Alle Welt spricht über Skitouren in Norwegen: Wunderschöne Aufnahmen und jede Menge Schwärmereien – oder ist das doch alles nur ein kommerzieller Trend, dem man keinesfalls blind folgten sollte, nur weil es in den heimischen Bergen nicht mehr spektakulär genug zu sein scheint? Wir beschlossen, uns ein eigenes Bild zu machen und packten unsere Sachen für 10 Tage Skitouren in den Lyngenalpen...Nach einem unterdurchschnittlichen Nordwinter ließen wir die Frühlingsboten hinter uns und landeten wieder in weißer Landschaft, in Tromsø. Am Flughafen standen wir bereits vor der ersten Herausforderung: Sechs Paar Ski und Gepäck für sechs Personen in zwei Kleinwägen unterzubringen. Vollgestopft bis zur Decke kamen wir aber doch zu unserer Unterkunft in Svensby und somit auch an unserer zweiten Herausforderung an: Sechs Leute auf gefühlten 30 Quadratmeter unterzubringen. So klein sah unsere Unterkunft nämlich von außen aus – von innen bot sie jedoch einen kuscheligen, netten Komfort, sogar mit eigener Sauna, sodass wir uns gemütlich am Fjord für die kommende Zeit  einnisten konnten – und voller Vorfreude gleich die erste Tour planten.
Erster Tag: Augen auf –es regnet und zwar nicht gerade schwach. Geht es jetzt hier weiter mit dem schlechten Winter? Nein, von solchen Gedanken ließen wir uns nicht entmutigen. Laut Wetterradar sollte es im Laufe des Tages sonnig werden und daher starteten wir wie geplant. Am Ausgangspunkt wurde der Regen bereits leichter und nach einigen Metern Aufstieg belohnte uns strahlend blauer Himmel und Sonnenschein. So hatten wir uns das vorgestellt!
Am Gipfel angekommen zeigte sich ein Ausblick über die umliegenden Fjorde und die herrlich verschneiten Berge ringsum, den man in keinem Norwegenreiseführer hätte besser abbilden können. Die südseitige Abfahrt bot herrliche Frühjahrsbedingungen mit Firn und folglich hatten wir für diesen Tag noch nicht genug und nahmen noch den Nachbargipfel in Angriff, schließlich sind die Tage im April bereits lange, sodass wir keinerlei Zeitprobleme hatten. Mit einer abschließenden Pulverabfahrt ergab sich ein nahezu perfekter Start in unseren Lyngentrip.
Aber wie es halt so mit dem Wetter ist: man kann es nicht vorbestellen. So war der gesamte Rest unseres Trips leider von instabilen Wetterverhältnissen geprägt. Mal Sonne, mal Regen und dann wieder Schneesturm, – es blieb spannend.
Das hieß für uns, dass wir umso exakter planen und akribisch nach Schönwetter-Zeitfenstern suchen mussten. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an das perfekte WLAN in unserer Unterkunft im Niemandsland: das Niederschlagsradar lief bei uns nahezu rund um die Uhr.
Die größte Herausforderung waren aber die Schnee- und Lawinenverhältnisse: Zum einen gab es einen häufigen Wechsel zwischen Regen und Schnee. Zum anderen änderten sich Windrichtung und -stärke andauernd, sodass man den Westseitenschnee vom Vortag am nächsten Tag auf der Ostseite wiederfand. Der Schneedeckenaufbau und folglich die sehr angespannte Lawinensituation erschwerten die Suche nach perfekten Verhältnissen zusätzlich.
Daher verbrachten wir einen Großteil jedes Abends mit der Tourenplanung für den Folgetag, um einen täglich wiederkehrenden Kompromiss zwischen guten Schneeverhältnissen, ausreichendem Zeitfenster und Beachtung der angespannten Lawinenlage zu finden.
Unsere MĂĽhen in der Tourenvorbereitung haben sich jedoch gelohnt: von den 10 Tagen, die wir in den Lyngenalps verbrachten, hatten wir nur zwei Downdays.
Diese nutzen wir, um uns ein wenig die Gegend anzusehen. Wer hätte beispielsweise gedacht, dass es im verlassenen Svensby tatsächlich ein "Café" gibt und dieses dann auch noch von deutschen Auswanderern bewirtschaftet wird?! Auf ein Polarlicht warteten wir vergebens (ja, das hätten wir wissen können, schließlich ist es ja fast immer hell), dafür lief uns zumindest ein Rentier vors Auto (keine Sorge, es lebt noch und hat nicht einmal eine rote Nase abbekommen...). Die meiste Zeit verbrachten wir aber zugegebenermaßen damit, uns die Nase am Fenster platt zu drücken, um ja nicht den benachbarten Fischer zu verpassen, der uns mit fangfrischem Fisch versorgte.
Abends ließen wir es uns kulinarisch immer gut gehen: am Essen wurde nicht gespart und so gab es in unserer gemütlichen Hütte von frischem Fisch bis Waffeln immer ausreichend Energie für den nächsten Tag. Nur beim Alkohol verursachen die beeindruckend hohen Preise eine deutliche Konsumreduzierung: Das teure norwegische Bier wurde brüderlich geteilt und mit den DutyFree-Getränken wurde gut gehaushaltet …
Aber zurück zum Hauptgrund unserer Reise: Das Tourengelände in den Lyngenalps ist sehr abwechslungsreich: Von wunderschönen Cruising-Hängen mit Meeresblick bis hin zu anspruchsvollen alpinistischen Unternehmungen ist dort nahezu alles möglich. Wir mussten uns leider etwas einschränken und die entspannteren und gemütlicheren Varianten in Angriff nehmen. Trotzdem fanden wir schöne Abfahrten bei meist guten Schneeverhältnissen und vor allem fast immer mit Meerblick. Lustig zu beobachten, war teilweise das Vorgehen der geführten Gruppen, auf die man im Zuge des Skitourenbooms in Norwegen zwangsläufig (und trotzdem bei weitem nicht so oft wie zunächst erwartet) trifft: Selbst bei strömendem Regen und dichtestem Nebel (bei dem Wetter geht nicht einmal der Hund bzw. Elch vor die Tür) werden die Gruppen den Berg hochgepuscht, schließlich hat man ja auch dafür bezahlt. Wer zudem annimmt, dass man bei einer Bootstour im Lyngenfjord nur individuelle, anderweitig nicht erreichbare Ziele ansteuert, täuscht sich in manchen Fällen auch! Das Boot wird zwar im Fjord verankert, dann wird mit dem Beiboot ans Ufer gesteuert und nach Überquerung, wie alle anderen auch, an der Fahrstraße gestartet. Dieser Startpunkt wäre ohne Boot sicherlich komfortabler und schneller erreichbar gewesen. Aber schön ist’s auf dem Boot sicher trotzdem…
Während unserer Touren blieb das Thema Lawinensituation allgegenwärtig. Nahezu täglich konnten wir Selbstauslösungen und Auslösungen von Skifahrern selbst im nicht allzu steilen Gelände beobachten. Das Größenspektrum der Abgänge reichte von potentiellem MitreiĂźen bis hin zur VerschĂĽttungsgröße. Einige Rutsche waren vorhersehbar, andere ĂĽberraschten auch uns. Es gibt zwar einen Lawinenlagebericht fĂĽr die Lyngenalps, dieser wird jedoch von wenigen Einzelpersonen erstellt, die folglich nicht das komplette Areal abdecken, was aufgrund des häufigen, auch maritim bedingten Wetterwechsels noch erschwert wird. In unserem Gebiet wurde die Warnstufe zwei (mäßig) ausgegeben, die unseren Erfahrungen nicht zutreffend war. Daher informierten wir den zuständigen Lawinenwarndienst per Mail und erhielten auch sofort dankende RĂĽckantwort und unsere Beobachtungen wurden direkt online einbezogen. Der Lawinenwarndienst ist dort froh ĂĽber jede einzelne Beobachtung und RĂĽckmeldung.Â
Fazit unserer Reise
Der Winter 2013/2014 brachte auch in Nordnorwegen unterdurchschnittlich wenig Schnee. Skitouren in den Lyngenalps bedürfen einer genauen Vorbereitung der Touren und der exakten Beachtung der jeweiligen Verhältnisse. Anfänger sollten sich hierbei besser einer geführten Gruppe anschließen - ob mit oder ohne Boot - das sei jedem selbst überlassen. Doch die Mühe bei der Planung lohnt sich: Die Lyngenalps bieten ein einzigartiges, variantenreiches Tourengelände in wunderschöner Kulisse, das seinesgleichen sucht! Und eines ist sicher: wer einmal da war will wieder hin! Und die alpinistischen Ziele warten schließlich noch...