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Materialtests

Materialtest | Norse Skis The Freeride

(Fast) Alleskönner mit besonderem Kern

von Sebastian Siep 09.03.2021
Eine kleine Skischmiede in Schweden. In Anbetracht vieler Craft-Skibrauereien, die in der letzten Zeit aus dem Boden wuchsen, klingt das alleine noch nicht besonders. Doch die Entwicklungen von NORSE erhielten in den eingefleischten Internetforen sehr vielversprechendes Feedback. Was die Ski von NORSE so besonders macht, ist der sehr komplette Entwicklungsansatz. Nachdem ich mich in die verwendete Kerntechnologie eingelesen hatte, wollte ich den Ski unbedingt testen.

Zum Glück stellte uns der Entwickler Patrik Sannes kurzerhand ein Model aus seinem LineUp zu Verfügung. Das klingt zwar nach einer großen Auswahl. Es gibt allerdings insgesamt nur zwei Modelle. Patrik hat seine Entwicklungserfahrung, die er zuvor bei einer großen Freeskimarke machen durfte, genutzt, um sich einer kompromisslosen Entwicklung von sehr ausgereiften Ski zu widmen. So beschränkt er sich bis jetzt auf einen 100mm breiten Ski namens THE ENDURO und ein 110mm breites Model, das sich THE FREERIDE nennt.

Vorneweg, das sind breite Tourenski und somit zwar nicht mehr der Zeit voraus, aber sicher topaktuell in Ihrer Produktkategorie. Was macht sie dann so besonders? Zurück zum ursprünglichen Beweggrund, den Ski zu testen: Der Kern.

Skikerne, in der bewährten Sandwichbauweise, können aus verschiedenen Hölzern sein. Die gute alte Esche mit ihrer gutmütigen, massiven Charakteristik und kraftvollen Reserven ist aufgrund des hohen Gewichtes aus dem Freeskisektor fast verschwunden ist. Aktuell bestehen viele Skikerne aus Balsa- oder Paulowniaholz mit einem Carbonverbund. Dies ergibt ein leichtes und steifes Laminat, welches oft sehr spröde und somit schwierig zu fahren ist – und die Ski anfälliger für Wasserschäden schon nach kleinsten Beschädigungen macht. Für mich sind Haltbarkeit und Handling ein wichtiges Merkmal für hohe Produktqualität. Ich mag robustes und hochfunktionales Material, auf das ich mich unterwegs verlassen kann.

NORSE geht einen eigenen Weg und anstatt sich an OEM-Kernen der Skiindustrie zu bedienen ist es Patrik gelungen einen Kern aus drei verschiedenen Holzarten zu entwickeln.Dieser ist im Sinne der Längsachse von innen nach aussen, zur Skikante hin, wie folgt aufgebaut: Der Kern besteht in der Mitte aus Balsa-, dann folgt eine Zwischenlage aus Esche und aussen eine aus Pappel. Die Dichte und die Scherfestigkeit nimmt somit von innen  nach aussen zu. Zum anderen geben die Stringer aus Esche dem Ski eine gutmütigen aber stabilen Flex in seiner Längsrichtung. Der Faserverlauf der Holzelemente ist so eingelegt um die Torsionssteifigkeit des Querschnitts der an der Kante anliegenden Kraft gezielt entgegenzusetzen.

Im Test geht es um das Modell THE FREERIDE in 192cm. Ein Ski wiegt montiert mit einer Fritschi Tecton nachgewogen gerade mal 2780 Gramm. Als Tourenski ist ein 110mm breites Modell sicher an der oberen Grenze für lange Aufstiege über steile Flanken. Im Detail erkennt man dann auch wieder, wie weitreichend die Gedanken der Entwickler gehen. Hier hat NORSE ein relativ moderaten Sidecut gezeichnet und mit 133mm Schaufelbreite verspricht der Ski zwar Auftrieb, aber auch nicht zu viel Belastung beim Aufkanten im steileren Zustiegsgelände. Die relativ langen aber flachen Rocker versprechen zudem eine gute Drehfreudigkeit, unabhängig von der Schneebeschaffenheit.

Materialtests
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Um den Kern herum hat NORSE ebenfalls seine Hausaufgaben gemacht. Das Holz ist ober- und unterhalb mit Titanal-Aluminiumblechen eingefasst und seitlich stützt sich der Kern auf eine massive, 2mm dicke Stahlkante. Das Ganze ist unter einem sehr robustem UHMW Topsheet versteckt, welches meiner Erfahrung nach als quasi unverwüstlich einzustufen gilt. Der Ski läuft auf einem gesinterten Belag, welcher mit einem permanentem Nanowachs geliefert wird. NORSE verspricht damit einen wartungsarmen Ski und somit haben wir unser Modell auch während des Test nicht mehr gewachst.

Die Ski kommen einfarbig daher. Dies ergibt in seiner Schlichtheit ein auffälliges Design und garantiert den ein oder anderen ansprechenden Kommentar. Ja, die Ski sind sehr schön. Die aufgedruckte „Waschanleitung“ ist das I-tüpfelchen des Entwicklers.

Der erste Eindruck beim „Handflexcheck“: Unter der Bindung recht straff und an Nose und Tail weicher werdend.

Was wir vorwegnehmen können: Es handelt sich um einen gutmütig zu fahrenden und hochfunktionalen PowderTourenski, der keine schwierige Abfahrt scheut.

Tester und Testbedingungen

Wir haben uns den Test aufgeteilt und brachten den Ski bis dato an über 15 Tagen in die verschiedensten Schneebedinungen. Sebastian ist gross, schwer und schnell, Volker entspricht dem Idealfreeridepro und ist somit kompakter und auch noch schnell bergauf.

Wir beide schätzen Ski, die uns durch ihre Abfahrtsperformance unterstützen. Vergleichbare Ski in den Ausmassen 133-110-123 des The Freeride 192cm, die wir fahren, sind der Fischer Ranger 108Ti in 188cm als auch in 202cm. K2 Ski der Mindbender-serie 116C sowie 108Ti. Außerdem der 4frnt Hoji in 187cm, welcher von Shape und Rockerprofil her viele Ähnlichkeiten zum Norse hat.

Zum Vergleich sind wir zunächst mit einem Pivot P15 CAST System gefahren und haben dann auf eine Fritschi Tecton gewechselt, um den Gewichtsvorteil der Ski voll ausschöpfen zu können.

Testbericht

Das Gewicht ist im Vergleich zu den anderen Ski wirklich hervorzuheben. So ein grosses Paar Ski liess sich selten so einfach den Berg hochschieben. Der Aufstieg erfolgt mühelos und die Skibreite von 110mm wird in steilen Traversen und technisch schwierigen Sidestep Passagen problemlos bewegt. Kleine Klettereien über Steine verträgt der robuste Ski ohne Probleme und man kann sich auf das schwierige Gelände konzentrieren. Beide wurden wir in der Abfahrt mehrfach überrascht. Der Ski funktioniert intuitiv. Draufstellen und lossurfen. 

Montiert hatten wir auf dem empfohlen Montagepunkt, welcher hervorragend für die Manövrierbarkeit funktioniert. Der Ski überzeugt mit einer intuitiven und ermüdungsfreien Schwungauslösung in jedem Schnee.

Während langer Radien und bei höherer Geschwindigkeit ist man zu Gunsten des Auftriebs etwas in hecklastiger Position und cruised entspannt dahin. In schwierigerem Schnee oder auf schon verspurten Almwiesen zahlt sich eine frontalere Postion zur aktiven Schwungauslösung aus. Die Drehfreudigkeit des kurzen Sidecuts wird durch die langen Rockerprofile und das geringe Gewicht hervorragend unterstützt. Der Charakter des Kerns äussert sich in einem beeindruckendem Pop, der in tiefem Powder zu einer sehr dynamischen Schwungauslösung führt. Fährt man dagegen zu aggressiv, kommt einem doch das ein oder andere Mal das Tip etwas nervös entgegen und bedarf einer stabilen Position. In tiefschneegefüllten, engen Couloirs zaubert einem der Ski bei hoher Schwungfrequenz in Fallinie ein breites Grinsen ins Gesicht und bei Treeskiing und in Pillowfeldern verleitet der Norse zum jodelnden Abziehen über noch den kleinsten Hubbel.

Dennoch bleibt der Norse ein leistungsstarker Tourenski. Wir fuhren den Ski an seine Leistungsgrenzen und wurden bei Drops und Landungen in flacheres Gelände das ein oder andere Mal überrascht. Hier wirkt der lange Tailrocker und führt zu unfreiwilligen Wheelieeinlagen.

Auch scheint das Gesamtrockerprofil den Ski nicht für Lichtgeschwindigkeit zu befähigen. Wir beide bemerkten in flachem, tiefem Schnee eine gewisse Bremswirkung. In flachen Gleitpassagen hat das Nanowachs dann den alteingesessenen Paraffinprodukten gegenüber noch einen Nachteil. Die permanent behandelten Beläge empfinden wir als deutlich langsamer.

Um die Pistenperformance noch zu erwähnen: Auch hier merkt man die Torsionssteifigkeit. Sauber auf die Kante gestellt, fährt sich der Ski intuitiv, spurstabil, ausgewogen und verzeiht einem den ein oder anderen Fahrfehler. Selbst höhere Geschwindigkeiten meistert er ruhig und souverän. Auch bei Firn zeigt der Ski keine grösseren Schwächen und fährt mühelos durchs Gelände. Eine völlig zerhackte Fahrt durch die legendäre Laub / Engelberg, bei ständig wechselnden Schneebedingungen (gepresster Pulver, Firn, Buckel, Blankeis) - mit jedem anderen Ski wären mir die Oberschenkel blau geworden, nicht so mit The Freeride, der die Impulse des Fahrers direkt umsetzt und die Abfahrt, wenn auch nicht in höchster Geschwindigkeit, mit einem Grinsen meistert.

Fazit

Patrik Sannes hat mit THE FREERIDE sein Können unter Beweis gestellt. Herausgekommen ist ein breitbandiger Freetourer, bei dem es heisst: Draufstellen - losfahren – Spass haben. Das erstaunlichste daran ist, dass der Ski scheinbar mühelos durch sämtliche Schneearten gleitet und derart kraftsparend ist, dass die Beine einfach nicht müde werden. Steiles Terrain und unterschiedliche Schneearten werden zur Spielwiese. Ein Ski, der ins Auge sticht und qualitativ auf einem hohen Niveau surft. Chapeau!

Zusätzliche Anmerkung: Patrik ist unserer Meinung und nimmt unser Feedback auf. Anstatt ein Produkt für die Industrie, will er eben einen Ski für Skifahrerinnen und Skifahrer machen. Für einen Tourenski dieser Art, der zudem oft auch als Freerideski hergenommen wird, sieht er vor, den Ski weiterzuentwickeln. Er wird dem Kern eine breitere Eschen-Abstützung im Tail spendieren. Des Weiteren wird er die aktuelle 0,4mm Titanaleinlagen mit 0,6mm etwas massiver ausstatten. Ziel ist es, den Ski noch robuster und stoischer zu machen, bei nur geringer Gewichtszunahme und ohne Einbussen seiner intuitiven Handhabung. Soll ein noch breiteres Einsatzspektrum erreicht werden. Damit ist er dann wirklich auf dem Weg zu einem Highseason-one-ski-quiver.

Vor- & Nachteile

+ kraftsparend
+ drehfreudig
+ leicht
+ hochwertig
+ vielseitig
+ nanowachs
- langsam (Nanowachs, oder front Rocker, Spannung)
- Neigt zu Wheelies (Heckrocker, oder Spannung)

Details

UVP €700,-

Size Radius  Weight
184 cm 24 m 1.900 g
192 cm 26 m 2.050 g

Sidecut: 133 - 110 - 123 mm

Hier geht es zur Website von Norse mit weiteren Informationen.

Der Ski wurde PowderGuide vom Hersteller kostenfrei zum Testen zur Verfügung gestellt. Wie wir testen erfahrt ihr in unserem Test-Statement.

 

Fotogalerie

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