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Interviews

Interview | Expedition zum Mount Logan

Helias Millerioux, Thomas Delfino und Alexandre Marchessau im Gespräch

von Jan Imberi 19.03.2022
Die beiden Bergführer Helias Millerioux und Alex Marchesseau, sowie Snowboarder Thomas Delfino und River-Guide Gregory Douillard berichten von ihrer spektakulären Sea-to-Sea Expedition am Mount Logan. Über den Malaspinagletscher zum Mount Logan und den Copper River runter in den Pazifik legten sie 2019 in 48 Tagen folgende Distanzen zurück: 60km zu Fuss, 200km auf Ski, 330km mit dem Raft.

Ich treffe Helias, Alex, und Thomas auf der Terrasse einer Bar in Cham am späten Nachmittag. Sie kommen gerade von einem 3 tägigen Tour mit Klienten zurück, bei dem Sie auf dem Glacier du Argentière biwakiert haben. Ihre Gesichter strahlen gleichermassen Zufriedenheit und Erschöpfung aus. Ein guter Moment, um mit ihnen bei Bier und Pizza über Ihre Expedition im Yukon Territory zu sprechen, auf der sie den Mount Logan, den zweithöchsten Berg Nordamerikas, bestiegen und mit Ski, Snowboard und Monoski befahren haben.

Jan: Erzählt mir doch bitte mal, wie es zu Eurer Idee kam.

Helias: Das ist eine langen Geschichte, die ein paar Jahre reifen musste. Es gab in der Vergangenheit bereits zwei Versuche, diese Expedition auf die Beine zu stellen, die aber unter Anderem daran scheiterten, dass sich niemand finden ließ, der bereit war sich auf dieses Abenteuer einzulassen. Ich denke es war einfach zu groß, zu gewaltig. Bis ich dann Thomas und Alex getroffen habe! Als ich mit Thomas auf der Zabardast Expedition in Pakistan war, habe ich ihm davon erzählt. Er war sofort super motiviert.

Thomas: Das stimmt nicht ganz. Als du mir das Projekt vorgeschlagen hast, dachte ich zuerst: Typ, du hast sie nicht mehr Alle!

Alex: Bei mir war es dagegen recht einfach. Helias hat mir davon in Cham bei einem Bier erzählt. Das hat gereicht und ich habe sofort zugesagt.

Helias: Aber die ursprüngliche Idee für diese Expedition wurde eigentlich auf einem Trip in Alaska geboren. Der Logan Glacier speist den in den Copper River und mündet 300km weiter in den Pazifik. Ich überlegte mir, ob es wohl möglich sei, den Berg Sea to Sea zu überschreiten.

Jan: Wie lange hat es gedauert, die Expedition vor zu bereiten?

Helias: 3 Jahre (Lacht). Nein, im Ernst, nachdem das Team komplett war haben wir innerhalb von 3 Monaten alles vorbereitet.

Jan: Eure Expedition war nicht nur aufgrund der Abgeschiedenheit sondern auch wegen der notwendigen Logistik eine Herausforderung. Immerhin habt ihr das gesamte Equipment sowie Verpflegung für die geplanten 40 Tage zu dritt auf Schlitten transportieren müssen! Was ging in euren Köpfen vor, als euch bei Ankunft bewusst wurde, dass ihr aufgrund des trockenen Winters das gesamte Gepäck anstatt zu ziehen nun für mehrere Tage tragen musstet, um zur Gletscherzunge zu gelangen?

Alex: Es hatte 20 Grad Ende April und keinen Schnee. Das war im ersten Moment ernüchternd. Was uns dabei geholfen war Tagesziele zu definieren.

Thomas: In den ersten Tagen konnten wir nur 5 Km pro Tag zurücklegen, weil wir unser Gepäck in Etappen transportieren mussten. Das war extrem ermüdend aber gleichzeitig waren wir auch super happy, an diesem unglaublich schönen Ort zu sein.

Alex: Der Gletscher ist extrem riesig. Der Einsatz unserer Drohne war daher sehr hilfreich, um den Weg durch die von Moränen zerklüftete Landschaft zu finden. Einmal mussten wir uns auch 3 Tage lang entgegen unseres eigentlichen Zieles bewegen, um eine geeignete Passage zu finden. Das war wirklich irritierend.

Jan: Zu Beginn euers Trips hattet ihr nicht nur mit Schneemangel zu kämpfen, sondern auch mit mehrtägigem Regen. Wie habt es es geschafft, trotzdem eine positive Einstellung zu behalten?

Alex: Das war nicht ideal aber nachdem wir uns bereits 3 Tage zu Fuß durch die Steinwüste zum Gletscher gekämpft hatten, konnte uns das nicht bremsen.

Jan: Habt ihr den Regen ausgesessen oder seid ihr weiter gelaufen?

Thomas: Zuerst ja, aber als es dann stärker anfing zu regnen, haben wir gezeltet damit nicht alles komplett nass wurde.

Alex: Und zusätzlich zum schlechten Wetter konnten wir den Pass nicht finden über den wir zum Basecamp gelangten.

Thomas: Und als ob das nicht genug wäre, entdeckten wir dann mitten auf dem Gletscher Bärenspuren, die uns offensichtlich folgten! Das war mental herausfordernd.

Jan: Aber ich denke, dass ihr euch im Klaren darüber gewesen seid, dass ihr früher oder später Bären begegnen werdet?

Thomas: Natürlich hatten wir damit gerechnet. Vor allem zu Beginn des Trips, aber nicht weit draussen auf dem Gletscher. Ich bin total ausgeflippt als ich das entdeckt habe. Lacht

Jan: Ihr hattet 40 Tage für euere Expedition eingeplant. Wie habt ihr eure Vorräte kalkuliert, nachdem sich der Weg zum Basecamp länger hinzog als ursprünglich geplant?

Thomas: Wir hatten Essen für 45 Tage dabei. Der Weg zum Basecamp hat doppelt solange gedauert wie angenommen. Aber wir hatten auch mehrere Tage im Basecamp eingeplant, die wir zum Skifahren und zum akklimatisieren nutzen wollten. Als wir dann im Basis Lager ankamen war klar, dass wir nur einen Versuch hatten Mount Logan zu besteigen.

Alex: Ein weiterer Grund, direkt und ohne Akklimatisation aufzusteigen war die Wettersituation. Es zeichnete sich ab, dass die Chance auf ein weiteres Wetterfenster in den nächsten Tagen unwahrscheinlich war. Deshalb haben wir uns dann nur 2 Tage im Basecamp vorbereitet und sind los. Für den Aufstieg über den Grat haben wir dann nur 7 Tage gebraucht

Jan: Warum habt ihr euch dafür entschieden, über den Ostgrat aufzusteigen?

Helias: Das war nicht nur wegen der höheren Sicherheit. Nein, der Ostgrad ist einer der schönsten und markantesten Grate des Mount Logan. Dass war eine ganz bewusste Entscheidung, die wir nicht spontan getroffen haben.

Jan: Aber einen Grat mit vollem Gepäck und schweren Rücksäcken abzufahren ist wirklich keine Kleinigkeit?

Helias: Es gibt verschiedenen Routen auf den Mount Logan. Die Normalroute war uns zu flach, andere Grate zu steil und ausgesetzt. Wir wollten eine andere, machbare Herausforderung.

Alex: Es ist aber auch eine der große Klassiker in Nordamerika. Ästhetisch, technisch anspruchsvoll, eine gute Balance eben.

Jan: Was habt ihr gefühlt als es euch gelungen war, den Mount Logan im ersten Versuch zu besteigen und ihr dann schlussendlich ins Tal abgefahren seid?

Thomas: Ich habe mich unglaublich leicht gefühlt, trotz des schweren Rucksacks.

Alex: Wir waren unglaublich high als wir ins Basecamp zurück kamen. Wir haben den Gipfel in einem Push bestiegen, ohne uns vorher zu akklimatisieren. Wir sind Teile des Grates wie geplant abgefahren. Das war einfach fantastisch, ein unbeschreibliches Gefühl. Wir wussten zwar, dass noch ein weiterer, schwieriger Teil vor uns lag, aber wir hatten unser Hauptziel erreicht. Das war ein Riesenerfolg. Alles, was dann kam, war weniger eine Strapaze sondern einfach nur Spaß!

Thomas: Ich erinnere mich lebhaft als wir in big Turns über den Gletscher zum Basecamp fuhren und vor Glück und Erleichterung geschrieen haben.

Alex: Aber da kam auch alles zusammen. Der Schnee war gut, das Wetter perfekt. Da hat einfach alles gepasst, das war pure Magie.

Jan: Ihr seid ja zu viert auf die Expedition aufgebrochen. Euer Partner Greg, der als River Guide mit dabei war, ist nicht mit auf den Mount Logan gestiegen sondern blieb während dieser Zeit im Basecamp. Dass stelle ich mir nicht ganz einfach vor, 10 Tage isoliert im Basecamp auf euch zu warten. Als ihr dann zurück im Basecamp wart hat euch Greg mitteilet, dass er den Trip nicht mit euch fortsetzen kann. Was hat das bei euch ausgelöst?

Helias: Greg war mit einer nicht ausgeheilten Rückenverletzung auf diese Trip gestartet, das war nicht ideal und Grund für seinen frühzeitigen Ausstieg. Aber es war auch nicht so, dass er uns völlig hängen gelassen hat. Wir hatten noch 24 Stunden Zeit bevor er ausgeflogen wurde, welche wir intensiv nutzten, um uns auf den Flus vorzubereiten.

Alex: Er hat uns anhand der Karten erklärt, wo die Stromschnellen sind und worauf es zu achten gilt.

Jan: Ein Crashkurs für Big River Rafting sozusagen? 

Alex: Wir mussten nicht direkt am nächsten Tag auf den Fluss. Wir hatten noch einen 10 Tagesmarsch, um vom Basecamp zur Einsatzstelle am Copper River zu gelangen. Wir hatten also nicht das Gefühl, dass durch Gregs Ausstieg die Expedition in Frage stand. Bis wir dann schliesslich zum Fluss kamen und diesen massiven, braunen und schnellfliessenden Strom sahen. Niemand sprach ein Wort. Alle dachten nur: What  the f…!

Thomas: Als wir am Fluss ankamen, hatte ich bereits für mich entschieden, nicht mit auf den Fluss zu gehen, sondern das Flugzeug, welches uns die Rafts und das Equipment bringen sollte, zurück zu nehmen. Das war eine schwierige Entscheidung, zumal ich nicht wollte, dass Helias und Alex in Schwierigkeiten geriten.

Jan:Was hat dich dazu gebracht, die Expedition hier abzubrechen?

Thomas: Ich hatte zuvor mit der Agency in Alaska telefoniert. die den Transport der Rafts organisierte. Sie meinten, dass der Fluss in dieser Saison extrem hohes Wasser hatte. Zudem waren wir nach Gregs Evakuierung drei Personen verteilt auf zwei Boote, was ziemlich suboptimal war. Ich habe keinerlei Erfahrung mit Kayaking oder Rafting. Wir hatten zwar mit Greg einen Safety Kurs absolviert, aber in den Bergen kann ich Gefahren einschätzen und weiss was zu tun ist. Auf einem wilden Fluss wie diesem nicht. Von daher war meine Entscheidung klar.

Helias: Für mich war das etwas Anderes. Ich kann zwar mit Sicherheit sagen, dass es der härteste Trip in meinem bisherigen Leben war, aber ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits soviel Energie in das Projekt gesteckt um überhaupt bis hierher zu kommen, dass Aufgeben für mich keine Option darstellte. Ich wollte es zumindest versuchen.

Alex: Ich war immer noch überwältigt von allem, was wir bis dahin erreicht hatten. Ich respektiere die Entscheidung jedes Einzelnen. Aber für mich war die Sache klar. Zudem hatten wir high end Rafting Katamarane, Trockenanzüge, zu Essen und auch ein Satellitentelefon. Von daher machte ich mir trotz meiner fehlenden Big River Kenntnisse wenig Sorgen.

Jan: Bis dahin wart ihr ja mit schwerem Gepäck unterwegs, habt wochenlang unter strapaziösen Bedingungen euer Equipment getragen, gezogen und über 200 Kilometer durch die Tundra geschleppt. In weit hat dieses neue Fortbewegungsmittel euer Gefühl des Reisens verändert?

Alex: Das ist mir noch nie so bewusst geworden wie in dem Moment als wir nach diesen anstrengend Wochen auf dem Fluss unterwegs waren. Das war wie eine Renaissance der Fortbewegung. Anstatt sich von Moräne zu Moräne zum schleppen, konnten wir jetzt Pausen machen und haben uns trotzdem fortbewegt!

Helias: Natürlich mussten wir höllisch aufpassen. Die Anstrengung lag fortan mehr in der Konzentration auf den Fluss und das Wasser und war weniger physischer Art. Retrospektiv kann ich sagen, dass ich diesen Abschnitt des Trips als den erholsamsten betrachte, trotz der für uns teilweise nicht sichtbaren Risiken der Flussfahrt. Wenn man vergleicht, wieviel Wissen es benötigte, um einen Gletscher zu überqueren war der Fluss relativ einfach zu befahren.

Jan: Abschliessend noch eine in Blick in die Zukunft. Was sind die nächsten Projekte die ihr plant. Gibt es da schon konkrete Ideen?

Thomas: Viel zu viele. Die Welt ist voll von interessanten Projekten!

Helias: Ich würde gerne ein ähnliches Projekt realisieren. Vielleicht nicht wieder per Boot sondern zu Pferd. Mal schauen. Aber du kannst nicht jedes Jahr eine Expedition wie diese machen. Das ist körperlich einfach zu hart.

Alex: Das Projekt hat uns in vielerlei Hinsicht die Türen geöffnet, denn es verbindet unterschiedliche Formen von Erfahrungen und des Reisens, was ich sehr spannend finde und mich nachhaltig inspiriert. Aber das beste daran ist, dass man eine gute Zeit mit seinen Freunden verbringen kann. Das Skifahrten bildet dabei nur den Rahmen für etwas gemeinsames, grösseres.

Alex: Aber man könnte unsere Expedition auch so beschreiben: Ein Egotrip dreier bessergestellter Westeuropäer, die ohne Rücksichtnahme auf Ressourcen und mit monströsem Aufwand ihre Selbstverwirklichung in der Wildnis suchen. Wir sollten uns immer bewusst machen, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist.

Jan: Ich danke euch für dieses Gespräch.

Das Gespräch fand am 6.03.2022 statt wurde aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt.

Eindrücke von der Expedition in bewegten Bildern:

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