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Materialtests

Materialtest | Scarpa F1 TR

Revolution bei alpinen Tourenschuhen? Ein zweiter Anlauf

von Philip Crivelli 15.03.2017
Bereits zur Saison 2014/15 hatte Scarpa mit dem F1 Evo einen Schuh auf den Markt gebracht, der die Skitourenwelt revolutionieren sollte. Leider musste der Schuh im Februar wieder zurückgerufen werden, da in Einzelfällen der Schuh während der Abfahrt in den Walk Mechanismus gefallen ist. 2016 erlebt diese Revolution einen Relaunch. Und Powderguide ist dabei.

Erster Eindruck

Was Am F1 TR als erstes ins Auge sticht, ist das Boa Closure System. Üblicherweise kennt man dieses System eher von Snowboard Schuhen oder vereinzelt von Innenschuhen. Scarpa hat sich dem Boa System anstelle der sonst üblichen Skischuh-Schnallen bedient. Anstatt der klassischen Schnallen, die eingehängt und zugedrückt werden, dreht man hier an einem kleinen Rad um den unteren Teil der Schale gleichmässig fest zu ziehen.

Auch am Schaft besitzt der F1 TR keine traditionelle Schnalle, sondern eine breite Strap-Schnalle (oder Klettverschluss-Schnalle wenn ausgedeutscht). Diese wird unterstützt von einem kleinen, traditionellen Strap, welchen man ganz einfach wegnehmen kann, falls man ihn nicht braucht oder Gewicht gespart werden soll.

Weiter fehlt der klassische Umschalthebel um den Walk Mechanismus zu blockieren. Dies ist die eigentliche Revolution. Wie alle modernen Tourenschuhe besitzt der Scarpa F1 TR natürlich Inserts für Pin Bindungen. Während vorne die patentierten Dynafit Quick Step-In Inserts verbaut sind, ist die eigentliche Blockierung für den Walk Mechanismus im hinteren Bindungs-Insert verbaut. Das heisst beim Einsteigen in die Pin Bindung wird durch beide Pins ein kleines Plättchen im Fersenteil des Schus nach oben geschoben und verriegelt dadurch die Rotation des Schafts. Dieses System nennt man bei Scarpa Tronic (TR). In der Theorie bedeutet das, dass man sich künftig nicht mehr bücken muss, um vor der Abfahrt die Schuhe zu blockieren. Mit dem Scarpa F1 TR reicht es jetzt, schon einfach in die Bindung einzusteigen. Zu beachten ist, dass der F1 TR lediglich mit herkömmlichen Pin-Bindungen kompatibel ist. Also nicht mit normalen Skibindungen, Rahmenbindungen oder Hybridversionen wie z.B. der Marker Kingpin.

Materialtests
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Der thermoformbare Innenschuh kommt wie üblich bei Scarpa von Intuition. Er ist nicht übermässig dünn wie bei Ultraleicht-Schuhen, jedoch auch nicht sehr voluminös. Eigentlich gerade richtig. Beim Innenschuh sind ein paar Schuhbändel zur Schnürung mitgeliefert. Was mich jedoch gestört hat, ist, dass man die Innenschuhe nicht richtig fest zuschnüren kann. Obwohl Ich keine aussergewöhnlich dünnen Waden habe, berühren sich beim Schnüren die beiden Seiten des Innenschuhs schon bevor der Schuh satt am Fuss sitzt.

Alles in allem macht der Scarpa F1 TR einen recht soliden Eindruck, trotz allen neuen und ungewohnten Features. In Grösse 29.5 wiegt der Schuh 1400g. Die Schale ist sehr kurz gehalten (322mm bei 29.5). Ausserdem hat der Schuh eine griffige Vibram Sohle. Mir hat auch gefallen, dass man den Vorlagewinkel einfach in drei verschiedene Positionen verstellen kann. Ich habe die unterste Position mit der dem grössten Vorlagewinkel eingestellt.

Tester und Testbedingungen

Ich bin 191cm gross und 91kg schwer. Mein Vorfuss ist etwas breit, ansonsten habe ich relativ normale Füsse, ohne grössere Problemstellen. Allgemein bevorzuge ich eher schmale Schuhe und lasse diese bei kleineren Druckstellen beim Bootfitter anpassen. Bei Skischuhen trage ich Grösse 29.5. Den Schuh habe ich entweder in Verbindung mit einem leichten Ski Setup (Blizzard ZeroG 85 mit ATK Race SLR) oder einem etwas Freeride-lastigeren Setup (Blizzard Kabookie mit ATK Freeraider 14) verwendet, die allermeiste Zeit auf Skitouren. Bei mir ist der Scarpa F1 TR seit Anfang Dezember in Betrieb. Neben traditionellen Touren bin ich zu Beginn der Saison auch einige Skitouren im Pistenbereich gegangen. Schlussendlich war der Skischuh bei fast allen Bedingungen (ausser sehr tiefem Powder) im Einsatz.

Testbericht

Einstieg und Aufstieg
Der Einstieg in den Schuh ist etwas umständlich. Ohne die zwei Laschen am Innenschuh kommt man fast nicht rein. Auch der Trick mit Innenschuh zuerst anziehen und dann samt Innenschuh in die Schale, normalerweise mein Favorit, klappt nicht richtig (ausser mit einem Schuhlöffel). Grund dafür ist das Innenschuhmaterial, welches dabei rund um die Ferse bleibt hängen. Könnte man den Gehmechanismus blockieren, würde es wahrscheinlich klappen. Weiter muss beim Einsteigen in den Schuh darauf geachtet werden, dass die Schuhbändel nicht in der Lasche verheddern. Ist man einmal drin, geht das Schliessen der Schnallen dank dem Boa Closure System und der Strap Schnalle super einfach.

Der Einstieg in die Bindung funktioniert auch einwandfrei. Hier spürt man deutlich den Vorteil der Quick Step-In Inserts gegenüber herkömmlichen (nicht-Dynafit) Inserts.

Man geht mit dem F1 TR sehr komfortabel, zum einen Dank des geringen Gewicht, zum anderen Dank der ausgewogenen Form. Der Schuh hat eine ausgezeichnete Bewegungsfreiheit und eine angenehm abgerundete Sohle, so dass das Laufen sowohl in der Bindung als auch ohne Ski an den Füssen sehr angenehm ist. Bei kürzeren Anstiegen habe ich oft die Strap Schnalle zugelassen. Für längere Anstiege hat man noch ein wenig mehr Bewegungsfreiheit, wenn man den oberem Strap und die Schnalle offen lässt. In diesem Fall muss man sich allerdings trotzdem Bücken und man verliert den Vorteil des Handgriff-losen Einstiegs des TR Systems.

Was zudem ein limitierender Faktor sein kann, ist, dass Steigeisen nur bedingt auf den Schuh passen. Wegen des TR Systems ist die Form der Ferse etwas angepasst. Nicht alle Steigeisen passen darauf. In der Gebrauchsanweisung wird beschrieben was man beim Tragen von Steigeisen mit dem F1 TR beachten sollte.

Hat man den Strap geschlossen, braucht man nach dem Umbauen der Ski nur noch in die Bindung einzusteigen und der Blockiermechanismus arretiert automatisch. In der Praxis kam es bei mir an zwei verschiedenen Tagen vor, dass sich Schnee im System angesammelt hat und dadurch der Mechanismus nicht mehr funktioniert hat. Beheben konnte man dies vor Ort nicht. Deshalb war ich gezwungen, im Aufstiegsmodus loszufahren. Während der Abfahrt hat sich das System erholt und wieder eingehängt. Bei einer Gelegenheit bin ich zuvor jedoch mit dem rechten Schuh ca. 600 Höhenmeter im Laufmodus abgefahren, was sehr ärgerlich war.

Abfahrtsperformance
Der Flex des F1 TR ist sehr angenehm und gleichmässig. Nicht zu vergleichen mit einem Pistenschuh, trotzdem ist der Schuh bei genügend fest angezogenen Schnallen erstaunlich hart für sein Gewicht. Etwas gestört hat mich, dass der Schuh relativ viel Volumen hat. Mit dem Boa System konnte ich den Schuh nicht ganz so fest zu ziehen, wie ich es gerne gehabt hätte. Trotzdem bietet der Schuh guten Halt und lässt ein kontrolliertes und präzises Steuern der Ski bei jeglichen Bedingungen zu. Zumindest bei schmäleren und mittelbreiten Ski.

Fazit

Die anfängliche Frage, ob dieser Schuh eine Revolution ist oder nicht, ist schwer zu beantworten. Der Scarpa F1 TR ist ganz bestimmt ein sehr guter Tourenschuh. Das Verhältnis zwischen Gewicht und Abfahrtperformance fand ich ausserordentlich gut. Ich war positiv überrascht wie gut sich der Schuh fährt. Einige innovative Details wie das Boa Closure System und der Strap haben mich begeistert. Auch sonst lässt die Verarbeitung der Schale wenige Wünsche offen.

Bei allen fahrtechnischen Vorzügen gab es aber auch ein paar weniger gute Punkte. Zum einen fand ich es sehr schade, dass der Innenschuh sich nicht besser Schnüren lässt. Von einem Bergschuh-Hersteller dürfte man besseres erwarten, auch wenn die Inneschuhe bei Intuition eingekauft werden.

Am meisten hat mich gestört, dass der ‚revolutionäre' Blockiermechanismus Tronic teils nicht verriegelt hat. Skifahren im Gehmechanismus kann eine tolle Übung für die Skitechnik sein, sollte jedoch freiwillig sein und nicht weil es Schnee in den Schuh gewindet hat. Meiner Meinung nach ist das Tronic System ein witziges Feature, dass vielleicht bei einem Sprint Bewerb bei Skitourenrennen ein Vorteil sein kann, sonst jedoch unnötig ist. Zum einen schränkt es die Auswahl an kompatiblen Steigeisen und Bindungen ein, zum anderen kann man den Schuh auch nicht blockieren oder offen lassen, wenn man dies möchte (z.B. zum Einstieg in die Schale). Insgesamt hat es aus meiner Sicht mehr Nachteile als Vorteile. Da Scarpa mit dem normalen F1 den gleichen Schuh mit einem traditionellen, aussenliegenden Blockiermechanismus herstellt, der garantiert immer zu schliessen ist, würde ich diesen dem TR vorziehen, denn der restliche Schuh ist wirklich gelungen.

Vor- & Nachteile

+ Sehr leicht
+ Hohe Beweglichkeit im Aufstieg mit und ohne Ski
+ Sehr ergonomisches Gehen mit und ohne Ski
+ Automatisches umschalten zwischen Aufstiegs- und Abfahrtsmodus (Blockiermechanismus)
+ Sehr gute Abfahrtsperformance
- Innenschuh lässt sich nicht satt schnüren
- nicht kompatibel mit allen Steigeisen
- Blockiermechanismus kann vereisen, so dass nicht mehr blockiert wird

Details

UVP €629.-
Gewicht: 1240g (Herstellerangabe Grösse 27.0)
Schale: Primary Hp Polyammid, Zunge: Pebax
BOA Closure System
Quick Step-In Inserts
Scarpa Ufo Sohle
Pro Flex Evo Innenschuhe
Master-Step in Insert

Hier geht es zur Website Von Scarpa mit weiteren Informationen. Hier könnt ihr den Schuh bei unserem Partnershop Bergzeit.de käufliche erwerben.

Dieses Produkt wurde PowderGuide leihweise zum testen zur Verfügung gestellt. Wie wir testen erfahrt ihr in unserem Test-Statement.

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