Die Forscher weisen in ihrem Bericht darauf hin, dass alle ausgelösten Lawinen die Opfer in vergleichsweise günstigem Gelände erfassten, da die Versuchshänge im unteren Bereich flach auslaufen und keine starken Gefälleschwankungen wie Mulden oder sonstige typische Staubereiche aufweisen. Die vergleichsweise geringere Verschüttungstiefe der Dummies von durchschnittlich 53 cm belegt diese Annahne, da die durchschnittliche langjährige Verschüttungstiefe, wie sie die Unfallstatistik aus der Praxis zeigt bei rund 100 cm liegt.
Ergebnisse
Bei allen Versuchen befanden sich die Lawinenairbags nach Stillstand der Lawine sichtbar an der Oberfläche. Die Forscher weisen darauf hin, dass aufgrund der vergleichsweise geringen Anzahl der Tests die statistische Aussagekraft ihrer Ergebnisse begrenzt ist, weshalb sie eine sog. bootstrap simulation durchführten, die dazu dienen sollte, die statistische Zuverlässigkeit der Ergebnisse zu verbessern und zu erhöhen. (Für Details zu diesem Verfahren siehe hierzu das Paper im Original.)
Die Ergebnisse zeigen eine klare Tendenz: Die Airbagsysteme Snowpulse und ABS reduzieren die Verschüttungstiefe erheblich. Variierte die Verschüttungstiefe der Dummies ohne Lawinenairbag in 95% aller simulierten Fälle (95% Konfidenzinterval) zwischen 25-63 cm, so war die Verschüttungstiefe der mit Airbag ausgerüsteten Dummies deutlich geringer: in 95% der Fälle zwischen 8 bis max. 26 cm Verschüttungstiefe. Die angegebenen Werte der Verschüttungstiefen stellt die Verschüttungstiefe, gemessen ab den Atemwegen der Opfer-Dummies dar.
Es konnte keine Aussage darüber gemacht werden, welches Airbagsystem – Monoairbag (Snowpuls) oder Doppelairbag (ABS) die besseren Werte in Sachen Verschüttung zu erzielen vermag. Hier scheinen beide Systeme weitgehend gleichwertig zu sein.
Darüber hinaus wurde gemessen, wie stark die einwirkenden Kräfte im Kopf- und Halsbereich der Lawinendummies waren. Die aufgezeichneten Daten können möglicherweise Anhaltspunkte darstellen, welches Airbagsystem ein Lawinenopfer vor Hals- und Kopfverletzungen besser schützen kann. Und hier gibt es, bedingt durch die Bauart des Snowpulse-Airbags, Vorteile zu Gunsten des Schweizer Systems. Dies wird durch die aufgezeichneten Belastungsdiagramme gezeigt. Allerdings weisen auch hier die Forscher darauf hin, dass weitere Versuche nötig sind, um diese Ergebnisse und die These, dass das Snowpulse-System besser vor Kopf- und Halsverletzungen zu schützen vermag, zu belegen.
Die während der Lawinenabgänge auftretenden Kräfte sind enorm hoch, was dazu führt, dass in mehreren Fällen die Rucksäcke massiv von den Dummies weggezerrt wurden. So wurde der Brustgurt der Rucksäcke in mehreren Fällen bis unter das Kinn der Dummies gezerrt, was die Frage nach der Strangulierungsgefahr aufwirft. Dies unterstreicht, dass die Empfehlung von Seiten der Hersteller, zusätzliche Beinschlaufen zu verwenden, berechtigt ist. Da diese Beinschlaufen jedoch in der Praxis kaum angewandt werden, kamen sie auch in diesem Test nicht zum Einsatz.
Zusammenfassung & Diskussion
Die Verwendung von Lawinenairbags reduziert in den durchgeführten Versuchen die Verschüttungstiefe nach einem Lawinenabgang signifikant: Die durchschnittliche Verschüttungstiefe betrug bei den Dummies ohne Airbags 42 cm, bei den mit Airbags ausgerüsteten Dummies hingegen 15 cm. Die verschiedenen Bauarten der Airbags von Snowpulse und ABS haben keinen Einfluss auf die Verschüttungstiefe. Der Snowpulse-Airbag scheint jedoch den Kopf und Hals von Verschütteten zumindest teilweise vor hohen Belastungen in der Lawine zu schützen.
Der Werbeslogan eines bekannten Airbag-Herstellers "Oben bleiben, überleben!" ist zwar an sich nicht falsch, scheint aber im Lichte der Studienergebnisse mindestens zweifelhaft zu sein, da dieses Motto suggeriert, man wäre durch die Verwendung eines Airbag-Rucksackes vor der Verschüttung geschützt.
Ob die Verschüttungstiefe der Dummies adäquat die mögliche Verschüttungstiefe realer Wintersportler simuliert, muss, aufgrund der Unmöglichkeit von Menschenversuchen natürlich offen bleiben. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass Menschen durch Strampeln, Fluchtfahrten und Kämpfen möglicherweise weniger tief verschüttet werden könnten. Allerdings gilt auch hier das mögliche Gegenteil: Misslingt in der Extremsituation des Lawinenabgangs das Ziehen des Auslösegriffs, ist das Airbagsystem natürlich wirkungslos.
Die absolut kritische Größe für das Überleben von Lawinenverschütteten ist die Tiefe ihrer Verschüttung: 18 Minuten nach einem Lawinenabgang leben noch mehr als 90% der ganzverschütteten Opfer. Dank der modernen LVS-Geräte geht die Lokalisierung der Verschütteten inzwischen meist sehr schnell, wohingegen die lange Zeit, die zum Ausgraben der Verschütteten benötigt wird, in vielen Fällen über das Überleben des Opfers entscheidet.