piste versteht sich, genauer angesehen.
Aufgrund der gut mit Seilbahnen und Liften erschlossenen Berge, erreicht man in kürzester Zeit (hoch)alpines Gelände. Von wo aus unzählige Varianten oder Skitouren starten. Die Abfahrten enden zum Teil am Talboden des Paznauns oder in den angrenzenden Tälern. An einem guten Tag können durchaus mehrere Abfahrten mit jeweils über 1.000 Höhenmetern durchgeführt werden. Dabei bietet Ischgl das weitläufigste liftnahe Variantengelände. In See und Kappl ist alles etwas überschaubarer, jedoch kein bisschen weniger interessant. In diesen beiden Gebieten eröffnen sich ambitionierten Freeridern, mit kurzen Aufstiegen, traumhafte Abfahrten auf perfekt geneigten Hängen. Könner finden in allen Skigebieten herausfordernde Lines.
Kappl – die Freerideperle im Paznaun
Das Familienskigebiet Kappl war im Winter 2012/13 der letzte Tourstopp der Open Faces Serie in Tirol. Die Durchführung dieses Events sollte Kappl in der Freeride-Szene bekannt machen, was mit diesem Event sicherlich gelungen ist. Freerider sind hier den ganzen Winter willkommen. Allein die Bergbahn, die uns hinauf ins Skigebiet bringt, ist noch nicht auf unsere breiten „Latten“ eingerichtet, denn die Skier passen nicht in die Haltevorrichtungen an der 4er Gondel. Doch das hält uns nicht auf. Freundlich sind uns die Angestellten behilflich und so kann es entspannt zu Zweit mit den Skiern in der Gondel bergauf zur Bergstation gehen. Oben angekommen treffen wir uns mit Benni von der Skischule Kappl, der mit uns das Gebiet erkunden wird.
Nach kurzer Begrüßung geht es mit zwei weiteren Sesselliften zum höchsten Punkt auf ca. 2.700 m. Hier oben eröffnet sich uns zum einen der fantastische Ausblick auf die umliegende Bergwelt und zum anderen auf das weitläufige nördliche Backcountry von Ischgl. Weiters trennt uns nur das Malfontal vom Rendlgebiet, wo sich massenhaft Freerider und Freeridegruppen im Gelände tummeln. Ihre Spuren sind von weitem zu sehen, die sich über dem Talboden entgegen nach Pettnau schlängeln. Solche Invasionszustände wie im Rendlgebiet haben sich in Kappl noch nicht eingestellt! Hier oben wärmt uns die morgendliche Sonne schon von der Früh weg, denn das Skigebiet ist überwiegend südseitig ausgerichtet.
Benni fährt mit uns zuerst Richtung Lattejoch. Hier beginnt die Querung unter der Hohe Spitze vorbei auf die Freeride-Route Steinmännchen. Dort angekommen zeigt sich uns ein weitläufiges kupiertes Gelände. Perfekt für große Turns. Durch die nordöstliche Ausrichtung konserviert sich hier der Pulverschnee länger, als an den anderen Hängen im Gebiet. Nach ca. 500 Hm genussvoller Abfahrt endet der Hang an einem (wahrscheinlich dem größten in Europa) Lawinenwall. Hier hält man sich Skiers Right um zurück ins Skigebiet zu gelangen. Für's Einschwingen war die Abfahrt genau das Richtige.
Nun führt uns Benni zu den „Gamsgärten“, welche sich zwischen der Alblittkopfabfahrt und der Lattenabfahrt befinden. Die Gamsgärten bieten viele kurze Abfahrten in ca. 45° steilem Gelände. Hier kann man sich durchaus einige Zeit verweilen. Wer es ein bisschen gemütlicher angehen möchte, kann durch die „Hartlasrinne“ abfahren. Zu Beginn ist diese deutlich über 35° steil. Im Anschluss führt die Abfahrt über mäßig steile, kupierte Hänge im freien Gelände bis zur Doppelsesselbahn. Dabei überwindet man annähernd 1.000 Hm ohne dafür auch nur einen Meter aufsteigen zu müssen. Für uns eine perfekte Freeride-Route, die von allem etwas hat.
Kurze Zeit später stehen wir schon wieder auf ca. 2.700 m. Benni zeigt uns den Grat (dessen Schwierigkeit ist von der jeweiligen Schneelage abhängig) über den die Quellspitze erreicht werden kann. Von dieser starten die Open Faces Teilnehmer. Leider ist der Himmel mittlerweile wolkenverhangen und wir entscheiden uns gegen eine Besteigung der Quellspitze. Stattdessen gönnen wir uns zum Abschluss des Tages eine Freeride-Route, die Skier's Right der offiziellen Skiroute „Blanka“ ins Tal führt. Zuerst befahren wir eher flache Hänge. Vor der Unteren Seßladalpe folgt eine steilere Passage. Die Route führt vorbei an der unteren Seßladalpe, die beim Seßladbach endet. Zum Schluss folgt man diesem Skiers Right auf dem Sommerwanderweg bis man auf einen Forstweg gelangt. Diesem folgt man Skiers Left und erreicht bald die Talabfahrt und kann die letzten Meter gemütlich abfahren. Auf dieser Route sind einige potenzielle Lawinenhänge zu queren, deshalb ist besonderes Augenmerk auf die Lawinensituation zu legen. Auf alle Fälle eine würdige Abschlussfahrt.
Wir sind sehr beeindruckt vom Freeride Potenzial in Kappl. Sollte der unberührte Powder rahr werden, gibt es noch unzählige Aufstiegsmöglichkeiten, um weitere Hänge zu erreichen. Ob dies Richtung Kreuzjochspitze über die untere Seßladalp ist oder hinauf zur Schmelzgrubenscharte oder auch zur Kappler-Joch-Spitze, dies obliegt einzig und allein der Kondition. Ein Klassiker ist die Abfahrt über das Malfontal nach Pettnau, welche von Kappl ohne Aufstieg möglich ist.
Ischgl – das Alpen-Lifestyle-Mekka für Wintersportler
Relax. if you can … heißt es ganz offiziell in Ischgl. Der Himmel erstrahlt in sanften Blautönen und die ersten Sonnenstrahlen bahnen sich den Weg über die tiefverschneiten Berggipfel ins Tal. An so einem Morgen sind die vielen Hotels in Ischgl nebensächlich. Als wir frühmorgens durch das Dorf zur Bergbahn gehen, strömen, zu unserem Erstaunen schon Menschenmaßen mit uns dorthin. Wir kommen zum Glück trotz der vielen Wintersportler zügig voran und sind kurze Zeit später auf der Idalpe, die das pulsierende Herz in dieser erschlossen Bergwelt darstellt. Wer Einsamkeit sucht, ist hier fehl am Platz. Zum Glück sind wir nicht an den hunderten Pistenkilometern interessiert, sondern an dem weitläufigen Variantengelände. Wir erblicken innerhalb kürzester Zeit unzählige Lines, die wir unbedingt befahren möchten.
Zum Einschwingen eignet sich das übersichtliche Gelände zwischen Idalpe und Idajoch. Alles ohne Aufstieg erreichbar, dafür jedoch schnell verspurt. Aber genau richtig, um warm zu werden. Wenn man Big Mountain Feeling möchte, dann bieten die Rinnen vom Pardatscher Grat hinunter zur oberen Velillalpe genau das Richtige. Die Rinnen sind im oberen Teil oft über 40° steil und verlaufen durch felsdurchsetztes Gelände. Kein bisschen weniger interessant sind die Abfahrten über die Westseite Richtung untere Velillalpe. Hier sind genussvolle Turns die Regel. Der Pardatscher Grat ist mit seiner steilen Nordseite und den anspruchsvollen Abfahrten über die Westseite an guten Tagen nach Neuschneefällen sicherlich empfehlenswert.
Der Freeridenabel in Ischgl ist das Gebiet um den Paliner Kopf. Das Gebiet erstreckt sich von Gampenalpe auf ca. 1.900 m bis zum Paliner Kopf auf ca. 2.860 m. Das ganze Gelände links und rechts der Bahn ist ohne Aufstiege leicht erreichbar. Jede einzelne Abfahrt bietet annähernd 1.000 Hm! Das Gelände ist verspielt und bietet von kurzen Steilstufen und natürlichen Hindernissen, die zum Springen einladen, einfach alles. Aufgrund der nordwestlichen Ausrichtung der Hänge bleibt der Powder hier im Hochwinter lange fluffig.
Die Abfahrten Richtung Samnaun sind alle südlich ausgerichtet und die Sonne vernichtet den Powder recht schnell. Die Abfahrten durch das Zeblas sind gut einsehbar und haben keine besonderen Schwierigkeiten. Anders ist es bei Abfahrten nach Ravaisch oder Plan auf der Schweizer Seite. Hier sollte man sich vorab gut informieren, da es nach Ravaisch durch einen eingeschneiten Bachverlauf geht und nach Plan über eine Steilstufe, deren Schwierigkeit von der Schneemenge und dessen Beschaffenheit abhängig ist. Bei unserer Abfahrt war diese Passage völlig vereist und wir mussten die Skier auf den Rucksack gepackt hinunter klettern. Hier hätte ich mir einen Eispickel gewünscht. Im Allgemeinen sind die Hänge bei diesen beiden Routen sehr lawinengefährdet, besonders im Frühjahr, sofern sie noch nicht entladen sind.
Im Bereich der Alp Trida ist die Abfahrt über die Flimsschulter und vom Piz Munschuns empfehlenswert. Hier ist die Chance vorhanden noch einige Zeit nach dem letzten Schneefall gute Lines zu finden. Das Variantengelände in Ischgl und Samnaun ist sehr weitläufig und bietet viele Abfahrtshöhenmeter ohne Aufstieg, wobei die Après-Ski Beschallung in diesen Bereichen ein stetiger Begleiter ist.
Wenn man auf den Visnitzkopf aufsteigt, erstreckt sich ein Gelände das seines Gleichen sucht. Die Vesulspitze, der Grübelekopf und der Riererkopf sind markante Berggipfel in diesem Backcountry. Hinter dem Visnitzkopf taucht man in perfekt geneigte Hänge für lange Freerideturns ein und schon nach wenigen Schwüngen hat man das Alpen-Lifestyle-Mekka hinter sich gelassen und bewegt sich in völliger Ruhe. Hier gibt es unzählige interessante Abfahrtsmöglichkeiten, die oftmals mit Aufstiegen verbunden sind. Die Abfahrt nach Kappl erfordert keine weiteren Aufstiege. Dieses Gelände werden wir euch in einer Freeride-Tour der Woche näher vorstellen.
See – der Tourentipp im Paznaun
Der erste Ort im Paznaun ist das vergleichweise urige Dörfchen See. Hier befindet sich das kleine und vermeintlich unscheinbare Skigebiet See. Man merkt auch gleich, dass hier Familien das Sagen haben, da sich schon früh Morgens viele Kinder mit ihren Eltern an der Talstation tummeln. Mit drei Bahnen überwindet man in Kürze die fast 1.300 Hm und kann auf ca. 2.400 m das Panorama genießen. Das Gebiet wartet mit nord- und südseitigen Hängen auf. Mehrheitlich sind es kurze Abfahrten in mäßig steilem Gelände. Das größte Potenzial hat dieses Gebiet jedoch im Tourenbereich. Von hier oben können die Gipfel wie Kübelgrubenkopf oder Furgler bestiegen werden. Je nach Geschmack kann eine Überschreitung nach Serfaus oder in die angrenzenden Täler den Tourentag verlängern.
Das Freeridepotenzial in See, u.a. bei der Medrigalpe, eignet sich sehr gut für Einsteiger. Uns hat das Gebiet von seinem Tourenpotenzial überzeugt. Wenn man die Lifte nützt sind mit Aufstiegen von ca. 800 Hm viele Gipfel z.T. mit über 3.000 m Seehöhe erreichbar. Bei guten Verhältnissen hat man dann weit über 1.500 Hm bis ins Tal. Die Abfahrten verlaufen sehr oft über schattseitige Hänge und können somit länger mit Powder aufwarten. Hier heißt es noch: earn your turn!
Fazit
In Freeride-Magazinen wird häufig von Spots berichtet, die entweder schwer zu erreichen sind, oder für die sehr lange Reisen in Kauf genommen werden müssen. Dabei steht meist das Abenteuer im Vordergrund. Vermutlich kommen die Erzählungen von Freeridetrips nach Kanada, Japan oder im Sommer auf die Südhalbkugel bei Freunden und Bekannten besser an? Beim Aufenthalt im Paznaun erinnerte ich mich wieder an die Worte: „Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah“. Wie wahr! Noch dazu kommt, dass die Wetter- und Lawineninformationen hervorragend sind, was die Chancen erhöht, auch kurzfristig gute Bedingungen nutzen zu können.
Facts zu den Gebieten:
- See: 1.050 – 2.400 m.ü.M. (nord- und südseitiges kleines Freeride-Gelände; dafür viele Tourengipfel aus dem Gebiet)
- Kappl: 1.200 – 2.650 m.ü.M. (südseitiges Freeride-Gelände mit Abfahrten über 1.000 Hm; Abfahrten in die Seitentäler mit langen Rückwegen)
- Ischgl: 1.400 – 2.900 m.ü.M. (weitläufiges Freeride-Gelände in allen Expositionen mit Abfahrten über 1.000 Hm; Tourenmöglichkeiten im Bereich der Heidelberger Hütte)
- Galtür: 1.600 – 2.200 m.ü.M. (nord- und ostseitiges kleines Freeride-Gelände)
- Silvretta (Jamtal): 2.200 – 3.200 m.ü.M. (der Talkessel um die Jamtalhütte bietet zahlreiche Touren, die größtenteils über Gletscher verlaufen; langer (10 km) Zustieg zur Hütte)
Wissenwertes und Links
Freeride / Skitouren
Kartenmaterial
- Freeride Map Samnaun/Ischgl 1:25.000
- AV-Karte Silvrettagruppe 1:25.000
- AV-Karte Verwallgruppe Mitte 1:25.000
Tourenübersicht (Swisstopokarte)
Apps
- whiterisk (LLB-Schweiz)
- snowsafe (LLB-Österreich)
- bergfex.at (Wettervorhersage / Neuschnee)
- apemap (Offline Karten für Smartphones)
Skigebiet / Unterkünfte
http://www.paznaun-ischgl.com/de
Kosten
- Tagesticket ca. 44 EUR
Stand: März 2013