Wer wissenschaftstheoretisch nur etwas bewandert ist, kennt Thomas Kuhns wegweisende Studie zur Entwicklung neuer Wissenschaftsrichtungen – welche sich auch im alltäglichen Sprachgebrauch unter dem Stichwort „Paradigmenwechsel“ eingebürgert hat. Diese Veränderungen der Lehrmeinung gehen nicht zwingend von den großen Institutionen/Playern aus, sondern von Querdenkern die konsequent ihre eigene Theorie verfolgen. Ungefähr so ist das auch mit Furberg Snowboards – einem sogenannten „early adopter“ eines neuen Designkonzepts auf Seiten der Snowboardproduzenten.
Aber der Reihe nach
Irgendwann im Jahr 2011, vielleicht auch 2012, stieß ich über einen Forumseintrag in einem englischsprachigen Internetforum auf die Snowboardmarke „furberg“. Benannt war und ist sie nach ihrem Gründer Daniel Furberg, einem erfahrenen Freerider und Ingenieur, welcher seine Shape-Ideen nicht mehr bei seinem damaligen Boardsponsor durchsetzen konnte. Daniel störte es, dass relevante, maßgebliche Entwicklungen aus dem Freeskibereich – großer Radius, Rocker, Taper –  nicht oder nur äußerst zögerlich ihren Weg in die Snowboardwelt fanden. Dabei hatten diese Verbesserungen im Freeskibereich bereits Jahre zuvor einen Paradigmenwechsel eingeläutet. Weite Radien verminderten das Verschneiden in schwierigen Verhältnissen und verbessern den Geradeaus-Lauf wesentlich – der Radius hat dagegen in tieferem Schnee keinerlei Bedeutung für die Turngröße -, ebenso wie eine getaperte Nose und Tail das Handling des Boards. Konsequent abgestimmt hatten verschiedene Skihersteller, angefangen von McConkeys Volant Spatula bis zu aktuellen Modellen verschiedenster Hersteller, bewiesen, dass diese Veränderungen deutliche Verbesserungen im Offpiste Bereich erbringen können. Trotz alledem zierte sich die Snowboardwelt, die Neuerungen einzuführen, dabei war ein reziproker Technologieaustausch schon lange ein gängiges Prinzip in der Wintersportwelt mit wechselnden Richtungen, mal vom Snowboard zum Skibusiness, mal anders herum. Man denke an Stahlkanten, Radius, Inserts, Rocker oder auch Ptex-Beläge.
Diese Vorteile im Shape wollte Daniel Furberg auch für Snowboarder nutzen, nur überzeugen konnte er seinen damaligen Sponsor damit nicht. Anstatt seine Ideen an den Nagel zu hängen, gründete er 2009 sein eigenes Snowboardlabel – furberg snowboards – mit dem bescheidenen Ziel, die besten Freerideboards der Welt zu entwickeln. Ein Ziel, dem er – um es vorwegzunehmen – ein gutes Stück näher gekommen ist.
Hardfacts: Tester und Bedingungen
Das Furberg mit einer Länge von 167 cm wurde von mir (173 cm, mit Klamotten und Rucksack ca. 75 Kg) über ein Jahr in den verschiedensten Verhältnissen getestet. Von ausgefahrenen Talabfahrten im Frühjahr über Slush, Powder und natürlich die obligatorischen, bockelharten Nordpisten im Hochwinter war alles dabei. In der damaligen Version hatte das Brett – im Gegensatz zur heutigen Version - keinen leichten Camber zwischen den Bindungen. Das Brett gibt es aktuell in den Größen 152 und 156 (als Frauenversion, gleicher Shape, andere Farbe) und 160, 164, 168, 172 cm als Männerversion zu kaufen. Bis auf die Frauenversionen in 152 und 156 (14 m Radius) haben die Bretter einen 18 m Radius, was ungefähr einer Verdopplung des Normradius von mehr oder weniger 9 m in der Snowboardindustrie bedeutet. In denselben Größen sind die Bretter auch als Splitboard erhältlich. Gewichtsmäßig sind die Bretter sowohl als Solid als auch in der Splitversion in der Mitte des Marktes zu finden. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass sowohl die Kantendicke (Materialdicke) als auch der Belag laut Herstellerangabe über dem Industriedurchschnitt liegen. Das kann subjektiv so bestätigt werden, bisher ist noch kein Stein bis zum Holz vorgedrungen – vielleicht bin ich aber einfach zu langsam oder zu leicht, oder vielleicht sogar beides ;)
Der erste Eindruck
Schon beim Einsteigen in den Lift betrachten einen die anderen Snowboarder mit erhöhtem Interesse. Solch einen Shape haben die meisten wohl noch nicht gesehen. Auch aus der Egoperspektive war der Blick aufs Brett ungewohnt, in der Mitte recht breit, die Nose und das Tail dazu relativ schmal, naja wird schon werden. Auf der Piste dann ein äußerst ungewohntes Gefühl. Das Brett ließ sich sehr einfach drehen, aber die Bremswirkung der gedrifteten Schwünge war enorm. Vergleichbar vielleicht damit, wenn man das erste Mal anstatt mit einem durchgenudelten 3er Golf in einen 5er BMW steigt und mit derselben Intensität auf die Bremse tritt, wie man es aus dem Golf gewohnt war. Ergo: Es ist ein deutlich anderes Gefühl im Bremsfuß gefragt. Ähnlich geht es einem mit dem Furberg auf der Piste. Durch seinen großen Radius hat es einen massiven Grip, der bei flacheren Pisten eine ungeahnte Krafteinwirkung auf den Fahrer weitergibt. Hätte man doch mehr Kniebeugen gemacht… Abseits der Piste ist das Gefühl dann vollkommen anders. Das Brett schwimmt hervorragend auf, lässt sich sehr gut drehen und macht intuitiv, was man von ihm verlangt.
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Fahrverhalten
Nach vielen Tagen mit unterschiedlichen Bedingungen auf dem Brett lassen sich die Hypothesen, die das Boarddesign versprachen, vollauf bestätigen. Das Brett fährt sich in jeder Form von tieferem Schnee (also auch 5 cm Firn) sehr einfach und intuitiv, lässt sich auf einer Münze drehen und hat einen sehr guten Geradeaus-Lauf. Da der Radius in Offpiste Schnee für die Turns keine wesentliche Bedeutung hat, ist genau das eingetroffen, was das Design theoretisch versprochen hat. Chapeau.
Auch auf der Piste werden die theoretischen Vermutungen – welche in diesem Fall Begrenzungen darstellen - eingehalten. Daniel Furberg hat immer betont, dass es sich bei seinem Brett nicht um ein Brett handelt, mit dem Mann/Frau die besten Carving-Erlebnisse seines Raceboardlebens hat, sondern um ein Board das speziell für die Verhältnisse „Abseits der Piste“ konstruiert wurde. Dem kann von meiner Seite nur zugestimmt werden. Das Furberg ist eine eierlegende Wollmilchsau im Offpistebereich, auf der Piste kann man damit fahren, es gibt jedoch klare Grenzen. Am besten gefällt mir das Brett onpiste, wenn es entweder sehr slushy ist (Frühjahrsverhältnisse) oder auf ausgefahrenen, eisigen Talabfahrten. Im Slush spielt das Brett seine Wendigkeit und seinen Auftrieb aus und im ausgefahrenen Gelände bin ich noch nie zuvor so souverän auf der Kante gestanden, der Extraportion Grip sei Dank. Dagegen sind hartpräparierte Carvingpisten mittleren Gefälles ein wahres Krafttraining für die Oberschenkelstrecker und auf die Dauer sehr ermüdend, dafür gibt es sicherlich bessere Bretter, aber – so fair muss man sein – dafür ist es auch nicht konstruiert worden.
Stabilität
Die Stabilität des Brettes ist sicher über dem Durchschnitt anzusiedeln. Mittlerweile hat sich sowohl was die Belags-, als auch die Kantendicke angeht noch einmal einiges im Vergleich zum getesteten Board getan. Furberg legt hier klar den Fokus auf ein stabiles Produkt und opfert diesen Gedanken auch nicht dem Altar der Gewichtsoptimierung. In Bezug auf die Verwendung von Karbon zur Gewichtsoptimierung hat Daniel Furberg ebenfalls eine klare Meinung, die erkennen lässt, dass auch Umweltschutzgedanken in seinen Überlegungen eine Rolle spielen.
„We have been experimenting with carbon on prototypes. But for solid boards it is not interesting at all. The riding performance of a fibreglass board is much better and the environmental impact is considerably smaller. It could maybe be interesting for a light weight version of the Freeride Split, for those who value easy skinning higher than riding performance. We’ll see.”
Die Splitversion
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Im letzten Frühjahr hatte ich die Möglichkeit, die letztjährigen Splitboards von Furberg auf zwei Touren zu testen. Die guten Fahreigenschaften im Gelände haben sich ein weiteres Mal auch in der Splitboardversion bestätigt. Beim Aufstieg hatte man Einerseits einen guten Grip, wozu sicherlich auch das veränderte Boarddesign (leichter Camber, statt flach unter den Bindungen) einen Teil beigetragen hat. Jedoch habe ich mit dem Vordesign keine Erfahrungen als Splitboardversion.
Auffällig ist, dass aufgrund des großen Radius, die Skikanten deutlich „grader“ sind und man deshalb weniger in alten Aufstiegsspuren hängenbleibt. Zudem ist eine geradere Kante bei härteren Verhältnissen gerne gesehen, um Stufen zu schlagen.
Fazit
Das Furberg ist meines Wissens das erste Board, das wirklich ausschließlich auf Offpiste-Benutzbarkeit hin designt wurde. Erstmals wurde dabei konsequent auf die Neuerungen der letzten Jahre im Skibereich zurückgegriffen und nicht nur einzelne Aspekte wie Taper oder Rocker verwendet. Das Board überzeugt nach einer kurzen Eingewöhnungsphase dann tatsächlich – wie versprochen - in allen Offpisteverhältnissen. Onpiste kann es ordentlich gefahren werden  - zum Extremecarving ist es jedoch nicht geeignet.
Vor und NachteileÂ
+ guter Geradeauslauf, wenig Neigung zu Verschneiden
+ gute Traversiereigenschaften
+ sehr wendig
+ schwimmt gut auf
+ sehr guter Kantengriff im steilen, eisigen Gelände
- Carven auf Pisten ist nicht seine Stärke
- Onlinevertrieb - Gibt keine Shops, in denen man es mal anschauen kann.
Informationen
Preis: Freeride: 499 Euro, Splitversion: 799 Euro
Achtung: Bis 20. November gibt es alle Solid-Bretter fĂĽr 10 % weniger!
Größen:Â