Freeriden mit dem King von Engelberg
Auch am Freitag wachen wir auf in einer dicken Nebelsuppe. Draußen rührt sich noch nichts und Jojo und ich sind ein wenig besorgt, wie das denn jetzt weitergehen soll. Doch wir bleiben optimistisch. Punkt 08:20 treffen wir Yves am Bahnhof, nehmen den Bus zur Talstation anstatt zu laufen. Er hat uns schon vorgewarnt – laufen macht er nur ungern und am Titlis ist das auch gar nicht notwendig. Also bleiben heute die Felle daheim und wir schnappen uns die abfahrtsorientierten Freeride Ski. In der Gondel wird es langsam aber ganz deutlich heller und dann WOW – der Titlis und die umliegenden Berge liegen im Licht der Sonne, blauer Himmel und ein Wolkenmeer, so weit das Auge reicht. Ein traumhafter Ausblick, bei dem man verstehen kann, woher der Name Engelberg wohl stammen könnte. Engelberg-Titlis ist für seine BIG FIVE Freeride Abfahrten bekannt:
Steinberg, Sulz, Laub, Steintäli und Galtiberg
Für heute haben wir uns drei der fünf ausgesucht, die drei, die ohne Traverse und zurzeit machbar sind. Die erste davon steuern wir direkt an. Der Steinberg erstreckt sich gut sichtbar unterhalb der Titlis Rotair Gondel und ist gespickt mit ein paar herausschauenden Gletscherstücken sowie mehreren großen Cliffs. Der erhoffte Neuschnee hat leider dieses Mal nicht zugeschlagen, trotzdem wollen wir es versuchen.
Nach den ersten Turns sind wir aber durchaus überrascht über die Qualität des Schnees. Erwartet haben wir harten windverpressten Schnee mit Deckel, doch ganz im Gegenteil fährt sich der Schnee ungewohnt gut. Und so folgen wir Yves durch das Labyrinth aus Steinen, Gletscherstücken und durchaus spaßigem Schnee abwärts Richtung Trübsee. Die Abfahrt ist teils steil und erfordert Wissen darüber, wo man wann traversieren und abzweigen muss, mit Yves kein Problem, doch im Alleingang sollte man sich die Route nochmal genauer anschauen. Und umschauen sollte man sich hin & wieder auch: Es ist schon beeindruckend, wenn man hochschaut und plötzlich vor einem ein blaues riesiges Stück Eis aus dem Fels ragt, um das man grade herum gesteuert wurde. Weil der Schnee hier noch so gut war, entscheiden wir uns als Zweites dafür, das große Sulz zu fahren, bei dem man ins gleiche Tal abfährt, nur man startet von einem anderen Punkt. Durch ein paar Rinnen und offene Faces schlängeln wir uns bei Gegenwind wieder runter zum Trübsee. Auch hier finden wir trotz des Ausbleibens von Neuschnee noch ein paar Hänge mit ordentlichen Powderturns. Die dritte Runde führt uns über eine andere Variante des Steinbergs und wieder über den Gletscher.
Da der Wind hier oben jedoch immer weiter zunimmt und die vorher noch gut zu fahrenden Stücke nun auch langsam verpresst sind, entscheiden wir uns dazu, das dritte Ziel für heute in Angriff zu nehmen. Das Laub. Hierfür starten wir am „Stand“. Yves nimmt uns mit auf seine Favoritenrunde, von der er vermutet, dass sie noch recht gut sein könnte. Dafür geht's erstmal über ein paar Felsen und Steine und ich frage mich, ob das der richtige Weg ist. Am Ziel angekommen ist kein Zweifel mehr, denn eine wunderschöne Mulde, gefüttert mit unverspurten Schnee, eröffnet unsere Fahrt ins Tal. Da die Lawinenbedingungen günstig sind, ist es heute möglich, das Laub zu fahren. Dieses ist bekannt für die Lawinengefahr aufgrund des großen offenen Geländes. Auch wir sind vorsichtig, doch die Lage hier hat sich entspannt und wir genießen Knee-Deep-Powder. Unglaublich, und das, obwohl der letzte Schneefall schon Tage her ist. Unten kommt man bei einer urigen Hütte raus und muss von hier den „Freeride Express“ nehmen. Einen alten Toyota Haice 4WD, bei dem allen Japan LiebhaberInnen das Herz aufgeht. 2,50CHF kostet die Fahrt zurück zum Einstieg auf die Talabfahrt. Ein akzeptabler Preis für das kleine extra Abenteuer, wer sich das Geld jedoch sparen will, kann auch rausschieben oder laufen.