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Bergwissen

Wenn deine Tour länger dauert als der Tag

Ein Schneebiwak mit dem Alpenverein

von Stephanie Jagl-Posch 11.04.2018
Immer wieder wache ich auf und starre gegen eine weiße, unebene Decke. Um mich herum ist die Luft kalt und nur ein rotes Licht erhellt den Raum. Neben mir liegen 3 weitere Personen, alle in Biwak- und Schlafsäcke eingehüllt und so gut es geht mit winterlicher Kleidung geschützt. Wenn ich wieder einschlafe, träume ich von stundenlanger Schneeschaufelei. Manchmal fühle ich mich leicht panisch beengt.

Ab der Hälfte der Nacht wird mein Schlaf entspannter, im Schlafsack hat es mittlerweile schon fast tropische Temperaturen und als ich gegen 7 Uhr endgültig aufwache, fühle ich mich tatsächlich halbwegs ausgeruht. Eine Person nach der anderen krabbelt auf allen Vieren mit sämtlicher Ausrüstung aus der Schneehöhle, in der wir soeben die Nacht verbracht haben. Draußen werden wir von Tageslicht und knackigen -17 Grad Celsius begrüßt.

Zum Glück waren wir sehr gut auf diese Herausforderung vorbereitet. Wir mussten nämlich nicht notgedrungen in einer Schneehöhle übernachten, sondern hatten das Biwakieren geplant.

„Wenn deine Tour länger dauert als der Tag“ - unter diesem Motto stand eine Veranstaltung des Alpenvereins, genauer genommen des Forum Alpin, einer Sektion des Gebirgsverein Wien, an der ich im Februar teilgenommen habe. 

Zur Einstimmung gab es ein paar Tage vor der Biwakerfahrung einen abendlichen Vortrag zum Thema. Speziell ging es um Biwaks im Winter. Durch den Abend führte uns Harry Grün, erfahrenes Mitglied der Bergsteiger Gruppe des Alpenvereins. Wir bekamen Informationen darüber, welche Gefahren es hinsichtlich Ausrüstung, körperlichem Zustand und äußeren Gegebenheiten zu beachten gilt, welche Ausrüstungsgegenstände auf jeden Fall in den Rucksack gehören und was man bei einem geplanten Biwak im Winter zusätzlich mitnehmen sollte.

Danach teilten wir uns in Gruppen auf, je nach gewünschter Unterkunft für die Praxis-Nacht: Schneehöhle, Iglu, Zelt, Schneegraben… der Fantasie der TeilnehmerInnen waren keine Grenzen gesetzt, alle durften ausprobieren, was sie testen wollten. Mein Mann und ich entschieden uns mit einigen anderen aufgrund der von uns vermuteten höheren Wahrscheinlichkeit, diese Biwak Form einmal im Notfall brauchen zu können, für die Schneehöhle. Wir vereinbarten einen Treffpunkt für Samstagvormittag und fuhren mit vielen neuen Gedanken im Kopf nach Hause.

In den folgenden zwei Tagen verwandelte sich unsere Wohnung regelrecht in einen Bergsport-Shop. Wir zerrten eine riesige Menge an Ausrüstungsgegenständen aus unserem Regal und stellten zusammen, was wir brauchen würden. Oder wovon wir dachten, dass wir es brauchen würden. Wir gaben unser Bestes, das ganze Equipment sinnvoll in und an unseren Rucksäcken zu verstauen und reisten am Samstag gespannt zum gemeinsamen Treffpunkt an.

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Der Aufstieg zu unserem Lagerplatz war technisch einfach und mit etwa 1.5 Stunden Gehzeit auch trotz schwererem Rucksack leicht bewältigbar. Sonnenschein erhellte die Gemüter, wir plauderten und freundeten uns untereinander an, die meisten Personen kannten sich noch nicht. Unsere erste Station war das Annaberger Haus, eine Hütte des Gebirgsvereins am Tirolerkogel, eine unspektakuläre, aber sympathische Erhebung der östlichen Voralpen in Niederösterreich.

Dort hatten wir Gelegenheit, die Elektrolytspeicher wieder aufzufüllen. Nach dem Essen gab es eine Vorbesprechung, bei der uns Harry Grün vom Gebirgsverein weitere Informationen zum Ablauf, unserem Nächtigungsplatz und zur Errichtung von Iglu, Schneegraben und Schneehöhle gab.

Danach zogen wir los. Der Nächtigungsplatz war nur ein paar Minuten vom Annaberger Haus entfernt, auf einer ebenen Almwiese gelegen. Am Rand befanden sich zahlreiche große Schneewechten, die sich als brauchbarer Bauplatz für die Schneehöhlen erweisen sollten.

Wir teilten uns in Gruppen auf und starteten nach einer kurzen Ansage von Harry auch gleich mit dem Bauen.

In unserer Gruppe waren wir zu viert, dementsprechend mussten wir eine recht große Höhle planen. Wir fingen am unteren Rand der Wechte zu graben an, die Schneehöhle sollte dann unter dem höchsten Teil der Wechte ihren Platz finden.

Die frostigen Temperaturen sorgten dafür, dass niemand gern lange pausierte, so gruben wir recht eifrig dahin und hatten nach kurzer Zeit schon den Anfang des Eingangstunnels geschafft. Wir dachten, wir würden ganz gut vorankommen, doch nach einiger Zeit mussten wir erkennen, dass wir unseren Eingang zu weit von der höchsten Stelle der Wechte entfernt angesetzt hatten! So mussten wir einen 1.5 Meter langen Tunnel graben!

Der Schnee war im Inneren der Wechte stark komprimiert, deswegen mussten wir immer wieder wechseln zwischen Schaufeln und Hacken beziehungsweise Abstechen, um die Höhle zu vergrößern.

Leider kamen wir auch einmal beim Schaufeln der inneren Seitenwand der Höhle zu weit nach aussen, wodurch wir ein recht großes Luftloch schufen. Dieses Luftloch mussten wir wieder ein Stück weit schließen, wofür wir blockige Schneestücke wie Ziegelsteine aufeinander schichteten. Auch diese Zusatzarbeit verlängerte unsere Bauzeit.

Zum Schluss waren wir noch einige Zeit damit beschäftigt, den erhöhten Boden des Schlafraums möglichst eben zu gestalten, sowie zu testen, ob genug Platz ist, um uns der Länge nach ausgestreckt hinzulegen.

Als wir dann fertig waren, waren 5 Stunden Zeit vergangen und die Nacht war angebrochen. Wir hatten etwas Mühe, uns der Reihe nach bettfertig zu machen und in den Schlafsack zu kriechen, weil der Platz doch recht begrenzt war, aber irgendwann hatten es alle geschafft.

Eigentlich hatten wir Lebensmittel dabei, um ein Essen zu kochen, wir waren dann aber zu ausgelaugt, um uns diese Arbeit noch anzutun. So aßen wir uns noch an Snacks wie Müsliriegel, Nüssen und Schokolade satt, denn der Körper braucht bei kalten Temperaturen genug Treibstoff zur Erhaltung der Körpertemperatur.

Gegen 21:30 schauten wir dann auf die Uhr, dachten uns noch “so früh können wir unmöglich schlafen gehen”, um dann kurz danach doch erschöpft einzuschlafen. Bald waren die ersten Schnarchgeräusche zu hören und wir würden einige Stunden später nach unserem ersten Winterbiwak aufwachen, mit der Erinnerung an eine tolle, lehrreiche Erfahrung und einem Gefühl der Verwegenheit.

Unser Fazit

Würden wir in eine Notsituation kommen, die eine Übernachtung im Schnee notwendig machen würde, dann würden wir eher eine vereinfachte Form einer Schneehöhle bauen. Die lange Bauzeit hält zwar warm, zu erschöpft möchte man aber in einer Notsituation auch nicht werden, beziehungsweise hat man vielleicht gar nicht mehr die Kraft dafür.
Uns wurde wieder verdeutlicht, wie wichtig es ist, dass man bei Bergtouren immer einen Biwaksack dabei hat, denn ohne die wind- und wasserabweisende Schutzschicht wäre eine kalte Nacht viel unangenehmer und möglicherweise lebensgefährlich.

Ein herzliches Dankeschön an den Gebirgsverein und besonders die Bergsteiger Gruppe, welche uns diese Erfahrung ermöglicht haben!

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