Am Anfang war das Splitboard, oder so ähnlich. Auf alle Fälle wurde das in zwei Teile zerlegbare Brett einiges vor den heutigen, alpinfähigen Schneeschuhen für Snowboardtouren verwendet. Wieso Splitboards seit einigen Jahren wieder stark im kommen sind und wo die grössten Unterschiede zum Touren mit Schneeschuhen liegen, versuchte ich in diesem Erfahrungsbericht zusammengefassen.
Es waren zur Abwechslung mal nicht Amerikaner, sondern Bayern, welche auf diese Idee gekommen sind. Ein normales Snowboard wird der Länge nach in zwei oder drei skiartige Teile zerlegt. Diese werden mit einer Kante und einer Bindung versehen, und voilà, aus einem Snowboard werden Skis. Doch wirklich raffiniert wird es erst, wenn aus den Einzelteilen wieder ein richtiges Snowboard wird. Mit diesem Prinzip der Verwandlung lässt es sich bequem den Berg hinauf steigen und gewohnt runter surfen, so die Überlegung der Erfinder vor über zwanzig Jahren. Das Splitboard war geboren; und dies schon zu der Zeit als Neonfarben und Schwalbenschwanz-Bretter die Snowboarderszene prägten. Heute steht dem Snowboardtourer ein breites Angebot an Splitboards mit einem perfektionierten Bindungssystem zur Verfügung.
Glarner Sprinter
«Ich sage mir jeden Winter, im Frühling nehme ich dann wieder die Schneeschuhe hervor», doch seit rund vier Jahren ist Kuse, ein Snowboardtouren-Urgestein aus dem Glarnerland, seinen zwei Splitboards von Voilé und Burton treu. Kuse ist definitiv angefressen vom Touren, egal ob Sonnenschein oder Schneesturm. Wenn es richtig hudelt und stürmt, zieht er auf seiner Terasse oberhalb von Schwanden die Felle auf die Unterseite der zwei Bretthälften, fixiert die Bindungen mit einem Splint darauf und zieht seine Spur wie schon unzählige Male zuvor auf die schöne Schönau, seinen Hausberg. Rund 35 Mal ist er auf dem Tödi gestanden und in Kanada war er auch schon zum Snowboardtouren. «Die Skifahrer dort hatten uns belächelt, als wir mit den Brettern ankamen. Am Ende waren es dann aber wir mit den Splitboards, die durch den hüfttiefen Schnee fertig gespurt haben. Und auch bei der Abfahrt waren wir mit den Brettern im tiefen Schnee vergleichsweise ganz gut unterwegs.» In vierzehn Tagen, wobei ein An- und ein Abreisetag dabei waren, hatten Kuse und sein Freund rund 24'000 Höhenmeter in den Beinen. «Dann sind wir aber auf dem Zahnfleisch gegangen», meint er lachend.
Ein Pulverwerkzeug
Praktisch kein anderes Aufstiegsgerät hat so viel Auftrieb im Schnee wie das Splitboard. Es ist ein wahres Pulverwerkzeug. Hinzu kommt die beflügelnde Tatsache, dass im Vergleich zum Snowboardtouren mit Schneeschuhen, wo das Brett auf dem Rücken getragen wird, ca. 5–6 Kilo weniger Last auf die Schultern drücken. Die eigene Angriffsfläche an windigen Tagen ist ebenfalls kleiner und so schüttelt es bedeutend weniger. So wird das Anlegen einer Spur auch im jüngsten und tiefsten Pulverschnee zu einer freudigen Mission. Kommen zum Neuschnee auch noch längere Distanzen oder viel Gepäck hinzu, zeigt sich das Splitboard von seiner besten Seite und wird enorm effizient. Ich erinnere mich noch genau an meine erste Tour mit dem Splitboard, es war wie Fliegen – so leicht ging das.
Bretttüftler
Erst fünf Jahre nachdem die beiden Bayern, Stefan Schiele und Werner Früh 1989 ein Schutzrecht auf dreiteilige Snowboards angemeldet und wenig später eine erste Serienproduktion unter dem Namen T3 gestartet hatten, kamen die Gründer des heute weit verbreiteten Voilé-Bindungssystem auf die gleiche Idee. Brett Kobernik und Mark Wariakois aus den USA liessen 1994 das erste zweiteilige Spiltboardsystem patentieren. Ein Jahr später waren die ersten zweiteiligen Spiltboards auf den Markt erhältlich. Das Voilé-System war vom Prinzip her schon so durchdacht und ist dann im Detail noch weiter perfektioniert worden, dass es sich bis heute als das Splitboard-Bindungssystem schlechthin durchgesetzt hat. Auch bei grösster Kälte und Schneetreiben hat diesen System bei mir noch nie Probleme gemacht. Und so sind heute nicht nur Voilé Spiltboards mit dieser Technik ausgerüstet, sondern rund eine handvoll Bretthersteller beziehen bei Voilé die Lizenz, um diese Bindung auf ihre eigenen Splitboards montieren und verkaufen zu dürfen.
Eine Ausnahme gibt es jedoch immer: Atomic entwickelte vor rund zwei Jahren ein eigenes Splitboard inkl. Bindungssystem. Poacher nennt sich das Modell, welches durchaus funktioniert und vor allem auch preislich überzeugt.
Und was ist aus dem dreiteiligen System T3 der Erfinder aus Bayern geworden? Es gibt es noch immer und wird von «Jester Snowboards» und «Powder Equipment» in Konstanz auf ihre eigenen Bretter gebaut. Laut den Erfindern lässt es sich mit den Brettern in Skibreite viel leichter traversieren als mit den breiteren Zweiteilern. Eine vorhandene Skispur kann so ebenfalls effizienter genutzt werden. Dafür sind diese Bretter schwerer und am Rücken ist doch wieder eine lange Latte, das dritte Mittelteil eben.
Das Splitboard Poacher von Atomic
Szenenwechsel. Ich bin im Berner Oberland mit Extremsportler Ueli Kestenholz. Er nutzt zum Touren das relativ neue Splitboard von Atomic. Ueli ist begeistert vom Brett, welches in seiner zweiten Auflage fast ausschliesslich aus recyclierten Materialien gefertig wird. So verwendet Atomic z.B. Bambus für den Flex des Brettes: «Ich war zu beginn skeptisch ob das Ding wohl auch bei harten Abfahrtsbedingungen taugt. Als ich mich aber erst einmal an die etwas spezielle Form gewöhnt hatte, war es super spassig zu fahren, auch auf der Piste.» Und das gilt übrigens für alle Splitboards. In der Abfahrt spürt man von der Teilbarkeit des Brettes praktisch nichts mehr. Es geht keine Schneeflocke Spass verloren, im Gegenteil. Splitboards werden speziell für das Fahren abseits der Piste entworfen und haben so zum Beispiel mehr Auftrieb im Pulverschnee, ermöglichen durch spezielle Taillierungen sanftere Kantenwechsel und die Bindungsbohrungen sind nach hinten versetzt. Ueli zeigt mir dann noch was er mit dem Brett am liebsten anstellt; mit Vollgas meterhohe Schneewolken in den blauen Himmel fegen, voller Flow in die nächste Kurve liegen und dabei mit der Hand den Schnee streifen und grinsen.
Ueli Kestenholz demonstriert das Zusammenbauen seines Splitboards Atomic Poacher
Vier Kanten und ein paar Probleme
Genug gelobt. Auch die etwas gewöhnungsbedürftigen Seiten des Splitboards sollen nicht unerwähnt bleiben. Kuse packt aus: «In einem steilen Gipfelhang stand ich in einer Spitzkehre, als der Ski unter mir verreiste. Ich stürzte nach vorne mit dem Kopf nach unten und rutschte sofort mit einem Höllentempo den hart gefrorenen Hang hinunter…». Das Kuse nur mit Prellungen, Schürfungen und Verbrennungen davon kam, war pures Glück.
Doch tatsächlich habe auch ich das immer wieder festgestellt. Bei bockharten Schneebedingungen ist es auf dem Splitboard sehr schwierig auf den Kanten Halt zu finden. Da bleiben nur noch die ca. 20cm langen Harscheisen, welche sich unter der Bindung tief in den Schnee krallen. Wo Skifahrer gemütlich ohne Harscheisen unterwegs sind, da montiert der vorausblickende Splitboarder schon mal die scharfen Eisen. Fehlender Kantendruck kommt vor allem mit weichen Softboots und herkömmlichen, wenig steif gebauten Snowboardbindungen vor, welche wohl gesagt im Pulverschnee auf dem Splitboard problemlos funktionieren, bei steilen Traversen aber Ärger machen. Die Kraftübertragung bei zu weichen Schuhen und Bindungen ist nicht genügend, um damit lange im steilen, nicht trassierten Gelände zu gehen. Neue Softboot-Bindungen von Spark R&D und Voilé, welche speziell nur für die Anwendung auf Splitboards entwickelt wurden, bringen die Kraft etwas besser auf die Kanten und sparen zudem Gewicht. Optimal für die Kontrolle auf dem Splitboard ist jedoch ganz klar die Variante Schalenschuh und Plattenbindung, also wie beim Skitouren. Erschwerend in steilen Traversen ist bei den zweiteiligen Splitboards sicherlich auch die Breite der Skis. Da verspricht das dreiteilige T3 System, wo die Skis nicht breiter als normale Tourenskis sind, die Lösung.
Schöne Aussichten und befreit auf Touren
Ohne Brett auf dem Rücken und gemeinsam in einer Spur gehend, kommen sich Snowboardtourer und Skitourer nicht nur optisch näher. Snowboardtourer welche oft mit Skifahrer unterwegs sind, wissen wie anstrengend es sein kann mit den Schneeschuhen bei jedem Schritt in der Skispur 20cm einzusacken und so hinterher zu trotten. Wer also aus solchen Gründen auf die Ski zurück steigen möchte, dem muss hier unbedingt das Splitboard empfohlen werden. So rasant wie sich in den vergangenen Jahren die Splitboard-Technologie entwickelte, werden die Bretter immer noch besser und die Nachfrage wird steigen. Ein kleiner Wehmutstropfen liegt einzig bei den Anschaffungskosten. So muss für ein neues Brett mit Bindungen, Fell und Harscheisen zwischen ca. 800 bis 1200 Euro (1200.– und 1800.– Franken) hingelegt werden. Nach den ersten befreienden Schritten im frischen Pulver scheinen diese Kosten aber mehr als gerechtfertigt.
Tipps zum erfolgreichen Splitboarden
Bretter
Es gibt mittlerweile eine breite Palette an Splitboards in allen Längen und Formen. Unter www.4mountains.ch finden sich nicht nur verschiedene Modelle mit dem Voilé-Bindungssystem, sondern es gibt auch immer wieder Möglichkeiten verschiedene Bretter und Bindungen zu testen. Das «Atomic Poacher» findet sich vereinzelt in Sportfachgeschäften.
Bindungssysteme
Das «Atomic Poacher» kommt inklusive den speziell dafür entwickelten Softbindungen. Das Umrüsten wird mit den mitgelieferten Harscheisen getätigt, was etwas gewöhnugsbedürftig ist und bestimmt noch verbessert werden kann. Das Voilé-Bindungssystem ist einiges ausgereifter. Auf dieses kann entweder eine eigene Bindung, oder eine speziell nur für das Splitboard konzipierte Bindung von Spark R&D oder Voilé montiert werden. In diesem Fall spart man zwar viel Gewicht, aber bestimmt kein Geld.
Das T3 System wird vom Erfinder Werner Früh nach wie vor angeboten. Wie gut es sich im Gelände bewährt, konnte im Rahmen dieses Tests nicht in Erfahrung gebracht werden. Zu beziehen sind die Bretter bei Powder-Equipment in Konstanz.
Felle
Sind bei allen Splitboards inklusive und aus dem gleichen Material wie Skitourenfelle.
Harscheisen
Gibt es für alle Bindungssysteme und gehört zu jeder Splitboard-Tour ins Gepäck.
Steigeisen
Wer mit Softboots unterwegs ist, egal ob mit Schneeschuhen oder teilbarem Brett, sollte immer Steigeisen im Rucksack haben.
Schuhe
Softboots oder Skitourenschuhe mit Plattenbindung. Wenn man sich für Softboots entscheidet, dann am Besten ein möglichst steifes Modell wählen.
Weitere Infos für Splitboard-Interessierte
Splitboard-Plattform
Splitboarders
Splitboard mit Voilé Systemen
4Mountains
Splitboards.eu
Atomic Splitboard
Atomic Poacher
Splitboards mit dem T3 System
Powder Equipment
Jester Snowboards
T3 Splitboards