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Bergwissen

Die Hintergründe der Lawinenunfälle der Weihnachtszeit 2009

Der Tiroler Lawinenwarndienst zu den Lawinenergeignissen der Weihnachtswoche 09

30.12.2009 von Tobias Kurzeder
Während der Weihnachtszeit 2009 ereigneten sich mehrere besonders schwere Lawinenunglücke, wovon diesmal besonders Norditalien betroffen war. Hier kamen innerhalb weniger Tage 7 Wintersportler, davon vier Bergretter ums Leben. Wer vor und nach Weihnachten die Lawinenlageberichte und -warnungen der Lawinenwarndienste verfolgt hat, für den war offensichtlich, dass wir es mit einer sehr gefährlichen Lawinensituation zu tun gehabt haben.

Während der Weihnachtszeit 2009 ereigneten sich mehrere besonders schwere Lawinenunglücke, wovon diesmal besonders Norditalien betroffen war. Hier kamen innerhalb weniger Tage 7 Wintersportler, davon vier Bergretter ums Leben. Wer vor und nach Weihnachten die Lawinenlageberichte und -warnungen der Lawinenwarndienste verfolgt hat, für den war offensichtlich, dass wir es mit einer sehr gefährlichen Lawinensituation zu tun gehabt haben.

 

Erfahrene Freerider und Tourengeher, die sich mit Schnee- und Lawinenkunde beschäftigen, haben bereits früh befürchtet, dass die extreme Kälteperiode im Dezember, in Kombination mit der oft sehr dünnen Schneedecke bei gleichzeitigem Strahlungswetter die Schneedecke stark umgewandelt hat. Doch ist die Ursache der Unfälle tatsächlich in dem durch die aufbauende Umwandlung oft geschwächten Schneedeckenaufbau zu suchen? Und wie kam es zu dieser prekären Lawinensituation? Dies wollten wir von Patrick Nairz, dem stellvertretenden Leiter des Tiroler Lawinenwarndienstes wissen.

 

Fragen an Patrick Nairz zur Schneedeckenentwicklung und zur Lawinengefahr

 

PowderGuide: Nahezu alle Lawinenwarndienste haben in der zurückliegende Zeit eindringlich vor der instabilen Schneedecke und der hohen Auslösebereitschaft der Lawinen gewarnt. Kannst du uns kurz erklären, wie es dazu gekommen ist?

  

Patrick Nairz: Die Situation, die sich ab dem 20.12.2009 einstellte hat mit der bereits erwähnten langen Kälteperiode zu tun. Die Schneedecke baute sich damals massiv aufbauend um. Das Ergebnis: Lockere, kantige Kristalle, Oberflächenreif an der Schneeoberfläche. Zusätzlich ist aus der hochnebelartigen Bewölkung oftmals Wildschnee [Anmerk. der Redaktion: ganz leichter, feiner ungebundener Pulverschneee] gefallen. Dieser wirkt sich nach dem Einschneien / Einwehen ähnlich negativ wie Oberflächenreif aus.

  

PowderGuide: Wird sich die Situation von nun an entspannen oder rechnest du weiterhin mit einer sehr angespannten Lawinensituation?

  

Patrick Nairz: Die Situation hat sich inzwischen entspannt. Das zeigen eindeutig auch unsere Schneedeckenuntersuchungen, die wir während der vergangenen Wochen fast täglich in ganz Tirol durchgeführt haben. Vermehrt müssen zur Zeit frische Triebschneeansammlungen beachtet werden. Dennoch: Oberhalb etwa 2000m gibt es immer noch genügend "Nester", wo speziell an Übergangsbereichen von wenig zu viel Schnee auch die Altschneedecke von Wintersportlern noch gestört werden kann. Je steiler der Hang, desto wahrscheinlicher ist eine Lawinenauslösung.

  

PowderGuide: Wie schätzt du die weitere Entwicklung ein, steht uns ein gefährlicher Winter mit dementsprechend vielen Lawinenopfern bevor?

  

Patrick Nairz: Diese Frage kann man derzeit nicht beantworten. Dies hängt zu 100% mit der weiteren Wetterentwicklung zusammen – und die kennen wir (zum Glück) nicht.

  

PowderGuide: Hast du einen Tipp, wie man sich als Freerider oder Tourengeher verhalten sollte, um die schwache Schneedecke möglichst gut zu schonen bzw. nicht zu überlasten, so dass es gar nicht erst zur Lawinenauslösung kommt?

  

Patrick Nairz: Freerider haben inzwischen den Vorteil, dass im Variantenbereich sofort immer alles niedergefahren wird. Dies wirkt sich natürlich positiv auf die weitere Schneedeckenentwicklung aus. Der Spielraum im Variantenbereich ist somit deutlich größer als im klassischen, wenig begangenen und befahrenen Tourengelände. Meine Tipps: Im Zweifel Verzicht! Höre auf dein Gefühl! Vermeide impulsartige Belastungen und merke: Mit zunehmender Steilheit steigt immer auch das Risiko einer Lawinenauslösung. Standardmaßnahmen wie z. B. Entlastungsabstände sind sowie Voraussetzung!

  

PowderGuide: Was würde die Schneedecke am ehesten stabilisieren? Ist der derzeitige Regen bis in mittlere und hohe Lagen eher gut oder eher schlecht für die Schneedeckenstabilität?

  

Patrick Nairz: Der Regen vom 25.12. hat sich kurzfristig natürlich nicht so gut, durch den anschließenden Temperaturrückgang jedoch sehr positiv ausgewirkt. Inzwischen können wir jedoch an der Grenzfläche der damals entstandenen Harschschicht teilweise auch kantige Kristalle beobachten, die eventuell – je nach Temperaturentwicklung – als Gleitfläche für Schneebrettlawinen (Seehöhenbereich 1900-2300 m) in Frage kommen können.

   

PowderGuide: Patrick, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, unsere Fragen zu beantworten.

 

Überblick Lawinenunfälle der Weihnachtswoche '09

 

Tête de Balme (Schweiz), 21.12.09: Im Wallis in der Region Tête de Balme ist ein Snowboarder ausserhalb der markierten Piste in einer Lawine ums Leben gekommen. Beim Opfer handelt es sich um einen 25-jährigen Franzosen.

 

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Verbier (Schweiz), 23.12.09: Am Col des Mines bei Verbier verliess am Morgen ein Skifahrer die markierten Pisten und wurde von einer Lawine erfasst. Dank einem Lawinensuchgerät konnte er von seinem Begleiter unter einem halben Meter Schnee lokalisiert und geborgen werden. Er wurde mit dem Helikopter zur Kontrolle ins Spital Sitten geflogen. Während dieser Bergungsaktion wurden die Rettungskräfte Zeuge eines zweiten Lawinenniedergangs am Col de Creblet. Auch dort wurde ein Variantenskifahrer von einer Lawine erfasst, aber nicht unter den Schneemassen begraben, wie die Polizei weiter mitteilte. Er wurde verletzt und ebenfalls mit einem Helikopter ins Spital gebracht.

 

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Thyon (Schweiz), 23.12.09: Am Nachmittag verliessen in der Skiregion Thyon drei Personen die markierten Pisten und wurden von einer Lawine erfasst. Sie konnten sich unverletzt selber befreien. Der Walliser Kantonspolizei wurden im Verlauf des Tages weitere Lawinenniedergänge gemeldet. Dabei wurden aber keine Personen verletzt.

 

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Anzere (Schweiz), 27.12.09: Im Skigebiet von Anzere im Unterwallis ist am Sonntag eine Lawine auf eine markierte Skipiste niedergegangen. Eine Person konnte geborgen werden, ein weiterer Schneesportler wird noch gesucht.

 

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Graubünden (Schweiz), 27.12.09: Auch im Kanton Graubünden sind am Sonntagnachmittag zwei Lawinen niedergegangen. Eine davon wurde laut Mitteilung der Kantonspolizei von zwei Skitourenfahrern am Piz Avat auf dem Gemeindegebiet von Sumvitg ausgelöst. Sie konnten sich aus eigener Kraft befreien und die Rega alarmieren. Sie wurden ins Spital geflogen. Einer der beiden erlitt eine Fussfraktur, der andere Rippenverletzungen.

  

Am Piz Nair oberhalb von St. Moritz lösten mehrere Skifahrer abseits der markierten und gesicherten Pisten eine Lawine aus. Sie konnten den Schneemassen laut Polizei mit Glück ausweichen. Weil einer der rund sieben Skifahrer seinen Kameraden vermisste, wurde eine Suchaktion eingeleitet, an der die Rega, der SAC Bernina und die SOS-Mannschaften Piz Nair und Marguns beteiligt waren. Nach einiger Zeit meldete sich aber der Gesuchte. Er war bereits zu Tal gefahren.

 

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Pitztal (Österreich), 21.12.09: Zwei Tourengeher tot aus Lawine geborgen. Zwei seit Montag vermisste Tourengeher aus Deutschland konnten am Stephanitag im Hinteren Pitztal im Tiroler Bezirk Imst nur noch tot geborgen worden. Sie wurden von Bergrettern in der Nähe der Braunschweiger Hütte im Gemeindegebiet von St. Leonhard mehrere Meter tief unter Schneemassen entdeckt.

 

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Sölden (Österreich), 25.12.09: Kleinbus von Lawine erfasst und verschüttet

 

Von einer Lawine ist am Freitagnachmittag oberhalb von Sölden ein Kleinbus erfasst und verschüttet worden. Die drei Insassen konnten sich selbst befreien und erlitten keine lebensgefährlichen Verletzungen.

 

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Hochgurgl (Österreich), 26.12.09: Ein junger deutscher Skifahrer ist Samstagmittag im freien Skiraum in Hochgurgl von einer etwa 20 Meter breiten Lawine erfasst worden. Der Skifahrer wurde komplett verschüttet, konnte aber zum Glück lebend geborgen werden.

 

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Südtirol/Trentino (Italien), 26.12.09: Sieben Menschen sind am Samstag in Südtirol und dem Trentino durch Lawinen ums Leben gekommen. Ein 14-jähriger Snowboarder wurde von einer Lawine verschüttet. Bei der Suche nach einem Touristenpaar kamen vier Bergretter ums Leben.

  

Am Pordoljoch (sic! Anm. d. Red.: Pordoijoch) im Trentino - nahe an der Grenze zu Südtirol - starben am Samstagabend vier Bergretter, die zwei vermisste Touristen in der Dunkelheit finden wollten. Die Suchmannschaft wurde auf einer Höhe von mehr als 2.000 Metern im Lasties-Tal von einer Lawine erfasst und mitgerissen.

  

Ein 14-jähriger deutscher Snowboarder kam am Samstag in Sulden in Südtirol um, als er mit zwei Begleitern unterwegs war und von den Schneemassen erfasst und verschüttet wurde. Die beiden anderen konnten von den Rettungskräften lebend geborgen werden, einer von ihnen hatte sich Rückenverletzungen zugezogen.

 

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Schnalstal (Italien), 26.12.09: Am späten Samstagvormittag ist im Skigebiet Schnalstal ein Mann von einer Lawine verschüttet worden. Der 31-Jährige aus Truden befand sich gegen 11.30 Uhr mit seiner Pistenraupe auf der Gletscherseepiste und wollte ein gerissenes Drahtseil reparieren, als es zu dem Lawinenabgang kam. Arbeitskollegen hatten das Unglück beobachtet und umgehend die Rettungsdienste verständigt.

 

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Weitere Unfälle abseits der Pisten

 

Wengen (Schweiz), 21.12.09: Der Tod von Myles Robinson ist im Skiort Wengen das Gesprächsthema. Der Engländer verschwand in der Nacht auf den 22. Dezember nach einem Barbesuch spurlos. Am Montagabend fand ein privater Suchtrupp den Mann tot am Fuß der Steinhaltefluh, kurz vor Lauterbrunnen.

 

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Bivio (Schweiz), 26.12.09: Ein Skifahrer aus dem Kanton Zürich ist am Samstagnachmittag in Bivio GR am Julierpass tödlich verunglückt. Der Mann hängte mit seinen Skis an einer gefrorenen Schneeverwehung an und stürzte kopfüber in den Tiefschnee. Aus dieser Lage konnte er sich nicht mehr aus eigener Kraft befreien.

 

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