
Der Schweizer Lawinenrettungsexperte Manuel Genswein und die Norwegerin Ragnhild Eide testeten während eines Feldversuchs zum effizienteren Ausgraben und Retten von Lawinenverschütteten die Top-Modelle der Lawinenschaufeln auf ihre Brauchbarkeit unter realen Lawinenschnee-Bedingungen. Hierbei wurden "Verschüttete" aus zwei Metern Tiefe ausgegraben, was ein extremer Härtetest für die Schaufler ebenso wie für das Schaufel-Material bedeutet. Vorab: Das Ergebnis ist für viele Modelle bedenklich bzw. katastrophal.
Erstes Ergebnis: Da bei nahezu allen vorherigen Realversuchen Kunststoffschaufeln nach kurzer Zeit abbrachen, wurden sie im hier beschriebenen Test – unter der Aufsicht des Österreichischen Alpenvereins – gar nicht mehr getestet.
Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass teure Schaufeln nicht automatisch gute Schaufeln sind. Im Endergebnis wurden die Schaufeln in drei bzw. vier Klassen eingestuft:
1. "Die höllische" Schaufel ist meist unbrauchbar bevor der erste Verschüttete ausgegraben ist.
2. Mit "strandtauglichen" Schaufeln kann man einen oder zwei Verschüttete aus hartem Lawinenschnee befreien, danach ist die Schaufel irreparabel kaputt.
3. "Bergtaugliche" Schaufeln erfüllen ihren Zweck: Man kann mit ihnen im harten Lawinenschnee graben und sie funktionieren weiterhin. Sie sind weder schwerer noch teurer als andere Schaufeln. Alle Modelle dieser Klasse sind aus temperaturgehärtetem T6 Aluminium gefertigt.
4. Perfekte Lawinenschaufeln gibt es nach Aussage der Tester noch nicht!
Schaufelblatt: Die Oberkante des Schaufelblatts sollte gerade oder nahezu gerade sein, damit man im harten Lawinenschnee mit dem Schuh das Schaufelblatt in den Schnee drücken kann.
Schaufelblatt-Größe: Mit großen Schaufelblättern kann viel Schnee abtransportiert werden, aber der Retter ermüdet schneller.
Material: Bei Gensweins/Eides-Feldversuch konnten nur Schaufeln überzeugen, die aus dem erwähnten 6061er Alu gefertigt waren und anschließend einer Temperaturnachbehandlung (= Härtung) unterzogen wurden.
Stiel: Zum effizienten Graben benötigen Schaufeln einen Teleskopstiel. Runde Stielquerschnitte bieten wenig Widerstand beim verstellen, dafür verdrehen sich die einzelnen Stielteile, was beim Montieren Zeit benötigt. Ovale oder trapezoide Stielquerschnitte weisen einen höheren Widerstand auf, dafür findet man die Einrastposition schneller.
Griff: T- oder D-Form? Die meisten Probanden bevorzugten den D-förmigen Schaufelgriff, der auch für kleinere Hände gut zu halten ist. Voraussetzung ist, dass das "D" groß genug ist, damit man auch mit Handschuhen gut mit der Schaufel arbeiten kann.
So wurden die getesteten Schaufeln bewertet:
Black Diamond Transfer 7 – die Schaufel wurde vom Test ausgeschlossen, da die scharfe Kante des sich zum Stiel hin verjüngenden Schaufelblatts die Skischuhe der Tester immer wieder beschädigt hatte.
Pieps Pro – die Schaufel brach, bevor zwei Verschüttete in zwei Metern Tiefe ausgegraben werden konnten. Das weiche Schaufelblatt konnte den Kräften beim Graben im harten Schnee nicht standhalten. | Strandtauglich
Stubai – Schaufel mit starkem Stiel, am Blatt kam es jedoch zu Deformationen. Einige Arretierbolzen am Stiel lösten sich. Ergebnis: Die Schaufel war nicht mehr zu gebrauchen. | Strandtauglich
Ortovox Grizzly – Gelobt wurde die scharf schneidende gezahnte Schaufelblatt-Vorderkante. Die Schaufel konnte es in Sachen Stabilität nicht mit ihrem Namensgeber aufnehmen: Das Schaufelblatt brach, wo sich sein Winkel in Richtung Stiel ändert. | Strandtauglich
Ortovox Alaska D – die Schaufel war beliebt, und hätte ein gutes Testurteil erhalten, wenn sie aus geeignetem Material bestehen würde. | Strandtauglich
BCA Chugach Pro EXT – das große Schaufelblatt dieser Schaufel zeigte nur wenig Deformation, anders hingegen der Stiel, der schlussendlich brach. | Strandtauglich
Mammut Expert – Das Schaufelblatt wurde stark deformiert und teilweise kam es zu Rissen an den Schweißnähten. | Strandtauglich
G3 AviTech D-Grip – die Schaufel besteht aus 6061 Alu und ist T6 behandelt. Durch ihren kleinen Radius an der Blattoberseite kam es beim Blöckestechen zu geringen Verformungen. "Gutes, stabiles Rettungswerkzeug" – mit etwas zu kleinem D-Griff. | Bergtauglich
Voilé Telepro T6 – "?gutes Beispiel wie ein Lawinenrettungsgerät sein soll: Stabil und ergonomisch." | Bergtauglich
Voilé XLM Pro – die Schaufel besteht wie die Telepro aus 6061er T6 Alu und überstand alle Test problemlos. "Eine sehr gute Wahl, wenn Sie eine stabile, recht leichte und ergonomische Schaufel für Touren benötigen. Das Gewicht ist mit einer schweren Kunststoffschaufel vergleichbar." | Bergtauglich
Voilé XLM – stabil und extrem leicht. | Bergtauglich! Was will man mehr?
Quelle: Bergundsteigen.at Ausgabe 04/08
Update | 15. Januar 2009 – Stellungnahmen der Schaufelhersteller
Nach der Aufforderung durch die Tester haben die meisten der weniger gut bewerteten Schaufelhersteller ein Statements zu den beanstandeten Produkten bzw. zum gesamten Test abgegeben, die z.T. sehr unterschiedlich sind: Von emotional und unverständlich, bis zur sachlichen Erwiderung ist alles dabei. Lest selbst?!
(Leider sind die Stellungnahmen der Hersteller auf der Seite des BergundSteigen Magazins aktuell nicht abrufbar)