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Abenteuer & Reisen

Matterhorn Ostflanke

Mel Presslaber über eine Skibefahrung am Matterhorn

von Melissa Presslaber 28.05.2016
Das Matterhorn. Ein sehr geschichtsträchtiger Berg. Das Wahrzeichen der Schweiz. Für mich persönlich einer der wohl schönsten Berge in den Alpen. Der bekannteste Berg ist er auf alle Fälle, denn schließlich gibt es ihn sogar in Schokoladenform! Seit Jahren übt das Horu, wie es die Einheimischen nennen, eine starke Anziehung auf mich aus. Mit Ski die Matterhorn Ostwand abzufahren, ist schon lange auf meiner ski-to-do-Liste. Aus vielerlei Gründen hatte es bisher nie funktioniert...

Diesen Winter war ich bereits zweimal mit Nadine Wallner, einer meiner Lieblingsbergpartnerinnen, vor Ort, um die 45 Grad steile Ostwand zu fahren, jedoch scheiterte es beide Male an der Schneeknappheit. Eine Befahrung schien bis Ende April unmöglich. Für den Film “Between” von Shades of Winter sollte das Matterhorn auf die große Leinwand, ein neuerliches Zeitfenster wurde für Ende Mai anvisiert… Doch wie so oft im Leben kommt alles anders. 

Wie es der Zufall will, befinde ich mich Anfang Mai gemeinsam mit Lorraine Huber in Chamonix und wir treffen auf Giulia Monego (eine der besten Skialpinistinnen der Alpen) und Liv Sansoz (französische Klettererin). Roberto Rossi, Bergführer aus dem Aostatal und ein Bekannter von Giulia und Lori will bereits seit 15 (!) Jahren das Matterhorn befahren. Nun sei der richtige Zeitpunkt. Er hatte die beiden Mädels vor ein paar Tagen gefragt, ob sie ihn begleiten würden. Jedoch möchte er von der italienischen Seite aufsteigen. Da die Lifte dort nicht mehr in Betrieb sind, ich den Schweizer Aufstieg bis zur Hörnlihütte kenne, dort die Bahnen noch laufen und wir im gemütlichen Winterraum der Hörnlihütte nächtigen können, wollen wir es nicht unnötig schwer machen und wählen die Schweizer Seite, während Roberto von Italien aus startet.

Am 4. Mai fahren wir von Chamonix nach Zermatt. Ich halte meine Erwartungen niedrig, um eine neuerliche Enttäuschung auszuschließen. Wir fahren am frühen Vormittag mit dem Zug gemütlich von Täsch nach Zermatt. Mit dem Bus geht es weiter zur Matterhorn Bahn. Auffahrt mit der Gondel. An der Station des Trockenen Steg können wir das Matterhorn in der Frontalansicht begutachten. Und da wollen wir hinauf und hinunter fahren? Von dieser Perspektive sieht es schon recht eindrucksvoll aus. Aber die Schneeverhältnisse sehen vielversprechend aus.

Um noch ein paar Höhenmeter zu sparen, versuche ich mich am Drehkreuz des Schleppliftes vorbei zu schleichen, doch der Liftmann bemerkt uns und kommt aus seinem kleinen Liftlerhaus heraus. Anschiss kassiere ich keinen, aber er verlangt 8 Franken für die Fahrt. Letztendlich hat nur Lori die genaue Summe an Kleingeld für ihn, Giulia zahlt 5 Franken, Liv 7.50, ich krame noch 6 Franken aus der Hosentasche. Auf halber Höhe steigen wir aus und queren im Angesicht des Matterhorns den Furg-, und Theodulgletscher.

Wir erreichen die 3260m hohe Hörnlihütte, trocknen unsere Socken in der Sonne trocknen und lüften unsere Innenschuhe. Das Matterhorn im Blick, schmelzen wir Schnee und machen Abendessen. 

Giulia hat mit Roberto Telefonkontakt. Er ist von der italienischen Seite aufgestiegen und ist nun mit zwei weiteren Italienern im Bivaco Bossi. Sie planen noch heute die Ostwand aufzusteigen und die Nacht in der Solvayhütte zu verbringen. Für uns keine Option. Gegen 17 Uhr können wir die drei Männer beobachten, wie sie aufsteigen und recht zügig voran kommen. Die Verhältnisse sehen gut aus…

Wir packen die Rucksäcke und gegen 20 Uhr legen wir uns bereits schlafen. Draussen ist es noch hell und ich kann natürlich nicht gleich einschlafen. Außerdem brummt mir der Schädel. Habe wohl wieder mal zu wenig getrunken. Um 3.30 Uhr klingelt der Wecker. Mei, ich bin ja gerade erst eingeschlafen! Aufstehen, frühstücken, fertig machen und los geht’s. Zu dieser Zeit funktioniere ich meist noch ferngesteuert, aber ich funktioniere.

Um 4.15 Uhr verlassen wir den Winterraum, fahren ein kurzes Stück ab, fellen auf und steigen bis zu einem großen Felsen auf, wo wir überflüssiges Material deponieren. Steigeisen dran und weiter geht’s. Giulia spurt, Liv hinterher, danach Lori und zum Schluss die Mel. Über den Bergschrund sichern wir in der jeweiligen Seilschaft, danach geht es wieder seilfrei weiter. Wir kommen gut voran.

Ich bin dankbar dass Giulia und Liv die Spurarbeit übernehmen. Der eigentliche Plan - über eine Rinne bis zur Schulter auf 4200 m aufzusteigen - wird verworfen, da zu wenig Schnee liegt. An eine Abfahrt ist hier nicht zu denken. Wir queren Richtung Solvayhütte und steigen dort so weit wie möglich nach oben. Der Sonnenaufgang in der Wand ist wunderschön. Das Matterhorn leuchtet uns entgegen und der Blick Richtung Italien ist einfach nur sensationell. Diese Momente gilt es aufzusaugen. Schließlich sind es die vielen einzelnen gesammelten Momente in unserem Leben, die unser Leben so lebenswert machen!

Es ist 8.15 Uhr als Roberto und die beiden anderen Italiener in die Ostwand einfahren. Ich verstehe nicht ganz, warum sie nicht noch ein wenig zuwarten, denn die Schneeverhältnisse sind noch hart. Spass macht die Abfahrt wohl noch nicht. Außerdem sind Lori und ich noch im Aufstieg und sie lösen beim fahren etwas Schnee aus der Wand, der auf uns rutscht. Nicht gerade angenehm. Hier ihr Video das sie Tage später online gestellt haben.

Auf einer Höhe von 4050m bereitet Giulia unterhalb eines Felsens einen Stand vor. Liv ist auch bereits dort, Lori und ich folgen ein wenig später. Wir machen uns bereit für die Abfahrt. Giulia fragt in die Runde wer als Erstes fahren möchte. Natürlich soll sie als Erste fahren, schließlich hat sie die ganze Spurarbeit geleistet!

Der erste Schwung verläuft etwas zurückhaltend, aber sie findet schnell ihren “Flow” und reiht kontrolliert einen Schwung an den anderen. Ich folge ihr. Fühle mich gut. Bin konzentriert. Alles bestens. Für Liv ist es sozusagen die erste “Steilwanderfahrung” und dann gleich das Matterhorn. Aber als ehemaliger Kletterprofi und Basejumperin ist das für sie kein Problem. Schließlich ist sie auch eine super Skifahrerin! Wir motivieren sie ein bisschen und dann klappt es bestens! Lori folgt auf Liv. Sie schwingt kontrolliert die Wand hinunter. Wir bleiben immer wieder stehen, um uns gegenseitig zu fotografieren und filmen. Wir harmonieren perfekt als Team und es macht Spass, dieses einzigartige Erlebnis mit den Mädels zu teilen.

Die Schneeverhältnisse sind etwas wechselhaft, teilweise trifft man auf ein paar verdeckte Steine knapp unterhalb der Schneeoberfläche, es gilt konzentriert zu bleiben.

Nach dem Bergschrund ein Jubelschrei von uns allen: yes! wir sind das Matterhorn gefahren! Zu dem Zeitpunkt realisiere ich das noch gar nicht richtig. Wir sammeln das hinterlegte Material ein, fahren gemeinsam bis nach Furi, wo so richtig die Oberschenkel brennen und wir uns auf der Sonnenterrasse eines Restaurants wohlverdient Rösti und Radler gönnen. What a day! Wir waren einfach zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort! Danke Mädels, es war mir eine große Freude!

Vielen Dank an die Jungs von Whiteroom Productions und besonders an Joi, der aus unserem Helmkameramaterial dieses Video zusammengeschnitten hat. Eine schöne Erinnerung an den Tag!

Hier gibt es noch einen Bericht von Giulia auf Englisch.

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