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Welt der Wissenschaft | RĂĽckschau ISSW2018: Sessions Kunstschnee & Apps

Was tut sich in der Schneewissenschaft?

von Lea Hartl • 14.11.2019
Beim International Snow Science Workshop (ISSW) kommen alle zwei Jahre Wissenschaftler und Praktiker aus verschiedensten, aber immer schneebezogenen, Themenbereichen zusammen. Unterteilt in verschiedene Themenblöcke – sog. Sessions – werden neue Erkenntnisse und Forschungsergebnisse präsentiert. Wir untergliedern das Ganze nochmal in mehr oder weniger verdauliche Häppchen und fassen alle zwei Wochen Sessions der ISSW2018 für euch zusammen.

Diesmal: Snow making and ski resort managemet (Session 6) und snow products and services (Session 9). Die zum Text passender Sessionbeiträge sind in Klammern angegeben. Wenn es längere Artikel zu den einzelnen Themen gibt, sind diese verlinkt.

S6: Snow making and ski resort management

Touristen, die in Gletscherspalten fallen, Lifte, die kaputt gehen, übervolle Parkplätze – Skigebiete haben mit allerlei potentiellen Problemen und Problemchen zu kämpfen, wenn es um den täglichen, operationellen Betrieb geht. Die zentralen Herausforderungen, mit denen sich alle gleichermaßen und fortlaufend beschäftigten, leiten sich aber aus der brancheneigenen Abhängigkeit von Wetter und Klima ab.

Mal schneit es mehr, mal weniger, mal ist es kalt, mal nicht – die natürliche Variabilität des Wetters im allgemeinen und des winterlichen Niederschlags im speziellen sind nicht hilfreich, wenn man Gästen ein gleich bleibend hochwertiges Produkt – gute Skibedingungen auf den Pisten - bieten will.

Schneekanonen wurden etwa in den 1980ern alltagstauglich und heute ist Kunstschnee aus dem Skibetrieb nicht mehr weg zu denken. Damals wie heute dient der Kunstschnee in erster Linie dazu, die Variabilität der natürlichen Schneefälle auszugleichen. Kunstschnee ist härter und lässt sich besser präparieren als normaler Schnee und man braucht weniger davon, um eine gleichmäßige Piste her zu stellen (P6.16 Wolfsperger et al). Dank Schneekanonen sind die Pistenbedingungen vielerorts daher immer (mehr oder weniger) gleich. Steine oder Grasflecken sind selten geworden und wenn sie doch mal auftreten, beschweren sich die Gäste, deren Ansprüche an die Pisten deutlich gestiegen sind, seit Kunstschnee zur Norm wurde. Zum Glück gibt es mittlerweile Methoden, die Schneehöhe auf den Pisten unter anderem mit Drohnen zu überwachen (P6.4 Pons et al.) – die Drohne, die Steine einsammelt, kann also nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Angesichts der Wichtigkeit von Kunstschnee für den Skibetrieb ist es nicht sonderlich überraschend, dass seitens der Liftbetreiber Interesse daran besteht, den Beschneiungsprozess hinsichtlich Energieverbrauch und Effizienz - und damit Kosten - möglichst zu optimieren. Dahingehend gibt es zwei Ansätze, einen praktischeren und einen theoretischeren. Ersterer ist schnell zusammen gefasst: Man probiert es halt aus.

Kunstschnee - Probieren geht ĂĽber studieren

Ein Team vom MCI in Innsbruck (P6.2 Grünewald & Pupp) hat eine Art Beschneiungsteststation entwickelt: In einem mobilen Anhänger sind diverse Messinstrumente installiert, die u.a. Energie- und Wasserverbrauch messen und auf dem Anhängerdach steht eine Wetterstation. Zwei verschiedene Schneekanonen oder Schneelanzen können angeschlossen werden und man kann direkt vergleichen, welches Gerät bei was für Bedingungen wieviel Schnee in was für einer Qualität liefert. Dieses Setup soll an Skigebiete vermietet werden, damit diese dann vor Ort ausprobieren können, was bei ihnen am besten funktioniert.

Auch Alternativen zu den herkömmlichen Schneekanonen fanden bei der ISSW Gehör: Die in Obergurgl befindliche, künstliche Schneewolke, die vor einiger Zeit bereits großes Medienecho erlangte, vermeldete, dass sie in der Tat Schnee produzieren kann, allerdings nur, wenn Kondensationskeime (in diesem Fall Pollen oder der Kunstschneezusatzstoff Snowmax) vorhanden sind und nach wie vor nicht in ausreichenden Mengen, um normale Powderwolken zu ersetzen (P6.18 Worthmann).

Für den operationellen Betrieb zunehmend wichtiger wird dagegen das sogenannte Snowfarming, bzw. das Konservieren von Schnee über den Sommer - in der Regel in dem man große Schneehäufen aufschiebt und diese mit Planen oder Hackschnitzeln abdeckt. Mit Hilfe solcher Schneedepots können manche Gebiete einen Minimalbetrieb sicherstellen und damit teilweise jene, tendenziell häufiger werdenden, Zeiten kompensieren, in denen im Herbst nicht beschneit werden kann, weil es zu warm ist. (P6.17 Wolfsperger & Grünewald). Das Kaunertal Parkopening findet mittlerweile mehr oder weniger ausschließlich auf Schneedepotschnee statt und auch im gletscherfreien Kitzbühel schafft man mit dieser Methode die Saisoneröffnung im Oktober. Wenn dort die einzelne Piste in der grünen Wiese gleich wieder schmilzt, hat man zumindest Aufmerksamkeit generiert und schlechte Presse gibt es ja bekanntlich nicht.

Das Skigebiet Samnaun wendet erfolgreich noch eine weitere, innovative Kunstschneealternative an: Anstatt für eine neue Piste mehrere Millionen in Beschneiungsinfrastruktur zu investieren, sprengt man regelmäßig den darüber liegenden Hang und präpariert anschließend die Lawinenablagerungen wieder zur Piste (P6.5 Wyssen et al.).

Kunstschnee und Klimawandel – Studieren und Modellieren auch manchmal sinnvoll

Der theoretischere Ansatz, um Optimisierungsmöglichkeiten für die Beschneiung zu finden, basiert auf Modellberechnungen. In dieser Hinsicht war bei der nun ja schon etwas zurückliegenden ISSW ein großes, derzeit laufendes Projekt namens PROSNOW stark vertreten (P6.11 Morin & Dubois). Die ambitionierten Projektziele sind die Verbesserung von Wetter- und Witterungsprognosen auf lokaler Ebene, abgestimmt auf die Bedürfnisse der Skigebiete, die damit besser entscheidenen können sollen, wann sie beschneien. Zusätzlich wird Beschneiung und Pistenpräparierung in Schneedeckenmodelle (Amundsen, Crocus, SNOWPACK/Alpine3D) integriert, mit denen in einigen französischen Testgebieten die Schneedeckenentwicklung – inklusive Kunstschnee - simuliert werden soll (O6.3 Hanzer et al.) Die Schneemodelle sollen schließlich teilweise mit den Wettermodellen zusammen gehängt werden (O6.1 Carmagnola et al.). Die Ergebnisse werden wir wohl spätestens bei der ISSW 2020 zu sehen bekommen.

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Abgesehen von spezifischen Problemen, die die Beschneiung betreffen, führen steigende Temperaturen für manche Gebiete auch zu Grundsatzfragen – wieviele schlechte Winter halten wir wirtschaftlich aus? Sind die Tage des Skifahrens und der Skigebiete in Zeiten des Klimawandels sowieso gezählt?

Auch das wird unter anderem mit Modellketten untersucht: eine Kombination aus Schneedeckenmodellen, die auch Kunstschnee können, und Klimamodellen (in verschiedenen Szenarien) legt nahe, dass es zumindest bis 2050 in den französischen Alpen genügend kalte Perioden geben wird, um ausreichend zu beschneien, dass aber der Wasserverbrauch steigen wird, teils aus klimatischen Gründen, aber vor allem weil voraussichtlich mehr Skigebiete mehr beschneien werden (O6.2 Spandre et al.)

Neben den rein naturwissenschaftlichen Kunst- und Naturschneeüberlegungen kamen in einigen Beiträgen der Skigebietsmanagement Session auch wirtschaftliche Aspekte zur Sprache:

Skigebiete sind in vielen Regionen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor -no na ned, wie der Tiroler Touristiker sagt. Nicht nur die Umsätze der Skigebiete, auch die der Gastronomie und des Hotelgewerbes schwanken mit den Schneemengen, wobei schlechte Winter laut einer Studie aus den USA stärker negativ ins Gewicht fallen als gute positiv (O6.6 Hagenstad et al., P6.1 Gärber)

Zusammenfassung Session 6 - Snow making and ski resort management

Kunstschnee ist wichtig, um Wetterkapriolen auszugleichen, sonst beschwert sich Familie Sattmann über schlechte Pisten. Kunstschnee und andere Formen von Schneemangagement (Schneedepots) werden zunehmend auch für Klimwandelsymptombekämpfung genutzt. Trotzdem machen steigende Temperaturen allen Sorgen.

In zwei Wochen gehts weiter mit der Session "Operational Remote Sensing".

S9: Snow Products and Services

Snow Products and Services ist mit nur 5 Postern und 6 Vorträgen eine ziemlich kleine Session und die Themen wirken ein bisschen so, als hätte man hier die Dinge untergebracht, die sonst nirgends so richtig hin passen.

There's an App for that

Bei den Produkten und Services handelt es sich in erster Linie um Apps: Jeder hat jetzt eine und fast alle machen irgendwas mit WebGIS, also online-basierten Geoinformationssystemen, a.k.a. Karten fĂĽrs Handy, in denen man Dinge einzeichnen kann oder Sachen angezeigt bekommt.

Lawinenwarner in Kanada beispielsweise nutzen eine App, die Lawinenstriche in Straßenkorridoren kennt und Vorhersagen für einzelne Gräben anzeigen kann, oder besonders kritische Zonen hervorheben. Zudem kann die Variabilität des Lawinenausmaßes in den einzelnen Bereichen erfasst werden, bzw. man kann sich die historische Variabilität anschauen, sofern diese bekannt ist (O9.1 Zhecheva). Auch in den Alpen nutzen unterschiedliche Firmen und Institutionen Apps für ihre speziellen Zwecke, etwa um Lawinen direkt im Gelände am Handy zu kartieren (O9.3 Proksch et al.), oder um Schäden und Reparaturbedarf an sicherheitsrelevanter Infrastruktur (z.B. Sprengmasten, Zäune) in Skigebieten zu erfassen (P9.2 Dawes & Suter). Der Vorteil gegenüber Stift und Zettel liegt darin, dass die per App erfassten Informationen sofort auch für die Kollegen sichtbar sind und jedem gesammelt angezeigt werden können, der sie nutzen soll.

Den besten Namen hat eindeutig die App „ExploSKI“, mit der man als Sprengbeauftragter in Skigebieten Sprengladungen zählen kann. Wie viele sind noch auf Lager? wieviele habe ich gerade gezündet und wo? wieviele hat mein Kollege gezündet? wieviele sind nicht explodiert? (O9.6 Suter & Dawes).

Sonstiges

Etwas verschwommener wirken Sinn und Zweck eines tragbaren Systems, dass individuell abgestimmte, persönlichkeitsbezogene Warnungen äußern soll, wenn sich der Skifahrer in fragwürdige Situationen begibt, insbesondere auch hinsichtlich „human factors“. Dieses System befand sich zum Zeitpunkt der ISSW noch in der Konzeptentwicklungsphase, aber wir sind gespannt (O9.5 Prezenski et al.).

Ein Mechatronikstudent der Uni Innsbruck stellte seine Abschlussarbeit vor, in der er mittels eines finite Elemente Modells den Einfluss geometrischer und struktureller Faktoren auf das Carvingverhalten von Ski und Snowboards berechnete. Er hat dafĂĽr auch eine spezielle Testbank konstruiert, mit der man die Ski und Snowboards im Labor durchbiegen kann (P9.4 Caillaud).

Ansonsten wurden in dieser Session einige sprengspezifische Produkte vorgestellt, die vermutlich dafür sorgen, dass es besser BUMM macht. Da ich davon leider keine Ahnung habe, hier nur die klingenden Namen der entsprechenden Beiträge:

  • Safer Liquid Monopropellant for Low Velocity/High Energy Avalanche Charges: Initial Test Results, Application and Use Case (O9.2 Sawka et al.)
  • An explosive delivery system implementation in the steep gullies at the araphoe basin ski area (O9.4 Evanczyk)
  • S-LOAD avalanche blaster for the LM32 avalanche trigger (P9.5 Knobel)

Zusammenfassung Session 9 - Snow products and services

Apps sind praktisch und vielseitig, besonders wenn man drauĂźen im Feld Daten sammeln und diese in Echtzeit mit anderen Leuten teilen will. Lawinen Sprengen ist eine Mischung aus Kunst, Technik und Wissenschaft und braucht Spezialprodukte, die nach Actionfilm klingen.

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