Die Hohen Tauern sind jener Teil der Alpen, den ich bislang nur aus Erzählungen und Berichten kannte. Dies wollte ich aber ändern, daher machten wir die hohen Tauern zum Ziel unseres diesjährigen Roadtrips. Ausgestattet mit Kocher und Schlafsack machten wir uns mit dem VW Bus auf den Weg, um eine Woche lang die Nordseite des Tauern-Massivs zu erkunden. Dabei lernten wir viele Ecken kennen, die teils von Freeridern und Skitourengängern viel besucht werden, aber auch ruhige, ursprüngliche Gebiete, die im touristischen Abseits liegen, jedoch eindrücklich gutes Freeride Terrain bieten. Ein besonderes Erlebnis war eine Skitour auf einen eher unscheinbaren Berg.
Nachdem die Schneesituation im Winter 2014/15 in allen sonnenexponierten Hanglagen rund um Sportgastein ebensowenig überzeugte wie anderswo, beschlossen wir, die Nordhänge eines eher unbekannten und abseits der großen Ströme von Skitourengehern liegenden Berges aufzusuchen. Bei perfektem Sonnenschein machten wir uns daher auf zum Schwarzkopf. Dieser, gerade mal 2765 m hoch, liegt zwischen dem Seitwinkeltal und dem Großglocknertal. Seine eher moderate Höhe lässt zunächst weder darauf schließen, dass sich von ihm aus ein grandioses Panorama eröffnet, noch dass seine steilen Nordhänge exzellenten Powder konservieren. Doch tatsächlich besticht der am nördlichen Rand des Hohen Tauern Massivs gelegene Berg mit einer Aussicht über das gesamte Großglocknergebiet und lässt in puncto Abfahrt jedes Freerider-Herz höher schlagen.
Bereits am Vorabend fuhren wir nach Bad Fusch - ein unscheinbarer und verfallener Badeort in einem Seitental des Großglocknertals. Die asphaltierte Staße, die in der Ortsmitte von Fusch abzweigt, endet bald und geht in eine schmale Schlammpiste über, die sich den Talboden hinaufzieht. Bad Fusch, auf 1186 m gelegen, besteht aus einem alten, teils verfallenen und teils in Renovierung befindlichen Badehaus. Eine kleine Kapelle und eine zu dieser Jahreszeit dick überschneite Kneippanlage stehen am Ende der offiziellen Zufahrtsstraße.
Aufstieg
Hier schlugen wir unser Lager auf, parkten den Bus und gingen zu den alltäglichen Dingen über, welche während der letzten Tage auf unserm Trip durch die hohen Tauern quasi schon zur Routine geworden waren. Einfaches Leben mit ganz großem Panorama.
Da wir für den Aufstieg von 1600 Höhenmetern vier Stunden veranschlagt hatten, klingelte der Wecker schon um halb sieben. Bereits um kurz nach sieben spurten zwei ambitionierte Skitourengeher an unserer Schlafstätte vorbei. Kurz darauf folgte eine weitere Gruppe. Auf den Zuruf des „Stammesältesten"„ob man au schon wach sei" reagierte ich nicht, vielmehr war ich bemüht meine von der kalten Nacht noch recht steifen Glieder in Bewegung zu bekommen, was mir an diesem Morgen wirklich nicht ganz leicht fiel. Denn wir genossen nicht den Luxus eines wohlbeheizten Appartements mit Küche und sonstiger Infrastruktur, sondern verzichteten, wie es sich für echte Vagabunden gehört, sogar auf eine Standheizung.
Kurz nach halb acht gingen auch wir los, verpassten fast die Abzweigung zu unserem Zielberg, und fanden uns bald in einem recht undurchsichtigen und steilen Bergwald wieder. Zum Glück war eine gut erkennbare Spur vorhanden, sonst hätte sich die Suche nach dem richtigen Weg zu einer zähen und äußerst mühseligen Angelegenheit entwickelt.
Nach einer guten Weile erreichten wir die Baumgrenze. Vor uns erhob sich steil ansteigendes Almgelände. Verspielt, kupiert und mit Felsen und einzelnen Lärchen durchsetzt präsentiert sich die Landschaft. Die Spur verblasste mehr und mehr, vor allem an den windexponierten Stellen der steilen Hänge. Wir passierten die kleine Riegeralmhütte, prominent gelegen mit Blick ins tiefe Tal. Wenn ich an solchen Orten vorbei komme, frage ich mich immer, was die Menschen wohl damals angetrieben hat in diesem unwegsamen Gelände Landwirtschaft zu betreiben und welche Strapazen sie hierfür auf sich genommen haben müssen. Vor allem wenn man die zur damaligen Zeit verfügbaren Mittel bedenkt...
Wir ließen die Riegeralm hinter uns und zogen weiter den gleichbleibend steilen Hang hinauf. Über uns konnten wir ein Felsentor erkennen hinter welchem sich beim Näherkommen eine sonnendurchflutete Hochalm erahnen lies. Um 11 Uhr erreichten wir die Rieger Hochalm auf 2190 m und gönnten uns eine kurze Rast.
Vor uns verzweigte sich das Tal nach Südost und Südwest. Auf unserer Karte war zu erkennen, dass beide Täler sich am Sattel unterhalb des Gipfel des Schwarzkopfes teilten. Offensichtlich musste es wohl möglich sein vom Sattel aus durch beide Täler zu unserem jetzigen Standort zu gelangen.
Für den weiteren Aufstieg entschieden wir uns für das östliche Tal und folgten weiter der Aufstiegsspur. War der Anstieg bislang im kühlen Schatten verlaufen, so zog er sich nun über blendend helle Hänge, wo die Sonne mit aller Kraft auf uns niederbrannte. In einer Senke auf 2450m passierten wir die grüne Lacke, einen kleinen Karsee, der im Winter schwer zu erkennen ist und in unserem Fall massiv von Windverwehung gezeichnet war. Wir traversierten einen nach Südosten exponierten Hang. Die Sonnenstrahlung war extrem intensiv und ich spürte die 1200 Höhenmeter Aufstieg, die bereits in meinen Beinen steckten. Mit mehreren Spitzkehren zogen wir den aufsteilenden Hang bis in den nördlichen Sattel hinauf. Von dort aus waren es noch 100 Höhenmeter bis zum Gipfel und das Wetter zeigte sich weiter von seiner allerbesten Seite.
Über den Ostgrad, der Südseitig stark überwechtet war, ereichten wir den Gipfel. Oben angekommen entlohnte uns ein grandioses Panorama: die gesamte Glocknergruppe lag vor uns. Kein Berg, der die Sicht versperrte, keine Wolke, die das Licht hätte trüben können. Es war erst halb eins. Zeit genug um die Aussicht zu genießen und etwas zu verweilen. Als es Zeit wurde aufzubrechen, entschieden wir uns für die Abfahrt durch das Tal, durch das wir aufgestiegen waren. Das nach Nordwesten gewandte Tal zur Rieger Hochalm, das wir von unserem Rastplatz aus eingesehen hatten, war noch unverspurt. Da immer noch Lawinenstufe drei herrschte, dachten wir zuerst an unsere Sicherheit, denn es lagen noch jede Menge unangetastete Hänge vor uns auf den kommenden 1600 Abfahrtshöhenmetern.
Abfahrt
Eigentlich möchte ich an dieser Stelle enden, denn es liegt mir nicht, in einem fort von „epischen runs und turns" zu erzählen. Wie gesagt, es war eine lange Abfahrt - abwechslungsreich, steil, kupiert und verspielt. Von einem nicht all zu hohen Berg und bei guten Bedingung ist sie wirklich fantastisch. Die Schneequalität war trotz der frühlingshaften Temperaturen und der doch recht starken Sonneneinstrahlung unglaublich gut. Überall fanden wir Passagen und Mulden mit lockerem Pulver. Im oberen Abschnitt zwischen Grüner Lacke und Rieger Hochalm sogar gab es sogar exzellenten Powder in offenem Terrain, um große Schwünge ziehen zu können. Aber auch der mittlere Teil von der Rieger Hochalm abwärts erwies sich als abwechslungsreich, sodass wir uns ausmalten gleich wieder in den Lift einzusteigen um das Ganze ein weiteres Mal aus kosten zu können.
Als Ausstieg von der Alm hinunter durch den Wald zur Embach Grundalm wählten wir das Bachbett, welches sich klammartig in den Fels hinein gegraben hat. Für den Ausstieg hätte es sicherlich Verbesserungsmöglichkeiten gegeben. Wir wollten jedoch den Hang in seiner gesamten Länge und direkten Falllinien nicht verschenken...
Informationen
Exposition: Nord/Nordwest/Nordost
Höhenmeter Start | Ziel: 1.186m | 2.765m
Höhenmeter bergauf und bergab: 1.600
Dauer: 4-6h
Karten: DAV 45/1 und 342