Das Plus an Fahrspass im Pulverschnee war durch den Wechsel auf Ski mit Rocker jedenfalls mindestens genauso groß wie beim Umstieg von Slalomcarvern auf „Fat Skis". Und siehe da, auch einen gerockerten Ski mit 120mm unter der Bindung kann man noch auf der Piste fahren. Na gut, bei der WISBI-Strecke (für alle nicht-Österreicher: WISBI steht für Wie Schnell Bin Ich) mit automatischer Zeitnehmung schaff ich nicht mehr die Tagesbestzeit, aber im Verglich zu den Skilehrer-Anwärtern mach ich immer noch eine super Figur auf der Piste. Es dauerte mehrere Jahre bis ich erkannte, dass Pistenperformance das allerletzte Kriterium bei der Wahl meines Powderskis sein sollte. Piste und Powder sind zwei derart unterschiedliche Medien, dass die Anforderungen an das Material kaum unterschiedlicher sein könnten. Erst durch den Verzicht auf Sidecut schaffte ich es, wie beim Umstieg auf Fat-Skis und Rocker, den Fahrspass im Powder auf ein völlig neues Level zu heben.
Reverse Sidecut nennt sich der von Shane McConkey erdachte Shape, bei dem sich die breiteste Stelle in der Skimitte befindet und der Ski zum Tip und Tail hin leicht schmäler wird. Kombiniert mit Reverse Camber (Rocker) ergibt das einen sogenannten Full Reverse Shape. Die größten Vorteile im Pulverschnee gegenüber herkömmlichen Designs sind eine deutlich erhöhte Drehfreudigkeit, sowie die signifikante Reduktion von Double-Ejects bei Powderlandings ohne den Z-Wert der Bindung in den gelenksschädigenden Bereich schrauben zu müssen. Warum? Die schmäleren Tips und Tails verhindern, dass der Ski im Schnee einhakt und ermöglichen es, den Kurvenradius frei zu wählen. Durch das geringere Schwunggewicht kann der Turn mühelos mal mehr, mal weniger angedriftet werden. Ein einmaliges Fahrgefühl, dass sich mit keinem anderen Shape erreichen lässt! Die breite Plattform unter der Bindung sorgt außerdem für ein gleichmäßiges Einsinken der Ski bei Powderlandungen. Beim gewöhnlichen Sidecut hingegen muss die schmalste Stelle das gesamte Körpergewicht aufnehmen und die breiteren Tips und Tails bleiben näher an der Schneeoberfläche. Die Ski biegen sich dadurch oftmals so stark, dass die Bindung sich gezwungen fühlt, den Schuh mitsamt Skifahrer zu befreien und in einen mehr oder weniger angenehmen Tomahawk zu entlassen.
Um in den Genuss dieser und weiterer Vorteile zu kommen muss man sich voll auf den Ski einlassen und auch gewillt sein, seinen Fahrstil ein wenig an das Material anzupassen. Was bis vor kurzem in vielen inneralpinen Skischulen das Landes klischeehaft homophob als „schwuler Schwung" bezeichnet wurde, ist mittlerweile Hauptbestandteil der Revolution des österreichischen Skilehrplans, wie eine Mitarbeiterin von „Die Welt" unlängst auf einer vom Tourismusverband Pitztal „unterstützten" Reise in Erfahrung brachte. Driften will gelernt sein, nicht umsonst hat Shane McConkey damals eine Gebrauchsanweisung für den allerersten Full Reverse Ski, den legendären Volant Spatula, verfasst – Prädikat wertvoll! Die Kurzfassung für alle Shane McConkey Fans die immer noch mit Sidecut durch den Powder pflügen:
„1. Sidecut is NOT good in powder.
2. Camber is NOT good in powder.
3. Carving is NOT necessary in the powder."