Wer heute als modisch-versierter, moderner Freerider ohne Zusatzfeature am Skihelm gesehen wird, kann schon fast einpacken. Dank neuer Innovationen in der Kameratechnik erfahren Helmkameras eine enorme Beliebtheit. Doch es gibt einiges zu beachten, wenn man mit den dabei entstehenden Powder-Schmankerln ins Web 2.0 durchstarten will. PowderGuide hat für euch die brandheißen Spielzeuge auf Herz und Freeride-Nieren geprüft.
Die eigenen Powder-Erlebnisse und -Abfahrten im Ton und Bewegtbild festhalten, das möchten viele Outdoorsportler – und natürlich bitteschön aus der eigenen Sichtperspektive. Bis vor wenigen Jahren waren die Vorfahren der heutigen Helmkameras noch echte Bausteinklötze. Man musste schon einen gewissen Masochismus mitbringen, um sich diese mehrere Kilo schweren Brummer an den Kopf zu hängen.
Inzwischen gibt es eine ganze Palette an Anbietern, die mit verschiedenen Systemen versuchen, die Gunst der Freizeitsportler als Käufer zu gewinnen. Die vielen System sind mehr oder weniger gut geeignet für die weit auseinander liegenden Anforderungen der verschiedenen Einsatzgebiete. Speziell an die Zielgruppe der Outdoor- und Extremsportler wenden sich nur wenige Hersteller: GoPro, Twenty20, V.I.O und DRIFC heißen die unserer Meinung nach sinnvollsten Hersteller von Helmkameras für ambitionierte Freerider.
Der Test | Praxis statt Pixelvergleich
Es gibt beinahe unendlich viele technische Details bei den verschiedenen Systemen, die man miteinander vergleichen könnte. Das PowderGuide-Team hat sich jedoch vorgenommen, die Praxistauglichkeit der verschiedenen Systeme bei den harten Anforderungen am Berg zu vergleichen. Es mag spannend sein, eine Kamera zu besitzen, die im Pixel-Sensorvergleich um 1 Mikrometer ein anderes System überragt – gute Videos hat man dann aber noch lange nicht gedreht. Praktische Handhabung am Berg in der rauen Natur ist das Hauptkriterium in diesem Test.
Die Kandidaten
Durch unseren gnadenlosen Vor-Auswahltest haben es vier Kandidaten in den Praxistest geschafft. Die Go Pro HD von GoPro USA, die Countour HD 720 und HD 1080 von Twenty20, die X170 Action Kamera von DRIFC und die POV 1.5 von V.I.O.. Die Kameras wurden uns (sofern nicht vorhanden) vom Helmcam-Shop www.helmkamera-systeme.de zum Test zur Verfügung gestellt.
Testbedingungen
An mehreren Tagen wurden die Helmcams teilweise parallel bei Touren und liftunterstützten Freeride-Abfahren betrieben. Die Bedingungen schwankten zwischen Sonnenschein und Schneesturm, zwischen angenehmen 0° und bitteren minus 20° Grad C mit Windchillfaktor (gefühlter Temperatur) um minus 50°. Das gesamte Programm zwischen Frühwinter und ersten Anzeichen des einsetzenden Spätwinters.
Testkriterien
Handling – am Berg mit und ohne Winterhandschuhe
Verarbeitung der Ausgabedaten – Einfachheit der Verarbeitung und Qualität der Daten
Verarbeitung – Robustheit, Dichtigkeit, Batterielebensdauer
Bildqualität – Ausgabebilder, incl. Möglichkeit der Veränderung
Zusatzfeatures – Halterungen, Qualität der Halterungen, weiteres optionales Zubehör
Preis/Leistung – subjektive Meinung zu gebotener Leistung zum Freeriden bei nötiger finanzieller Investition.
Die Detailergebnisse
Eins steht fest, keine Kamera ist wirklich durchgefallen. Dennoch kristallisieren sich die einzelnen Spezifikationen als mehr oder weniger gelungen für den harten Winter-Freerideeinsatz heraus. Alle Kameras haben auch dichten Schneefall, wie auch die ein oder andere (natürlich stets beabsichtige und geplante) Schneedeckenuntersuchung schadlos überstanden.
Die XC170 Action Kamera lockt mit einem niedrigen Einstiegspreis von 199.- Euro. Robust verarbeitet punktet sie nicht nur bei den Anschaffungskosten, sondern auch mit der Durchhaltefähigkeit: keinerlei Aussetzer. Positiv ist weiterhin die einfache Bedienung an der Kamera und der mitgelieferten Fernbedienung auch mit dicken Handschuhen. Der Betrieb mit zwei handelsüblichen Mignon-Batterien hat den Vorteil, dass man meist schnell und günstig Nachschub besorgen kann. Die Betriebsdauer stellt sich mit Einwegbatterien als ausreichend für ein bis zwei Skitage heraus (je nach Temperatur). Wiederaufladbare Batterien verringern diese Einsatzzeit mitunter stark.
Negativ sind hingegen das hohe Gewicht und die großen unhandlichen Maße der Kamera. Die mitgelieferten Halterungen sind für Freerider untauglich. Die gedachte Helmhalterung scheitert an den oft nicht vorhandenen Lüftungsschlitzen im Helm und die Brillenband-Halterung am durch die Wuchtigkeit des Bodys entstehenden Wackeln. Auch braucht man eine weitere Person um sicher zu gehen, dass die Kamera aufnimmt oder nicht. Die Bildqualität ist dem Preis angemessen, reicht aber bei weitem nicht an die nur 100.- Euro teureren Konkurrenten heran.
Die V.I.O. POV 1.5 mit einer UVP von 599.- Euro scheint auf den ersten Blick etwas veraltet. Schließlich muss man eine Aufnahmeeinheit und eine mit einem Kabel verbundene Fingercam erst mal richtig verstauen. Das System ist sehr robust und hält auch harten Einsatz aus. Die Bildqualität wurde zum Vorgängermodell 1.0 verbessert, hinkt aber weiterhin den moderneren Konkurrenten Contour und GoPro hinterher. Insbesondere den Weißabgleich und wechselnde Verhältnisse bei Bluebird-Bedingungen mag der Sensor offensichtlich gar nicht. Das waagerechte Einstellen der Fingercam wird durch einen kurzen Blick auf das im Aufnahmegerät integrierte Display wesentlich vereinfacht. Bedienen lässt sich die Kamera bequem per Fernbedienung auch mit dicksten Handschuhen. Durch das niedrige Gewicht und die kleinen Ausmaße sind den Montagemöglichkeiten beinahe keine Grenzen gesetzt. Bleibt der vergleichsweise hohe Kaufpreis in Verbindung mit der nicht herausragenden Abbildungsqualität.
Die Go Pro HD macht auf den ersten Blick nicht den Eindruck einer gelungenen Helmkamera. Quadratisch mit den Ausmaßen einer Zigarettenschachtel sitzt sie mit der mitgelieferten Halterung erhaben auf einem Sockel am Skihelm und erzeugt verdutzte Blicke in so mancher Gondel. Das war’s dann aber schon an Negativpunkten. Die Bildqualität, der automatisch arbeitende Weißabgleich und die Möglichkeiten die Aufnahmeeinstellungen am Berg zu verändern sind die herausragenden Fähigkeiten dieser Kamera. Der Preis von 349.- Euro inklusive Helm- und weiterer Montagemöglichkeiten sind mehr als gerechtfertigt. Für experimentierfreudige Kameraleute werden weitere Montagesets optional angeboten, die sich wie auch die mitgelieferten Halterungen hervorragend mit den verschiedenen Optionen bei den Bildaussmaßen und der Bildqualität ergänzen.
Die Verarbeitung und Robustheit sind top. Es sollte lediglich darauf geachtet werden, die Kamera bei Außentemperaturen ins Gehäuse zu stecken, da es hier sonst zum Beschlagen zwischen Kamera und Gehäuse kommen kann. Die Kamera ist absolut dicht, bietet zwei Rückendeckel für verschiedene Anforderungen, die auch einen vergleichsweise guten Sound ermöglichen. Um die Kamera bei Helmmontage aus Unvorsichtigkeit z. B. an Sesselliftbügeln nicht zu verlieren, empfehlen wir, ihr eine zusätzliche Sicherheitsleine umzubinden. Die Lebensdauer der Akkus sind auch bei tiefen Temperaturen für einen Tag Action ausreichend. Mit der bald erhältlichen Fernbedienung und dem Zusatzakkupack ein rundum sorglos Paket.
Die Countour HD 720 und HD 1080 machen optisch einiges her. Insbesondere bei Brillenband-Montage sehen die kleinen Geräte richtig schick aus und produzieren so manch neidischen Blick. Auch das Handling am Berg begeistert. Per Knopfdruck bzw. Regler vor/zurückschieben nimmt man die Kamera selbst mit Fäustlingen sicher in Betrieb. Diverse durchdachte Montagemöglichkeiten werden vom Hersteller optional angeboten, die mitgelieferte seitliche Brillenband und Helmmontage produziert jedoch verwackelte Aufnahmen bei harten Bedingungen. Bei der Selbstmontage z.B. mit Ducttape stößt man aufgrund des oben liegenden Reglers an seine Grenzen.
Probleme mit den Montagemöglichkeiten treten besonders bei harten Bedingungen auf. Hier die nicht optimale seitliche Montage der Contour-Modelle. Brillenbandmontagen verhalten sich generell ähnlich verwackelt.
Skiing some lines in Switzerland from Roger Zimmermann on Vimeo.
Bei der Bildqualität unterscheiden sich die beiden Modelle stark. Die günstigere Variante HD 720 mit einem Preis von 259.- Euro unterscheidet sich nicht nur in der Zahl der maximalen Bildlinien, sondern auch im Besonderen durch einen schlechteren Sensor vom größeren Bruder. Gerade schnelle Licht-Schattenwechsel sind nicht die Stärke dieses Sensors. Die neuere Version HD 1080 ist hier wesentlich besser, reicht aber auch nicht ganz an das Niveau der Go Pro Hd heran. Ein weiterer Nachteil ist der automatisch nicht reibungslos laufende Weißabgleich – hier muss man zuvor am PC die Bildeinstellungen vornehmen (Beispiel mit falsch eingestelltem Weißabgleich). Hatte man die richtige Vorahnung, sind die Ergebnisse (abgesehen von minimalen Details) mit der Go Pro HD pari. Positiv sticht dagegen die mitgelieferte Bearbeitungs- und Einstellungs-Software hervor, das Best Practice System, wenn’s um die Nutzerfreundlichkeit geht. Die Lebensdauer der Akkus ist auch bei frostigen Verhältnissen mit einem bis zwei Tage ausreichend bemessen – allerdings kann es bei sehr niedrigen Temperaturen zum Komplettausfall kommen. Grenzwert scheinen hier etwa -20° Celsius bei zusätzlichem Wind/Fahrtwind zu sein.
Der Direktvergleich
Alle getesteten Systeme haben ihren Einsatz gut überstanden. Das Handling war bei allen Modellen mindestens befriedigend, könnte aber durch die Bank weg noch verbessert werden. Am besten schneidet hier die POV 1.5 und die Go Pro HD ab. Die Contour-Modelle folgen wegen ihrer nötigen Voreinstellung am PC auf den hinteren Rängen. Die ausgegebenen Dateien sind bei allen Systemen in Ordnung. Hier empfehlen wir dringend, sich vor dem Kauf über die Verarbeitung der Dateien Gedanken zu machen. Ein in die Jahre gekommener Prozessor mit 2.0 Gigahertz reicht bei weitem nicht aus, um die großen Dateimengen zufrieden stellend zu verarbeiten. Auch sollte die Wahl der Kamera in Verbindung mit der möglichen Weiterverarbeitung der Daten gesehen werden. Ein einfaches System bieten die Contour-Modelle von Haus aus an.
Von der Robustheit der Gehäusematerialien haben uns alle Modelle überzeugt, ebenso von der Dichtigkeit gegenüber Nässe. Die Batterieleistung könnte durchweg etwas besser sein – dies liegt aber naturgemäß an den Eigenschaften der Akkus bzw. Batterien. Wir empfanden bei allen Modellen (außer XC170) die Möglichkeit ausschließlich per USB-Anschluss laden zu können nicht optimal. Abhilfe schaffen optional erhältliche Ladestationen.
Bei der Bildqualität merkt man stark die verschiedenen Innovationen in der Sensortechnik: Die neuesten Modelle Go Pro HD und Contour HD 1080 stehen weit vor den älteren Modellen Contour HD 720, POV 1.5 oder der günstigen XC170. Die Go Pro HD steht hier mit dem automatischen hervorragend und schnell arbeitendem Weißabgleich und den diverse Möglichkeiten knapp vor der Contour HD 1080. Auf den Plätzen folgen die POV 1.5, die Contour HD 720 und die XC170.
Zusatzfeatures gibt es insbesondere bei den Contourmodellen und der Go Pro reichlich – allerdings lassen sich dies die Hersteller auch bezahlen. Beim Merkmal Preis/Leistung überzeugen uns alle Modelle, außer das POV 1.5-System. Da es hier aber nur eine Frage von wenigen Wochen ist, bis der Hersteller entsprechend nachbessert, kann auch hier der Rotstift in der Tasche bleiben. Die beiden Modelle Contour HD 1080 und Go Pro HD um 350.- Euro bieten wesentlich bessere Ergebnisse bei gutem Handling, als die vergleichsweise günstigeren Modelle Contour HD 720 und XC170. Aber auch diese beiden Modelle werden preisbewusste Käufer nicht enttäuschen.
On-snow review of GoPro HD, ContourHD, and ContourHD 1080 from Lee Lau on Vimeo.
Fazit
Konkurrenz belebt das Geschäft. Diese alte Händlerweisheit trifft auch auf den Markt der Helmkameras zu. Egal welches System man wählt, gute Ergebnisse hängen stark am Nutzer selbst. Eine richtige Einstellung der Kamera, überraschende, abwechslungsreiche und ungewöhnliche Perspektiven, aber auch die gekonnte Verarbeitung der Ausgabedaten haben einen wesentlich größeren Einfluss auf ein gelungenes Point of View (POV)-Video als die Auswahl einer dieser Kameras. Dennoch können sich mehr oder weniger gelungene Favoriten herauskristallisieren, die den Traum vom perfekten Homevideo in greifbare Nähe rücken. Die POV 1.5 belegt zwar aufgrund des vergleichsweise hohen Preises den letzten Platz, dennoch begeistert sie mit einfachem Handling, Robustheit und guter Bildqualität. Auf Rang vier kommt die XC170 Sportscam. Der geringe Einstiegspreis, die gute Bildqualität und das Handling werden nur von der klobigen Optik und den wenig gelungenen Montagesets getrübt. Bronze erreicht die ältere Version der Contour-Reihe, die HD 720. Sehr gutes Handling, niedriger Preis, einfache Verarbeitung und gute Bildqualität zeichnen sie aus. Den vordersten Platz an der Sonne würden sich fast die beiden Modelle Contour HD 1080 und Go Pro HD teilen – wären da nicht die Aussetzer der Contour-Modellen bei sehr(!) tiefen Temperaturen. Dennoch punktet sie mit der coolen Optik, einfachem Handling und Datenverarbeitung – die extrem große Fangemeinde wächst nicht ohne Grund sehr stark. Testsieger ist demnach die Go Pro HD, zwar ist sie designtechnisch alles andere als ein gelungener Wurf, damit haben sich ihre Nachteile aber auch schon erschöpft. Das derzeit ausgereifteste System für Powderjäger – mit der angekündigten Fernbedienung für das Handgelenk sicherlich umso mehr.
Disclaimer
Der vorliegende Test wurde unter den angegebenen Kriterien subjektiv bewertet. Die Ergebnisse sind daher nur für den angegebenen Testrahmen gültig und entsprechen keinen wissenschaftlichen Gütekriterien. Die Tester handelten nach bestem Wissen und Gewissen. Die Produkte wurden von www.hekasys.de bereitgestellt.