Backcountry vs. Sidecountry
Was wir in den Alpen einfach als Freeriden bezeichnen, wird in Japan etwas präziser unterschieden. Jojo und ich arbeiten bei einer Agentur, die geführte Touren für das Variantenfahren sowie Ski- und Snowboardstunden anbietet. Am Anfang waren die unterschiedlichen Bezeichnungen für Freeriden für mich etwas unverständlich.
Es wird primär in Side- und in Backcountry unterschieden. Ersteres bezeichnet das Variantenfahren im direkten Anschluss an Skigebiete. Das offizielle Skigebiet wird dabei über „Gates“ verlassen. Diese sind nummeriert und geben ein klares Verlassen der gesicherten Pisten an. Besagte Gates können offen oder geschlossen sein und weisen einen darauf hin, dass das Verlassen der gesicherten Pisten nur mit Lawinenausrüstung erlaubt ist. Wenn sie geschlossen sind, ist es strikt verboten, das präparierte Terrain zu verlassen. Die Snowpatrol kontrolliert das auch hin und wieder, und wer sich im verbotenen Gelände sichten lässt, kann am Ausgangspunkt der Route auf ein nicht ganz so erfreutes Empfangskomitee, gekleidet in Dunkelblau mit gelbem Kreuz auf der Jacke, treffen..
Backcountry dagegen beschreibt das Freeriden in Gebieten, die über das Sidecountry hinausgehen und wo Felle zum Einsatz kommen. Man begibt sich mit Hilfe von Liftanlagen oder auch komplett ohne Lift-Unterstützung an die Grenzen des Skigebiets und verlässt des präparierten Gelände, um in abgelegeneres Terrain vorzudringen. Was man dort macht, interessiert die Snow Patrol, soweit ich weiß, nicht. Übergänge zwischen Back- und Sidecountry sind meiner Meinung nach fließend und so ganz genau nimmt es am Ende dann doch niemand. Aber für die ein oder andere Verwirrung sorgen die Begrifflichkeiten anfangs doch.
Snow Patrol und Lawinenwarndienst
Ein weiterer Unterschied zum Freeriden in den Alpen ergibt sich dadurch, dass es hier keine richtige Bergrettung gibt. Es gibt besagte Snow Patrol, aber die besteht oft aus dem Liftpersonal oder der Polizei. Im Falle eines Unfalls kommt somit keine Bergrettung mit Helikopter, sondern meist werden hiesige Guides ausgesandt, um Verletzte zu bergen. Die Wetterbedingungen ermöglichen nur selten das Fliegen eines Helikopters. Zudem gibt es für diesen Zweck angeblich nur einen einzigen und der ist in Niseko, 4h Autofahrt von Furano, stationiert. Kosten für jegliche Rettungen und Bergungen außerhalb des Skigebiets müssen übrigens selbst getragen werden.
Auch einen Lawinenwarndienst, wie wir ihn aus den Alpen gewohnt sind, gibt es hier in Japan nicht. Es ist daher ratsam, sich über die Saison die meteorologischen Bedingungen und Schneeentwicklungen anzuschauen, regelmäßig Schneeprofile zu graben und sich mit anderen FreeridernInnen und Guides up-to-date zu halten. Die Community kreiert auf diese Art und Weise lokal ihren eigenen Bericht. In Furano gibt es einmal die Woche ein Lawinenupdate, bei dem man sich austauschen kann. Wer sich unsicher ist, sollte auf geführte Touren mit ExpertInnen aus der Region zurückgreifen, um sich mit der Gegend vertraut zu machen. Hokkaido ist zudem nicht besonders bekannt für sonnige Tage. Es schneit fast jeden Tag irgendwann einmal. Fantastisch! Aber genauso oft steht man auch in einem Whiteout und mit genauso wenig Sicht kann man rechnen. Wenn es doch mal aufklart, sollte man sich daher die Umgebung gut einprägen und sich möglichst alle sichtbaren Orientierungspunkte merken.
Diese Saison gibt es auf Hokkaido ein ausgeprägtes “Bamboo Problem”. So wie viel Schnee auf warmen Wiesenhängen in den Alpen zu Gleitschneeproblemen führen kann, bildet auch der Bambus hier eine Gleitfläche, wenn er bei warmen Temperaturen durch die Schneemengen plattgedrückt wird. Das war diesen Herbst der Fall und seitdem rutschen 1, 2 oder 3 m Schnee gemächlich den Hang hinab. Es bilden sich dadurch Gleitschneemäuler, die wie tiefe Furchen aufreißen. Irgendwann gehen die Gleitschneelawinen dann als ganzes ab. Das wird vor allem im Frühjahr kritisch, aber Gleitschnee kann sich auch ohne Vorwarnung jederzeit lösen, wie man diese Saison ja auch in den Alpen immer wieder im Lawinenlagebericht liest. Außerdem erschrecken einen die tiefen Risse und hineinfallen will man sicher nicht! Spaltenbergungssets wären da eventuell gar nicht so fehl am Platz.
Abschließend komme ich noch zu ein paar organisatorischen Sachen und der Überprüfung der Packliste: