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Materialtests

Materialtest | Tecnica Cochise 130

Gelungene Überarbeitung des Freeride Klassikers aus Italien

13.02.2017 von Lukas Zögernitz
Leichter - Härter - Beweglicher. Das scheint Credo der Stunde bei den Freerideboots zu sein. Die Grenzen zwischen Freetouring und abfahrtsorientiertem Boot mit Gehfunktion beginnen zu verschwimmen. Auch die italienischen Bootspezialisten aus dem Hause Tecnica folgen konsequent diesem Trend und liefern mit dem Cochise 130 einen abfahrtsorienten Vierschnaller, der sich auch im Aufstieg nicht verstecken zu braucht.

Tester und Testbedingungen

Der Boot wurde in der Saison 16/17 für ca. 20 Tage von einem 82 kg schweren und 182 cm großen Mann mit sportlichem Fahrstil getestet. Zum Einsatz kam er dank Tech Inserts und Alpinsohle (ohne nerviges Wechseln) auf verschiedensten Ski mit verschiedenen Bindungen (vom Riesentorlaufski über den Park- und Freerideski bis zur Powderlatte mit Dynafit Beast 14). Gefahren wurden sowohl (eisige) Piste, (leider selten) Powder und verschiedenste Untergründe dazwischen. Aufgrund der Jahreszeit und Temperaturen war der Boot nicht im sulzigen Schnee im Einsatz.

Erster Eindruck

Hält man den in knalligem Orange gehaltenen Boot zum ersten Mal in Händen, erkennt man unschwer den Charakter eines alpinen Rennschuhs. Schmale Bauform, vier Schnallen und Powerstrap lassen erahnen, dass die Stärke des Cochise die Abfahrt ist. Materialien und Verarbeitung wirken solide. Der Boot insgesamt robust. Das Gewicht überrascht zwar nicht wie bei Vollcarbontourenstiefeln, fällt aber auch gefühlt geringer aus als bei vergleichbaren Modellen. Im Vergleich zu den Vorgängermodellen stechen einem die in der Schale verbauten Tech Inserts ins Auge. Beim grellgelben Strap ist eher klotzen als kleckern angesagt. Schnalle und Innenschuh sind in vielen Bereichen, wie z.B. Ferse, merklich an die Anatomie des Fußes angepasst.

Das ebenfalls in dieser Saison erschienene und hier getestete Modell Tecnica Zero G Guide Pro unterscheidet sich auf den ersten Blick durch den deutlich puristischeren Innenschuh sowie das geringere Gewicht. Ob der Cochise erwartungsgemäß in der Abfahrtsperformance den Gewichtsunterschied rechtfertigt und wie sich dieser auf den Aufstieg auswirkt erfahrt ihr im Praxisteil weiter unten.

Schale
Die zweiteilige "C.A.S" Schale aus leichtem "bi-material Polyether" ist wie der Innenschuh anatomisch geformt und passt genau zu diesem. Der Schuh an sich fällt mit einer Leiste von 99 mm schmal bis mittel aus. Leider stehen, wie bei anderen Technica Modellen, keine breiteren oder voluminöseren Versionen für RiderInnen mit großen (breiten) Füßen zur Verfügung. Die vier an die Schale geschraubten (= leichter Austausch) Schnallen aus Alu können über das "Micro" System durch einfaches Drehen in der Länge angepasst werden. Sollte das nicht mehr ausreichend sein, steht auch ein zweites Bohrloch zur Verfügung, in das die Schnalle versetzt werden kann. Der über die Oberflächenstruktur im hinteren und unteren Bereich der Schale erkennbare "Power Light Design"-Rahmen ist laut Hersteller 2,5 mal steifer und gleichzeitig 30% dünner als bisher verbaute Rahmen, wodurch Gewicht eingespart werden kann. Der Cochise 130 ist, laut Tecnica, unter anderem deswegen der leichteste vier Schnallen Skischuh aus Polyether, der je gebaut wurde. In dem Bereich, in dem die Schale im unteren Teil des Boots überlappt, ist eine doppelte Lamelle eingearbeitet, die das Eindringen von Feuchtigkeit verhindern soll.

Die Gehfunktion ist außen nur durch einen kleinen Schalter (mit Bändchen zur leichteren Bedienung mit Handschuhen) zu erkennen. Der Schalter gibt in der Walk-Stellung auf der Innenseite einen massiven Metallhaken frei, der in der Ski-Stellung in einen anderen Metallteil einhakt. Dank "S.A.S. (Self Adjusting System)" soll die Gehfunktion sich selbst adjustieren, damit kein Spiel besteht. Der 45 mm breite Strap ist über zwei Schrauben an der Rückseite fest mit der Schale verbunden. Das hat den Vorteil, dass die Montage eines eigenen Powerstraps ggf. einfach erfolgen kann.

Für den Cochise 130 Pro sind Wechselsohlen mit Tourenprofil zum Preis von 49,9 € UVP erhältlich. Da die Inserts im neuen Modell ja bereits in der Schale verbaut sind, haben diese "nur" mehr den Vorteil des besseren Grip bei z.B. Hikes oder Kletterpassagen mit den Ski am Rücken. Hingegen besteht mit montierten Tourensohlen der Nachteil, dass die in den Alpinsohlen verbauten Gleitflächen für die korrekte Funktion in Alpinbindungen nicht mehr vorhanden sind.

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Innenschuh
Im Vergleich zu vielen anderen Freeride Boots wirkt der Innenschuh des Cochise hochwertiger und mit vielen Features ausgerüstet. Besonders der fast zur Gänze mit Kunsstoff ummantelte obere Bereich rund um Schienbein und Wade sticht ins Auge. Vom, via Klett flexibel platzierbaren, Spoiler reichen über beide Seiten Kunststoffverstärkungen bis in den Bereich der Zunge hinein. Die Zunge selbst ist vorne komplett aus Kunststoff und vergleichsweise dick mit hartem Schaumstoff gepolstert. Dadurch ergibt sich nach vorne immer ein steifer, progressiver Flex, der aber nie zu hart wirkt oder gar abrupt gestoppt wird. Passt der Cochise nicht gleich kann, wie in dieser Preisklasse üblich, mittels Thermoanpassung nachgeholfen werden. Ein praktisches Feature des "C.A.S" Liners ist das verarbeitete Micro-Shell Material, mit Hilfe dessen der Boot zusätzlich sowohl durch drücken als auch durch abschleifen (bis zu 2mm) angepasst werden kann. Für den Aufstieg sind im oberen Bereich der Achillessehne und an beiden Seiten der Fußbeuge Einsätze verarbeitet, die zusätzlichen Bewegungsspielraum geben sollen. Die hochwertige Verarbeitung unterstreicht das Rund um die Ferse verarbeitete Leder. Dieses erhöht die Lebensdauer des Liners in diesem Bereich. Für die Verwendung von Schuhheizungen ist hier ein Einlassschlitz integriert, durch den die Verkabelung eingezogen werden kann.

Test

Die aufeinander abgestimmte, an die Anatomie des Fußes angelehnte Form von Schale und Innenschuh, sowie die praktischen Bootfitting Features (C.A.S Innenschuh) ermöglichen eine sehr gute Passform. Unter anderem ist dadurch der Fersenhalt top. Bei (sehr) kalten Temperaturen wird die Schale bockhart und kann schon einmal das eine oder andere Schimpfwort während der Vorbereitung auf die Tour am Parkplatz auslösen. Die etwas schmale Zunge des Innenschuhs kann dann, wenn nicht hundertprozentig an der richtigen Stelle, schon einmal kurz unangenehm drücken. Etwas Abhilfe schafft hier die Thermoanpassung des Innenschuhs.

Im Aufstieg
Die Schaftrotation von 42° geht für einen eindeutig abfahrtsorientierten Tourenskischuh in Ordnung. Der Unterschied zu Tourenstiefeln mit einem Rotationswinkel über 70° ist zwar bemerkbar, mit offenen Schnallen (für den Aufstieg gibt es einen extra Haken zum Einhängen - siehe Fotos) und sehr lockerem Strap kann man jedoch noch etwas nachhelfen und ein zufrieden stellendes Ergebnis erreichen. Einzig in der Rotation der oberen Schale nach hinten stoppt beim flachen Vorschieben des Skis (z.B. bei großen Schritten) bald einmal im Bereich der Achillessehne die stark ausgeprägte Schale die Bewegung. Man hat dann das Gefühl, dass man versucht die Achillessehne über eine Kante zu beugen. Die Bewegungen der Schale samt Innenschuh im Aufstieg sind flüssig und keine Teile sind sich im Weg oder scheuern aneinander. In Kombination mit einer Pin Bindung bremst der Cochise die Ambitionen auf lange Touren deutlich weniger als frühere Freeride Boots mit Aufstiegsfunktion. Auch mit mittlerer Fitness sind Touren bis über 1000 hm realistisch bzw. der Skischuh als Ausrede für verpasste Konditionseinheiten im Sommer nur mehr sehr schlecht geeignet.

In der Abfahrt
Sind die Schnallen am Cochise zu und der Gehmechanismus im Ski Modus, spielt der Tecnica Boot seine Stärken voll aus. Flex und Abfahrtsverhalten sind von einem Alpinboot kaum zu unterscheiden. Der vom Hersteller mit 130 angegebene Flex (es gibt hier jedoch keine Norm!) ist hart, aber man hat nie das Gefühl "anzustehen". Waren manche Freerider mit vergleichbarer Flexangabe noch in einigen Bereichen doch recht weich oder hatten Spiel in der Gehfunktion, so liefert der Cochise jedoch die hervorragende Abfahrtsperformance, die der Hersteller verspricht. Der Boot ist dann schnell einmal nicht mehr das schwächste Glied in der Kette (im Fall des Testers sind das - mit entsprechenden Ski - klar wieder die Oberschenkel...). Wie bei allen Boots ist der Flex abhängig von der Temperatur, aber selbst nach einer Nacht in der warmen Stube muss man sich anstrengen, um den Schuh ganz "durchzudrücken". Der Powerstrap hat natürlich Einfluss auf den Flex, dieser lässt sich jedoch sehr gut dosieren. Alles in allem sitzt mit dem Cochise in der Abfahrt alles, und nichts wackelt oder hat Luft.

Fazit

Auch wenn Tecnica mit dem neuen Cochise 130 Pro noch nicht ganz die eierlegende Wollmilchsau der Freeride Boots gefunden hat, ist man auf dem Weg dorthin einen ordentlichen Schritt weiter gekommen. Die Erfahrungen aus dem Rennsport sind in der Abfahrtsperformance klar erkennbar. Wer also im Aufstieg ein paar kleine Abstriche bei Schaftrotation und Gewicht akzeptieren kann, sollte den Cochise bei der Auswahl seines Freeride Boots weit oben auf der Liste haben. Nur schade, dass er FreeriderInnen mit einem sehr breiten Fuß wohl etwas zu schmal sein wird.

Vor- & Nachteile

+ sehr gute Abfahrtsperformance
+ Passform und Anpassungsmöglichkeiten
+ Verarbeitung
- nur als "schmale" Variante mit 99mm Leiste erhältlich
- im Vergleich zu "reinen" Tourenboots Gewicht und Schaftrotation im Aufstieg

Details

  • Leistenbreite 99 Millimeter
  • Gewicht 2000 g/Stk. (Herstellerangabe bei Größe 26,5), 2290 g/Stk. (gemessen bei Größe 28,5)
  • Flex 130
  • Schuhgrößen 22,0 - 31,0
  • Sohle: ISO 5355 mit low tech rubber toe & heel
  • UVP 549 €


Hier geht es zur Website von Tecnica mit weiteren Informationen.

Dieses Produkt wurde PowderGuide kostenfrei vom Hersteller zum Testen zur Verfügung gestellt. Wie wir testen steht in unserem Test-Statement.

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