Der erste Eindruck
Sofort auffällig ist die gute Haptik des Scott G1 130: Material und Verarbeitung wirken hochwertig. Die Schale aus Elastollan fühlt sich etwas rauer an, als übliche glatte Kunststoffschalen. Auch gleich ins Auge springen einem die 4 Ergal-Schnallen, bei denen ein zusätzlicher Bügel verbaut wurde. Dieser soll verhindern, dass der Bügel der Schnalle beim Enger-Schnallen herausspringt. Da stellt sich schnell die Frage, wie oft das passiert und ob dann dieser Vorteil, den Nachteil beim Komplett-Öffnen der Schale (man muss den Bügel dann leicht anheben, um den eigentlichen Bügel herauszuziehen) wert ist. Im Praxiseinsatz zeigt sich aber schnell, dass man sich rasch an den kleinen Mehraufwand beim Öffnen gewöhnt und der zusätzliche Bügel beim Enger-Schnallen nach dem Liftfahren oder nach dem Aufstieg recht hilfreich ist. Von einem modernen Freeride-Boot würde man sich auch Tech-Inserts, oder zumindest Wechselsohlen mit solchen Inserts erwarten. Diese sucht man beim G1 130 aber vergeblich.
Der Innenschuh erinnert an jenen eines sportlichen Alpinschuhs. Er ist relativ dünn und aus eher härterem Material. Ein Schnürsystem ist nicht integriert. Die Form wirkt sehr an die Anatomie des Fußes und die Form der Schale angelehnt. Daher erinnert der Innenschuh nicht, wie bei manch anderem Freeride Boots, an einen klobigen Moonboot. Das Gefühl beim ersten Probieren stimmt. Der Schuh passt und gibt guten Halt im Fersenbereich. Für einen Flex-Index von 130 fühlt sich der G1 130 nach vorne etwas weich an. Ein Vergleich ist hier aber immer schwierig, da der Flex-Index nicht normiert ist und von den Herstellern verschieden ausgelegt wird (ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Korrektheit gibt diese Übersicht von TGR eine Idee wie weit die Flex-Angaben der einzelnen Hersteller auseinander liegen).
Schale, Wechselsohlen und Einstellmöglichkeiten
Die Schale verfügt über 4 Schnallen. Alle 4 Schnallen können über Micro-Schraubgewinde in der Länge angepasst werden und in 4 (die beiden unteren Schnallen) bzw. 5 Stellungen (die beiden oberen Schnallen) geschlossen werden. Der Strap ist aus dünnem, aber sehr beanspruchbarem Kunststoff gefertigt. Die Sohle besitzt ein Profil, dass den Einsatz bei kurzen Kletterabschnitten über Felsen ermöglichen soll. Im vorderen Teil der Sohle wurde der Bereich ausgespart, welcher bei entsprechenden Bindungen die seitliche Auslösung nach DIN ISO Norm erlaubt. Ist die Sohle vom Einsatz am Fels oder vom Spazieren am Parkplatz zu sehr abgenutzt, kann sie mit 13(!) Schrauben je Schuh gewechselt werden. Die Anzahl der Schrauben gibt einem zwar das gute Gefühl, dass Sohle und Schale fest verbunden sind, ob sich dann aber bei einem Tausch alle 13 Schrauben auch noch wirklich öffnen lassen, wird man sehen (oft kämpft man hier schon mit 8 Schrauben ganz ordentlich). Die Canting-Einstellung kann mit einem Imbus-Schlüssel verändert werden. Es stehen 2 Stellungen zur Verfügung. Der Geh-Mechanismus wird über einen Schieber mit Schlaufe auf der Rückseite des Schuhs aktiviert. Mit einer Schaft-Rotation von 25° fällt dieser aber recht bescheiden aus. Im Vergleich bietet ein ähnlicher Freeride Schuh, der Black Diamond Factor MX 40°, ein durchaus freeridetauglicher Touren-Schuh wie der Dynafit-TLT6 60°.