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News

Story | Kampf um La Grave

Wer übernimmt wenn der Pachtvertrag ausläuft? Crowdfunding Kampagne möchte Großkonzerne im Dorf verhindern.

von Lea Hartl 10.11.2016
Schon länger herrscht Sorge um das legendäre Skigebiet in den Hautes-Alpes: seit der Schließung des Chambon Tunnels im vergangenen Jahr sind die Besucherzahlen in La Grave stark gesunken. Zudem läuft im Juni 2017 der Pachtvertrag für Gondel und Skigebiet aus. Viele Locals bangen um die Zukunft ihres Hausbergs, sollten große Investoren aus den benachbarten Megaressorts einsteigen.

Die kleine, bunte Gondel in La Grave wurde 1976 gebaut. Viele Mitarbeiter sind schon seit Jahrzehnten dort angestellt und bemühen sich liebevoll um die Wartung und Instandhaltung der alten Gondel. Der minimalistische Lift erschließt sehr viel, großteils anspruchsvolles Gelände. Pisten gibt es nicht. Das kleine Dorf ist noch immer relativ ursprünglich und frei von Aprés Ski-Tempeln und großen Luxushotels. Immer wieder wird die besondere Atmosphäre von La Grave mit Adjektiven wie „frei", „wild" und „authentisch" beschrieben.

In einem BD-TV-Video über die Gondel fällt folgender Satz: ,,Es gibt zwei Möglichkeiten - man kann die Berge an die Skifahrer anpassen, oder die Skifahrer müssen sich an die Berge anpassen." Unter der Herrschaft von Denis Cressiels galt in La Grave immer Letzteres. Der inzwischen 80-Jährige entwarf die Bahn und übernahm 1987 die Pacht von der Gemeinde.

Dieser Pachtvertrag läuft im Juni 2017 aus und es stellt sich die Frage, wie es mit dem Skigebiet weiter geht. Wie in vielen kleinen Gebieten mit alter Infrastruktur wirft der Lift nicht viel Geld ab. La Grave ist eine der ärmsten Kommunen Frankreichs. Als die Gemeinde in den 1980ern zuletzt für den Gondelbetrieb verantwortlich war, musste die Bahn wegen akutem Geldmangel 18 Monate schließen. Durch das Problem mit dem Chambon Tunnel sanken die Besucherzahlen im letzten Winter um bis zu 75 Prozent. Die Gondel steht im Ecrins Nationalpark. Theoretisch dürfen hier keine Neubauten durchgeführt werden, was Modernisierungen erschwert.

Dennoch gibt es verschiedene Interessensgruppen, die daran interessiert sind, den Pachtvertrag zu übernehmen. Einerseits ist da Herr Cressiels, der bisherige Pächter. Er soll schon vor ein paar Jahren geäußert haben, dass er nur weitermachen würde, wenn er die Erlaubnis erhält, einen neuen Lift zwischen Chazelet und La Grave zu bauen und hat länger nicht öffentlich über das Thema gesprochen. Ob und wie er sich derzeit um den Pachtvertrag bewirbt, ist unklar.

Andererseits gibt es mehrere große Firmen, die sich für die Pacht interessieren, darunter wohl der Skigebietsbetreiber Compagnie des Alpes - ein Riese in der Branche. Investoren dieser Art würden vermutlich – nunja – investieren, und zwar im großen Stil. Manche vermuten, mit genügend Geld könnten auch die Nationalparksauflagen außer Kraft gesetzt werden. Viele Locals malen sich schon Schirmbars, Autobahnpisten, Hotelbunker und neue Lifte mit Sitzheizung aus. Für die meisten ist das eine furchtbare Vorstellung, vor allem für jene Freerider und Skibums, die sich in La Grave wegen der „Freiheit" und relativen Wildnis niedergelassen haben.

Ein paar der Locals haben uns erklärt, was an La Grave so besonders ist. Andi Buchs sieht den Vorteil der alten Bahn und deren geringen Kapazität darin, dass man während der 35-minütigen Gondelfahrt Mitfahrer kennenlernt und nach einer Stunde auch noch nicht alles zerfahren ist. Vor dem Umzug nach La Grave hat er 20 Jahre in Sedrun gelebt. Die Entwicklung in Andermatt und Sedrun beobachtet er mit Sorge: „Seitdem Sawiris die Anlagen übernommen und von der lokalen Bevölkerung und der Gemeinde die Aktien abgekauft hat, ist der lokale Einfluss viel geringer. In Andermatt sind die Preise für Immobilien gestiegen, sodass sich mancher Local dort keine Wohnung mehr leisten kann und nun auswärts wohnen muss. Ich glaube nicht daran, dass lokal neue Arbeitsplätze geschaffen werden."

Aufgrund solcher Bedenken haben einige Locals eine Initiative gestartet, mit der sie sich selbst um den Pachtvertrag bewerben. Einerseits wurde eine "société par actions simplifiée" (SAS) gegründet, eine Art Kapitalgesellschaft, mit der am Bewerbungsprozess teilgenommen wird und die im Idealfall den Betrieb des Skigebiets übernehmen soll. Andererseits gibt es eine Non-Profit-Organisation namens Signal de la Grave, die das Anliegen in die Öffentlichkeit trägt und mittels einer Crowdfunding-Kampagne um Unterstützer wirbt. Durch das Crowdfunding möchte Signal de la Grave zeigen, dass es in der Bevölkerung breite Zustimmung für ihre Vision der Zukunft La Graves gibt.

Sollte die Kommune den Pachtvertrag an den Meistbietenden vergeben, hat Signal de la Grave keine Chance. Die Initiatoren hoffen jedoch, dass die Entscheidungsträger für alternative Vorschläge im Sinne der Anwohner empfänglich sein könnten.

Signal de la Grave Trailer

Hinter Signal de la Grave steckt ein kleines Team um Joost van Zundert. Van Zundert lebt in La Grave, ist leidenschaftlicher Outdoorsportler und Wirtschaftswissenschaftler. Wie viele andere glaubt Van Zundert, dass große Firmen wie CDA den Mythos La Grave für Marketingzwecke missbrauchen würden. Er befürchtet, dass manche Investoren sich vor allem für die Pacht interessieren, da sie damit Zugang zu dem vergletscherten Gelände des Skigebiets erhalten, was ihnen auch in Zeiten des Klimawandels Profit garantieren würde. Laut Van Zundert gehe es den Großinvestoren allein um eine neue, marketingtaugliche Skigebietssuperlative.

Allerdings räumt er auch ein, dies seien bisher nur Spekulationen. Die Bewerbungen um die Pacht liefen bislang kaum öffentlich ab. Bis auf Signal de la Grave hat noch niemand explizit irgendwelche Absichten erklärt. Das Signal Team wünscht sich, dass die Diskussion um die Zukunft von La Grave stärker in Gang kommt – auch das ist ein Ziel der Kampagne. Denis Cressiels ist nicht direkt bei Signal de la Grave involviert, würde das Projekt laut Van Zundert aber unterstützen, sollte das Signal Team sich den Pachtvertrag sichern können.

Auch unabhängig vom Pachtvertrag beziehungsweise im Falle eines Misserfolges soll Signal de la Grave weiter bestehen. Die Non-Profit-Organisation will eine nachhaltige, umweltbewusste Entwicklung, lokale Unternehmen stärken und Outdoormöglichkeiten ausbauen, vor allem auch für den Sommerbetrieb. Sämtliche Einnahmen sollen der lokalen Bevölkerung zu Gute kommen. Das Crowdfundingziel von Signal de la Grave ist 45 000 Euro. Es soll die Arbeit der SAS während des Bewerbungsprozesses ermöglichen (Anwaltskosten, Buchhaltung, etc.). Geht der Pachtvertrag nicht an die SAS, plant Signal de la Grave, das Geld für die oben genannten Ziele einzusetzen. Gelingt der eigentliche Plan, dann sind allerdings Investitionen nötig, um die Bahn zu modernisieren und instandzuhalten. Laut Kalkulation von Van Zundert wären das etwa fünf Millionen Euro. Die Summe soll von privaten Investoren aufgebracht werden, nicht per Crowdfunding.

Van Zundert sieht sich in seinem Vorhaben nicht als Idealist, sondern als Ökonom. Er und sein Team seien wirtschaftlich denkende Einwohner einer besonderen Region mit einzigartiger Natur und vielseitigen Outdoormöglichkeiten. Signal de la Grave will sich nachhaltig und mit umsetzbaren Vorhaben für ihren Ort einsetzen. Van Zundert kann sich vorstellen, dass La Grave sich zukünftig am Vorbild von Skigebietskooperativen in Nordamerika orientiert, wie etwa Shames Mountain oder Mad River Glen, wo sich ebenfalls Einheimische zusammen getan haben, um den Betrieb zu sichern. Allerdings bezweifelt er, ob Frankreich in Zeiten des Massentourismus für so revolutionäre Ideen bereit ist.

Sollte sich gar kein passender Pächter finden, weil mit niemand eine Einigung erzielt werden kann, droht die endgültige Schließung des Skigebiets. Laut Stefan Neuhauser, PG Autor und als Bergführer viel in La Grave unterwegs, sähe es dann düster aus für das Dorf La Grave. Die Berge würden wieder ein Stück einsamer und wilder als sie es bei laufender Gondel je seinen können, und sei die Gondel noch so einzigartig. Auch das mag für den ein oder anderen ein reizvoller Gedanke sein. 

Crowdfunding Kampagne

Die Signal de la Grave Indiegogo Kampagne läuft seit knapp drei Tagen und hat bereits fast 30 Prozent des Wunschbetrages erzielt - vor allem mit kleinen Beträgen einzelner Unterstützer. Die Kampagne läuft insgesamt einen Monat. Auf der Indiegogo Seite finden sich weitere Informationen, ebenso wie auf der Signal de la Grave Facebook Page. 

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