In Island ticken die Uhren langsamer. Die Geduld der Isländer kennt keine Grenzen. Und auch als Gast dauert es nur wenige Stunden, bis man sich dem gemütlichen Tempo anpasst. Nur so ist es wohl zu verstehen, dass es mir vorkommt, als wäre ich schon Wochen hier, obwohl es gerade mal zwei Tage sind.
Dennoch war ich glücklich, als mich der Norweger Thormod Granheim am Flughafen der nordisländischen Hauptstadt Akureyri abholte. 30 Autominuten später traf ich meine zwei Mitreisenden; den Freerider Fredrik Ericsson und meinen langjährigen Skipartner und Fotografen Fredrik Schenholm.
Heiß auf die ersten Runs,
stand ich gestern natürlich als Erster am Frühstücksbuffet. Es dauerte jedoch nur einige Minuten bis ich feststellte, dass ich mich hier in Geduld würde üben müssen. Dichte Wolken soweit das Auge reicht. Nichtsdestotrotz nutzten wir den Nachmittag, um eine Tour im Seitental Skidadalur zu unternehmen.
Heute hatten wir die isländischen Wettergötter endlich auf unserer Seite. Ziel war einer der zahlreichen Gipfel an der Nordküste zwischen den Ortschaften Dalvik und Olafsfjordur. Was für ein Gefühl; direkt am Strand spannten wir die Felle auf und liefen los.
Die größte Herausforderung hier oben am Eismeer ist das schnelle Reagieren auf die wechselnden Wetterbedingungen. Wenn sich die Sonne ihren Weg durch die Wolken bahnt, heißt es möglichst schnell Jacken, Handschuh und Mütze im Rucksack zu verstauen. Zieht plötzlich wieder ein arktischer Sturm auf, kann es gar nicht schnell genug gehen, alles wieder anzuziehen.
Auf unserem Weg nach oben hatten wir Glück: Längere Passagen mit blauem Himmel ermöglichten einige traumhafte Bilder. Kurz unterhalb des Gipfels schlug das Wetter leider wieder um. Auch nach einer Stunde Warten schien keine Besserung in Sicht. Somit mussten wir bei äußert flachem Licht den Rückweg antreten. Da jedoch in Dalvik die rötliche Abendsonne den Fjord und die Berge in eine wahre Wunderlandschaft verwandelte, konnte uns eine kurze Session am Sandstrand wieder mit dem Wettergott versöhnen.
Lassen wir uns überraschen, was noch auf uns zukommt. Detaillierte Planungen machen wenig Sinn. Ganz im Alaska-Style werden wir abwarten, bis sich das eine oder andere Wetterloch auftut, um dann möglichst schnell einen Gipfel zu erklimmen.
Freeride-Trip Island | Teil 2
Eine Bindung reparieren. Was in den Alpen eine Kleinigkeit ist, kann im abgelegenen Island durchaus zu einer Tagesfüllenden Aktion werden. Doch Not macht bekanntlich erfinderisch. Da wir zumindest noch eine funktionstüchtige Fritschi im Gepäck hatten, tauchte Frippe gestern früh für einige Stündchen in die Tiefen des Internets ab. Man höre und Staune. Tatsächlich fand er auf einer Website die Fritschi Schablone zum ausdrucken.
Da ich ihm den Spaß nicht alleine gönnen wollte, fuhr ich mit ihm nach Akureyri, in den dortigen Ski-Shop. Was wir dort zu sehen bekamen, konnten unsere Augen erst gar nicht fassen. Auf dieses ausgefallene Sortiment an Skilatten wäre jedes Skimuseum heutzutage neidisch. Kaum vorstellbar, dass diese Ski tatsächlich Tag für Tag verliehen werden.
Mit Zeichensprache erklärten wir dem fast achtzigjährigen Inhaber, wo unser Problem lag. Mit einer kombinierten Hand- und Kopfbewegung verwies er uns sogleich auf den hinteren Teil des Ladens, wo ein Akkuschrauber auf einer mittelalterlichen Werkbank lag. Ah, alles was wir brauchten, klasse.
Heute in der Früh stand das Glück auf unserer Seite. Gegen 6.30 h waren es bereits die ersten Sonnenstrahlen, die mich aus dem Bett hüpfen ließen. Genau richtig, um den Hausbergen von Dalvik mal einen Besuch abzustatten.
Immer wieder ließ ich auf dem Weg nach oben meine Blicke in die Ferne schweifen. „Dieser Ort ist magisch!“ hatte Thormod kurz nach meiner Ankunft gesagt. Recht hatte er. Nach den ersten 200 Höhenmetern wurde es Zeit, endlich die Jacke auszuziehen. Gefühlte 30 Grad ließen den Schweiß in Strömen laufen.
Kehre um Kehre arbeiteten wir uns nach oben. Immer wieder bleibt Fredrik stehen und zückt die Kamera. Für ihn ist diese Umgebung der Himmel auf Erden.
Da der Schnee auf den Sonnenhängen bereits zu schwer war, beschlossen wir Richtung Norden abzufahren. Und wer hätte es gedacht: Powpow. Einfach nur geil! Selbst wenn ich mir alle Mühe der Welt gäbe zu erzählen, wie ich mich heute fühlte, so würden meine Worte nicht annähernd gut die Realität beschreiben. Island muss man einfach selbst erleben und selbst die frische Meeresluft einatmen, während man von schneebedeckten Gipfeln auf das Wasser hinunterblickt.