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Abenteuer & Reisen

SpotCheck | Lungiarü - das gallische Dorf im Herzen der Dolomiten

Rinnen-Festival „by fair means“

von Tobias Hipp 08.03.2018
Wir schreiben das Jahr 2018, ganz Dolomitien ist von Skigebieten besetzt. Wirklich ganz Dolomitien? Nein, ein kleiner Ort im Herzen der Dolomiten verweigert mit stolzer Brust die Aufnahme in den Skipisten-Beschneiungs-Zirkus: Lungiarü, umzingelt von den scharfen Dolomit-Zacken der Puez- und Geislergruppe.

4 Kilometer mit großer Wirkung

Wie in dem berühmten umzingelten gallischen Dorf kann man sich schon fast fühlen, wenn man sich auf die Reise nach Lungiarü begibt. Wir biegen ein ins Gadertal, folgen den Wegweisern Richtung Kronplatz, Alta Badia, Corvara und Gröden. Es ist Samstag, Faschingsferien und Abreisetag: eine durchgehende Autokolonne quält sich im Schritttempo nach Norden. Zweifel kommen auf, ob wir uns hier an genau diesem Wochenende einen Gefallen getan haben mit der Idee, in die Dolomiten zu fahren, um unverspurte Steilrinnen und etwas Ruhe zu finden.

Bevor diese Gedanken zu ernst werden, biegen wir aber schon ab, verlassen das Gadertal und kurbeln rauf in das „gallische Dorf“, unsere Homebase für die nächsten 3 Tage. In Luftlinie sind es keine 4 Kilometer zu den Après-Ski Kneipen in Alta Badia und lärmenden Schneekanonen. Hier in Lungiarü hingegen: absolute Ruhe, überragende Berge, viel Platz für eigene Spuren, keine Hektik.

„Dahoam“ sind wir bei der Familie Clara auf dem Bauernhof Confolia. 7 Freeski-Jungs beim Urlaub auf dem Bauernhof – auch mal was Neues!

Wie Kinder im Süßigkeitenladen

Unser auserkorenes Ziel: so viele (Steil-)Rinnen – hier als Canale bezeichnet – zu fahren, wie die Oberschenkel, die Kondition und das Wetter hergeben. Lungiarü liegt auf 1.400 Meter Höhe und ist umgeben von der Puez- und Geislergruppe. Zwischen den unzähligen Nadeln und Gipfeln ziehen sich genauso viele Rinnen in diversen Steilheiten und Schwierigkeiten nach oben – hier ist für den Rinnen-Anfänger genauso was dabei wie für den absoluten Profi. Bei der Auswahl fühlt man sich wie ein kleines Kind im Süßigkeitenladen!

Aber natürlich gibt es wie so oft zwei Seiten der Medaille: rundherum gibt es keine Lifte, immerhin sind wir hier in einem Naturpark. Die Rinnen müssen allesamt „by fair means“ und einem kleinen „Talhatscher“ erobert werden - harte Arbeit. Der klare Vorteil: die Chance, so eine Rinne unverspurt zu erwischen, ist bedeutend größer als bei den bekannten Nachbarn, etwa dem „Canale Holzer“ oder „Canale Joel“ im nahegelegenen Dolomiti-Superski-Gebiet.

Fulminanter Auftakt an der Östlichen Puezspitze (2.913 m)

Einer der höchsten Gipfel der Region mit der längsten Nordrinne ist die Östl. Puezspitze: kurz unterhalb des Gipfels zieht das „Canale Nord“ über 500 Hm konstant mit 40° - 45° kerzengerade nach Norden herunter. Nach der Ausfahrt warten als Zugabe weitere 400 Höhenmeter feinste Nordhänge. Die knapp 1.500 Höhenmeter im Aufstieg sind nicht ganz ohne, langweilig wird’s aber nie: sanfte Almwiesen zu Beginn, Lärchenwälder, schroffe Dolomit-Zacken zur Linken, eine steile Engstelle und ein großer südseitiger Gipfelhang als Finale. Belohnt wird mit einem grandiosen 360°-Rundumblick auf Heiligkreuzkofel, Sellastock, Langkofel und Marmolata. Der Blick in die bevorstehende Steilabfahrt saugt etwas in die Tiefe und macht gleich Lust einzufahren in unseren ersten Canale Nord des Wochenendes.

Was nicht im Buche steht

Etwas früh wecken uns die Kühe und der Hahn vom Nachbarbauernhof. Uns soll's recht sein, die Sonne scheint und unverspurter Pulver wartet nicht lang. Allerdings hat unsere liebe Gastgeberin auf dem Bauernhof Confolia zuerst noch andere Pläne mit uns: ein riesiges Frühstück mit hauseigenem Speck, Eiern, Milch und Butter vom eigenen Hof und selbstgemachter Marmelade ist aufgetischt. Widerstand ist zwecklos…

Trotzdem schaffen wir den Aufbruch: nochmal geht’s rein ins schattige Tal Richtung Puezspitzen. Diesmal steigen wir aber zuerst nach Süden auf in eine Rinne am Ausläufer des „Ciampac“. Eine Rinne ohne Namen, keine auffindbare Tourenbeschreibung und keine Spuren: der Entdeckergeist ist geweckt. Ob die Rinne wohl bis zum Grat durchgeht?

Belohnt wird der, der sucht, und zwar mit einem engen Ausstieg auf’s Plateau mit Blick auf den Sellastock und feinem Pulver in Nordwand-Kulisse. Ein zweiter sonniger Aufstieg bringt uns zum Antersasc / Zwischenkofel (2.471 m). Am Gratverlauf Richtung Piz Somplunt entlang finden wir die Einfahrt in die Antersasc Canale Nord. Ungläubige Gesichter in der Gruppe: scheinbar hat die große Skitourengruppe, die wir am Vormittag am Einstieg erblickt haben wieder kehrt gemacht und hat uns die Rinne netterweise unverspurt überlassen! Die Münze entscheidet über den Glücklichen ersten und ab geht’s.

Lungiarü – ein echtes Bergsteigerdorf auf Ladinisch

Wer nach Lungiarü kommt, darf sich auf so einiges gefasst machen: hier weht ein anderer Wind. Absolute Ruhe, unberührte Dolomiten-Bergwelt, eine Vielzahl an Tourenmöglichkeiten von der Haustüre weg, gutes Essen und eine ordentliche Portion Gastfreundschaft trifft den Aspirant mit voller Härte. Zurecht wird Lungiarü bald im August offiziell durch den Alpenverein Südtirol als „Bergsteigerdorf“ gekürt. Hier hat Natur, Tradition, Bergsport und sanfter Tourismus ein wohlverdientes Zuhause.

Und auch durch die Sprache fühlt man sich wie in einer anderen Welt! Hier wird noch mit vollem Stolz Ladinisch geratscht – eine alte rätoromanische Sprache. Das Ortsschild begrüßt den Gast mit „Ben Gnüs“ (Herzlich Willkommen), ein herzliches „bon dí“ (Guten Tag) startet den Tag und „ce fesa ncuei?“ heißt so viel wie „Was machst du heute?“. „Canale Nord“ sagen wir dazu nur!

Fazit

Lungiarü ist eine kleine Oase in den Dolomiten für alle die Ruhe, Skitouren ohne Lifte und unberührte Dolomiten suchen. An Skitouren ist für alle was da: neben den steilen Nordrinnen warten auch einfache und mittelschwere Touren, wie z.B. auf den Kl. Peitlerkofel (2.813 m, 1.200 Hm) oder Zendleser Kofel (2.418 m, 750 Hm). Neben den bekannten und beschriebenen Abfahrten bieten die Berge hier noch viel mehr, einfach den Entdeckergeist raus lassen!

« I se confortun da gni indo » - Wir kommen gerne wieder !

Besonders Empfehlenswert

  • Eine Steinofenpizza in der „Pizzeria Fornata“ mit den Locals hausgemachte Pasta oder gefüllte Kartoffeltaschen in der urigen Speckstube „Tlisöra“ nach der Tour. Hier könnt ihr die Reserven wieder auffüllen!

Touren Tipps

  • Piz de Puez / Östl. Puezspitze Canale Nord (Variante: Abfahrt entlang Aufstieg)
  • Crep da la Dodesc Canale Nord
  • Antersasc / Zwischenkofel Canale Nord (Variante: Abfahrt entlang Aufstieg)
  • Peitlerkofel
  • Roa-Scharte / Forcela dla Roa

Die Autoren bedanken sich bei: Contour Skins; Melt Skis; NorthernPlayground

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