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News

Erfahrungsbericht & Test White Risk App

Die SLF-App im ausführlichen Test

von Helmut Gassler 16.03.2021
Der Siegeszug von Apps und damit der smartphone-basierten Orientierung und Navigation für Outdooraktivitäten war in den letzten Jahren unaufhaltbar. Die Schweizer App White Risk geht noch einen Schritt weiter und verknüpft dies mit umfangreichen lawinenrelevanten Informationen und Hintergrundmaterial (z.B. Schulungsmöglichkeiten etc.) Unser Tester berichtet über seine Erfahrungen damit, von der Tourenplanung zuhause bis zum Gipfel!

Tester und Testbedingungen

Bis vor wenigen Jahren habe ich Orientierung und Navigation unterwegs ausschließlich klassisch analog vorgenommen, lediglich bei der Tourenplanung zuhause habe ich schon seit längerem digitale Informationen mit herangezogen. Erst seit relativ kurzer Zeit verwende ich vermehrt auch einschlägige Apps für das Smartphone, wobei ich neben der Orientierung gerade für uns Freerider und Tourengeher den Hangneigungs-Layer natürlich besonders schätze.

Die App WhiteRisk selbst war für mich – obgleich natürlich dem Namen nach bekannt – vollkommenes Neuland, so dass ich als Tester wirklich als kompletter Anfänger mit dem Produkt umzugehen lernen musste.

White Risk ist ein Schweizer Produkt und erst seit einigen Jahren auch für andere Alpenländer verfügbar. Da ich am Alpenostrand stationiert bin, bietet es sich an, das Produkt speziell auch für die Alpenregionen außerhalb der Schweiz auf seine Qualitäten hin zu testen. Wie es aber der Zufall wollte, hat es mich letztes Jahr dann auch in die Schweiz verschlagen. Dadurch habe ich jetzt die Möglichkeit des direkten Vergleichs der WhiteRisk App in und außerhalb der Schweiz.

Für dieses Review beschränke ich mich auf die wesentlichen Funktionen, d.h. Tourenplanung zuhause (inkl. Einschätzung der Lawinengefahr) sowie Navigation / Orientierung während der Tour. Andere Funktionsbereiche (Lernmaterial, Präsentationen und Schulungen zur Lawinenkunde) stehen auch zur Verfügung, ich gehe aber hier nicht näher darauf ein.

Die Testbedingungen waren durchwegs real. Die Touren fanden im Winter 2019/20 und im heurigen Winter 2020/21 statt. Dabei habe ich überwiegend für mich völlig neue Touren damit unternommen und dabei vielfach White Risk als exklusives Planungstool herangezogen. Im Vorjahr war ich mit einer noch älteren Version unterwegs, im heurigen Jahr dann mit der derzeit aktuellen. Somit konnte ich auch die "Evolution" der App erleben.

Erster Eindruck

Unter dem Menüpunkt Tour kommt man zur Oberfläche für die Tourenplanung. White Risk bietet derzeit das offizielle (amtliche) topographische Kartenmaterial der Schweiz, Frankreichs sowie Österreichs mit entsprechenden Hangneigungslayers an. Somit hat man für diese drei Länder das jeweils beste Kartenmaterial zur Verfügung. Für den Rest der Welt wird auf Open Street Map (OSM) zurück gegriffen, d.h. White Risk lässt sich global zur Tourenplanung benutzen! Allerdings gibt es für OSM kein Hangneigungslayer.

Open Street Map liegt qualitativ zwar deutlich hinter den offiziellen topographischen Karten der drei erwähnten Alpenländer, bietet aber doch eine durchaus brauchbare Grundlage für die grobe Orientierung. Der folgende Screenshot zeigt die jeweils gleiche Tour (Hochwart, 2301m bei Donnersbachwald in der Steiermark) einmal auf Basis der österreichischen topographischen Karte mit eingeschaltetem Hangneigungslayer und einmal auf Basis der OSM. In der Galerie am Ende des Artikels findet sich ein Beispiel aus Frankreich auf Basis der IGN Karten.

Nach der Auswahl für eine bestimmte Region, zoomt man einfach weiter in die Karte hinein und die eigentliche Tourenplanung (im Sinne der Definition der Route in der Karte) kann beginnen.. Die Oberfläche ist dabei sehr aufgeräumt und man kann direkt und intuitiv los starten. Ebenfalls sehr positiv ist die Möglichkeit, die Deckkraft des Hangneigungslayers und der eigenen Touren einzustellen, womit sich die Lesbarkeit der darunter liegenden kartographischen Informationen (Höhenlinien, Felszeichnungen, sonstige Informationen wie freistehende Bäume, Bewuchsform etc.) deutlich erhöhen lässt.

Erfahrungen nach der Eingewöhnungsphase

Hat man sich erst mal an die Oberfläche und ihre verschiedenen Funktionen gewöhnt, geht die Tourenplanung wirklich rasch vor sich und nach wenigen Minuten ist eine Tour mit möglichen Alternativrouten, allfälligen Schlüsselstellen und deren Risikoabschätzung, sowie des ungefähr notwendigen Zeitrahmens und Synchronisation mit dem Smart Phone komplett durchgeplant. Im Folgenden gebe ich anhand von konkreten Beispielen einen Überblick über die aus meiner Sicht wichtigsten Funktionen, die praktisch bei jeder Tourenplanung zum Einsatz kommen.

Das eigentliche Zeichnen der Route erfolgt sehr intuitiv. Im Gegensatz zu einigen anderen einschlägigen Apps lässt sich die Route nur frei zeichnen. Das heißt, man hat nicht die Option „Verfolge diesen Wegverlauf zu Punkt X“. Das ist – gerade hier am Alpenostrand – bei den sich schlängelnden Forststraßen, die im Aufstieg oft essenziell sind, um den Waldteil zu durchqueren, doch etwas mühsam und filigran. Mit etwas Übung gewöhnt man sich aber rasch daran.

Sehr nützlich finde ich die Möglichkeit, Alternativrouten zu definieren und spezielle Schlüsselstellen zu benennen. Für diese Schlüsselstellen erscheint dann ein eigenes Menüfenster zur Einschätzung des Risikos. In diesem Menü lassen sich Faktoren wie Steilheit und Lawinenwarnstufe genau einstellen und dementsprechend wird das Risiko berechnet. Sehr gut gelöst ist dabei, dass die Lawinenwarnstufe nicht auf einer Ordinalskala (Schulnotenskala) sondern auf einer Intervallskala dargestellt ist, d.h. man kann den Regler – aufbauend auf den Zusatzinformationen des LLB - auch auf Positionen zwischen den Stufen schieben und damit z.B. einen „tiefen“ 2er (näher bei der 1) oder einen „hohen“ 2er (näher bei der 3) einstellen. Natürlich bietet diese Möglichkeit auch die Gefahr des „Zurechtdefinierens“ der Schlüsselstelle, so dass die Befahrbarkeit für die persönlich Risikoakzeptanz gerade noch „passt“. Hier bedarf es Ehrlichkeit und Disziplin sich selbst und der Gruppe gegenüber. Zusätzlich lassen sich noch spezielle Bedingungen, wie z.B. günstige Hanglage, sowie günstige und ungünstige Faktoren einstellen.

Auch sehr praktisch ist, dass es ein eigenes Menüfenster für die Ermittlung des Zeitrahmens der Tour gibt, wo man sehr einfach mit einem Regler definieren kann, ob man die Tour gemütlich oder eher schnell anlegen will und das Ganze dann sofort in Stunden bzw. auch in Uhrzeiten (man kann auch den Startzeitpunkt der Tour definieren) umgerechnet wird.

Die ganze Tourenplanung kann dann auch als PDF abgespeichert und ggf. an alle TeilnehmerInnen verschickt werden. Praktischerweise kann man die TeilnehmerInnen mit deren E-Mail-Adressen eingeben und dann auch gleich über diverse Social Media Kanäle und AirDrop ohne Aufwand die Tour verteilen. Natürlich kann der Track auch als gpx-Datei abgespeichert werden. Beides finde ich durchaus nützlich.

Darüberhinaus gibt es in der Planungsoberfläche etliche sehr nützliche Zusatztools. Zum einen sind es die Links zu externen Informationsquellen wie LWDs und zahlreichen Wetter-Apps (Niederschlagsradar etc.) und zum anderen ist auch die Funktion „Messen und Peilen“ sehr praktisch. Damit erhält man ein Lineal, mit dem Entfernungen ausgemessen werden können sowie Peilungswinkel zu umliegenden Bergen etc. Man könnte sich also auch eine ganz klassische „Tourenskizze“ mit den jeweiligen Abschnittsentfernungen und Peilungen basteln. Beispielsweise wenn man weiß, dass es sehr nebelig wird, oder als Navigationsübung. Zudem gibt es die Möglichkeit, Touren, die man gespeichert hat, zu kommentieren und die App so als eine Art digitales Tourenbuch zu nutzen.

Üblicherweise wird man die auf dem Laptop erstellte/geplante Tour mit der entsprechenden App auf dem Smartphone „verknüpfen“, was problemlos durch die entsprechende Funktion „Aktualisieren“ auf dem Smartphone erfolgt. Nicht vergessen sollte man dabei wie immer bei solchen Apps, das entsprechende Gebiet auch durch Herunterladen des Kartenausschnitts offline verfügbar zu machen. Dann kann man prinzipiell auch auf dem Smartphone planen.

Zu erwähnen ist auch, dass es am Smartphone auch das übliche Instrumententool wie z.B. Neigungsmesser oder eine digitale Version des bekannten graphischen Kärtchens der Reduktionsmethode, die das Risiko im Zusammenhang mit Lawinenwarnstufe und Hangneigung umsetzt.

In der Schweiz

Besonders praktisch und überzeugend ist die White Risk App in ihrem Ursprungsland, der Schweiz. Man hat dort nämlich umfangreiche Zusatzinformationen zur Verfügung. Insbesondere das Layer, mit dem sämtliche vom SAC erfassten Touren bzw. Routen in der Schweiz (und teilweise auch in den direkt angrenzenden Gebieten Österreichs, Italiens und Frankreichs) angezeigt werden können, ist sehr nützlich. Ähnliches gilt auch für die französischen IGN-Karten, nur ist hier die Kartographie qualitativ nicht ganz so herausragend und die Routen sind schematischer dargestellt. Andere Zusatzinformationen, die nur für die Schweiz verfügbar sind, beinhalten z.B. die Luftbildkarte der Schweiz, Anzeige der Skipisten und Schneeschuhrouten, Wildruhezonen sowie Stationen des öffentlichen Verkehrs mit Link zum Fahrplan der SBB (Screenshot in der Galerie am Ende des Artikels). Darüber hinaus stehen auch die Kartenlayer „Gefahrenhinweis Lawinengelände (ATH)“ und „Thematisches Lawinengelände (CAT)“ zur Verfügung.

Der Planungsaufwand ist somit in diesen Gebieten (Verfügbarkeit von Swiss Topo mit den eingezeichneten Routen) minimal. Das ist dann ideal, wenn man versucht, immer den „besten“ Bedingungen nach zu fahren und daher nicht Tonnen an Tourenliteratur - von der man dann ja gar nicht weiß, ob man sie brauchen kann - mitschleppen will.

Ihre ultimative Bewährungsprobe als Navigationstool hatte die App während eines kompletten White Out durch Nebel und Schneefall bei einer Tour am Julierpass in der Schweiz. Zwar hatten wir uns nicht „verfahren“ und wussten immer, wo wir ungefähr waren, aber für die Feinnavigation im unübersichtlichen Gelände (Bachgräben, kleinere Tobel etc.) war die App, die darin eingezeichnete Route und das ständige Wissen über unseren konkreten Standort dann Gold wert und wir konnten uns ohne Schwierigkeiten langsam unter die Nebelgrenze „runter tasten“. In der Schweiz gibt es zudem die praktische Möglichkeit, sich Schlüsselstellen automatisch anzeigen zu lassen. Wie erwähnt sind diese in Österreich (und anderen Ländern) bislang nur händisch definierbar. D.h. hier sucht man sich basierend auf den durch den Hangneigungslayer definierten Steilheiten sowie auf Basis des Höhenlinienbilds (z.B. Gräben & Tobel, Mulden, freie unstrukturierte Steilhänge) die kritischen Stellen selbst und setzt dann manuell die Schlüsselstelle. 

Vor- und Nachteile

Plus:

  • Umfangreiche Funktionen und Möglichkeiten, die ständig verbessert und erweitert werden
  • Direkte Verknüpfung von Planung und Navigation mit lawinenkundlichen Hintergrundinformationen und Tools zur selbstständigen Gefahreneinschätzung
  • Schlüsselstellenfunktion mit logarithmusbasierter Risikoeinschätzung, für die Schweiz: automatische Erkennung der Schlüsselstelle der Tour, für die anderen Ländern muss das manuell gemacht werden
  • Graphisch und didaktisch sehr ansprechende Aufbereitung der Lawinenkunde
  • Hervorragendes Kartenmaterial für Schweiz, Österreich und Frankreich (diese drei gelten als die weltbesten topographischen Gebirgskarten)
  • Speziell für die Schweiz (und direkt anschließende Grenzregionen): Zugang zur umfassenden SAC-Skitourenliste und einer Vielzahl von Zusatzinformationen (Luftbilder, öffentlicher Verkehr, Lawinengefahrenkarte Schweiz etc.)
  • Aufgeräumte, nicht überladene Menüführung
  • Weltweite Nutzungsmöglichkeit auf Basis von OSM-Karten

Minus:

  • Preismodell: Standard-Abo mit jährlichen Kosten von 29 sfr, bei der Gratisversion hat man nur sehr abgespeckte Funktionen zur Verfügung und auch nur Zugang zu den OSM-Karten. Das Pro-Abo beläuft sich auf jährlich 58 sfr.

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