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Neue Lawinenairbag-Systeme von Scott und Black Diamond

Ein battariebetriebenes Düsengebläse und ein extrem leichtes Airbagsystem kurz vor der Marktreife

von Totti Lingott 15.01.2014
Der Lawinenairbag-Markt boomt wie kaum eine andere Sparte im Wintersport. Mittlerweile hat fast jeder renommierte Hersteller für Wintersportausrüstung einen Lawinenrucksack im Angebot. Zu den etablierten Systemen aus dem letzten Winter von Mammut/Snowpulse, ABS und BCA werden sich ab Herbst 2014 auch noch zwei neue Systeme von Black Diamond und Scott gesellen. Beide versuchen Lösungen, für die bekannte Problematik des Transports der Kartuschen während einer Flugreise innovative Lösungen zu bieten. Vor allem Black Diamonds System weckt großes Interesse mit der neuartigen Turbinen-Technik. Gerade was das Gewicht und den Preis angeht legt Scott die Latte ziemlich hoch.

In den letzten Wintern explodierte das Angebot an Lawinenrucksäcken. Ein wahrer Boom der käuflich zu erwerbenden Sicherheit (wenn auch solche Versprechen nicht immer eingehalten werden können) im Bergsport ist seit längerem ein wohlbekanntes Phänomen und schon im Winter 2012/2013 verdrängten Lawinenairbags ‚normale’ Freeride- und Tourenrucksäcke förmlich aus den Regalen. In Europa hauptsächlich zu sehen waren die Systeme von Mammut/Snowpulse, ABS und BCA – wir ignorieren hier bewusst die nordamerikanischen Systeme von Wary und Mystery Ranch, die auf dem europäischen Markt keine große Rolle spielen. Eine komplette Übersicht der Lawinenrucksäcke der Saison 2012/2013 findet ihr hier. Demnächst (nach der Ispo 2014) werden wir diese Marktübersicht für euch aktualisieren.

Im Winter 2014/15 werden zwei weitere Systeme erhältlich sein, die mit innovativen Techniken vor allem die Problematik der durch die hohen Sicherheitsauflagen erschwerten Flugreisen aufgreifen. Das Jetforce-System von Black Diamond nutzt eine aus der Weltraumforschung importierte elektrisch betriebene Turbine zum Aufblasen des Ballons.

Beim Alpride-System, welches in Scott-Rucksäcken verbaut wird, nutzt man zwar auch wieder komprimiertes Gas aus einer Kartusche, jedoch wird diese mit weniger Druck und einem anderen Gasgemisch befüllt und kann damit alle Anforderungen der IATA (International Air Transport Association) zur Mitnahme im Flugzeug erfüllen.

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Black Diamond Jetforce – keine unpraktischen Kartuschen mehr!

Vom nordamerikanischen Unternehmen Black Diamond wurde zusammen mit Pieps in den letzten Jahren ein Airbagsystem mit einem batteriebetriebenen Düsengebläse entwickelt, die den Verzicht der gasbefüllten Hochdruckkartuschen ermöglicht. An dem gleichen System arbeiten übrigens auch die Kanadier von Arc’teryx, aber dessen Marktreife wurde aus Überzeugungsgründen noch nicht für nächsten Winter ausgerufen. Das Gebläse arbeitet mit einem Akku (Li-Ionen), der beliebig oft wieder aufgeladen werden kann. Bekanntermaßen ist die Akkuleistung abhängig von der Umgebungstemperatur. Es sollen jedoch auch bei Temperaturen bis deutlich in den negativen Bereicht (es wird von - 20 Grad gesprochen) mindestens vier Auslösungen mit einer Akkuladung garantiert werden und darunter noch zumindest eine – die Tests und Entwicklungen laufen aber noch. Großer Vorteil: Man kann das System beliebig oft testen und auslösen und muss danach nicht die Kartusche zum Auffüllen schicken.

Der batteriebetriebene Ventilator befüllt einen 200 L-Airbag in 3,5 Sekunden – das ist entspricht ungefähr der Zeit, die ein herkömmlicher Airbag braucht, aber der Ballon ist um 50 L größer als die meisten anderen. Der Luftsack wurde aus einem reißfestem Material aus der Automobilindustrie entwickelt und für den Fall, dass doch ein Loch in den Ballon gerissen wird, ist die Programmierung (von Pieps entwickelt) so eingestellt, dass alle 20 Sekunden nochmals Luft nachgefüllt wird. So kann gewährleistet werden, dass für einen Zeitraum von drei Minuten der Airbag auch bei einer signifikanten Öffnung sein volles Volumen erreicht. Nach diesem Zeitraum wird dann die Ventilation umgekehrt und die komplette Luft aus dem Ballon gesaugt. Dadurch soll im Falle einer Verschüttung eine geräumige Atemhöhle geschaffen werden. Außerdem könnte die Bergung bzw. Ausgrabung u. U. damit erleichtert werden. Grundsätzlich kann das System natürlich beliebig oft ausgelöst und wieder aufgeladen werden – dies soll innerhalb von acht Stunden machbar sein.

Das System soll alle Anforderungen von der IATA erfüllen, um es mit in das Flugzeug zu nehmen. Der Akku soll von Aufbau und Größe demjenigen von Laptops gleichen und es muss beim Check-In nur extra durchleuchtet werden – wie das bei Laptops auch der Fall ist. Unserem Wissen nach ist aber noch nicht hundertprozentig geklärt, ob die IATA-Bestimmungen erfüllt werden. Bei der Markteinführung im Herbst 2014 wird es von Black Diamond drei verschiedene Rucksackgrößen geben: Pilot (11 L), Halo (28 L) und Saga (40 L). Von Pieps wird es zwei verschiedene Rucksäcke geben (Tour Rider 24 L und Tour Pro 34 L) und von Poc einen (Thorax 11 L). Gewichtsangaben werden von den Herstellern noch nicht veröffentlicht, da daran noch gearbeitet wird. Wer die Rucksäcke auf der Alpinmesse in Innsbruck mal in der Hand hatte, versteht warum. Das nächste Mal zu sehen sein, werden die Rucksäcke für das Fachpublikum bei der ISPO in München (vom 26. bis 29. Januar 2014).


Vorteile des Jetforce-Systems:

- reisefreundlich
- mehrmaliges Auslösen/Üben
- großer (200 L) und stabiler Airbag
- automatisches Nachfüllen und Entleeren des Airbags

Scott Alpride – Von der Schwimmweste zum Lawinenairbag

Für Scott stand die Entwicklung eines leichten Lawinenairbags im Vordergrund, denn Skibergsteigen bzw. -tourengehen ist beliebt und gerade für Mehrtagestouren mit voller Ausrüstung (Seil, Gurt, Sicherung usw.) sind herkömmliche Airbagsysteme zu schwer. Das Unternehmen Alpride (gegründet 2009) hatte die gleichen Vorstellungen und so wurde in den letzten vier Jahren an einer Technik gefeilt, die den hohen Qualitäts- und Gewichtsansprüchen gerecht wurde. Auch die komplizierte Mitnahme der Kartuschen auf Reisen spielte eine große Rolle. Ursprung der Idee war interessanterweise ein Rettungsgegenstand, der auf jeder Flugzeugreise an Bord ist: die sich selbstaufblasende Schwimmweste. Gefüllt ist die bzw. sind die beiden Kartuschen (zwei Kartuschen sind nötig) beim Alpride-System mit einem Gemisch aus Argon und Kohlendioxid, allerdings mit geringerem Druck (180 bar) als bei bisher herkömmlichen Lawinenairbags (meist 300 bar). Trotzdem wird der Auftriebskörper (150 L) innerhalb von weniger als drei Sekunden aufgeblasen.

Auf Basis der Rettungsweste wurde ein System entwickelt, welches deutlich leichter ist. Scott gibt das Gewicht für das komplette System mit 1,2 kg an – und welches im den Vergleich zu den bisherigen Systemen preisgünstiger ausfällt. Das komplette System soll für unter 400 Euro zu haben sein. Die Kartuschen sollen auch nur 35,- Euro kosten und sie sollen einfacher zu beschaffen sein. Wie bei den anderen auf Kartuschen basierenden Systemen, müssen diese nach dem Auslösen ausgetauscht werden und können deshalb nur einmal verwendet werden.

Scott und Alpride werden mit vier verschiedenen Rucksäcken auf den Markt kommen, wobei durch das niedrige Gewicht des Systems sogar ein Rucksack für Skitouren-Wettkämpfe realisiert wurde. Der Scott Air Mnt AP 20 soll nur 2,1 kg (inklusive des Alpride-Systems!) wiegen und hat trotzdem alle essentiellen Funktionen eines Rucksacks für’s Skibergsteigen! Die Scott Air Free AP 22 (2,5 kg) und AP 30 (2,6 kg) wurden mit Funktionen ausgestattet, die man hauptsächlich zum Freeriden braucht. Das Flagschiff in der Scott Air Reihe ist der Mnt AP 40, für genug Platz und mit allen Funktionalitäten für einen mehrtägigen Aufenthalt in den Bergen. Auch die Scott Rucksäcke werden auf der ISPO dem Fachpublikum vorgestellt. In Kürze hat PowderGuide das Vergnügen das neue Alpride-System in einem Test genau unter die Lupe zu nehmen.

Vorteile des Scott-Alpride-Systems:
- reisefreundlich
- sehr leicht (nur 1,2 kg)
- schnelles Auffüllen des Airbags (150 L in unter drei Sekunden)
- niedriger Preis: (vermutlich) ab 390,- Euro
- gute Gewichtsverteilung (System unten im Rucksack)

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Ob diese beiden Systeme auf Anhieb vom Markt akzeptiert werden, kann derzeit noch niemand sagen. Auf jeden Fall wird dadurch der Markt für Lawinenrucksäcke enorm belebt. Man kann auch hoffen, dass die Qualität der Technik weiter verbessert wird und die Preise fallen. Für die  Kunden also nur von Vorteil. Außerdem werden mehr und mehr neuartige, innovative Systeme dafür sorgen, dass die Sicherheit vorangetrieben wird. Ob man aber nun als Skitourenanfänger vom Fachhandel dazu aufgefordert werden sollte, auch gleich noch einen Lawinenairbag zu kaufen, steht auf einem anderen Blatt. Es sollte weiterhin die Aufklärung und Vermeidung einer Lawinensituation im Vordergrund stehen. Beide System werden dem Fachpublikum auf der ISPO 2014 vorgestellt und wir werden in unseren ISPO-Specials im Detail darauf eingehen.

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