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Abenteuer & Reisen

SpotCheck | Eastern Sierra

California dreaming, on such a winter's day

von Lea Hartl 05.03.2018
Die Eastern Sierra ist jener Teil der Kalifornischen Sierra Nevada, der östlich der Nord-Süd verlaufenden Wasserscheide liegt. Wenn einem jemand in Kalifornien erklärt, er fährt ein paar Tage zum Tourengehen in die Eastern Sierra, ist das in etwa so, wie wenn hierzulande jemand sagt, dass er ein paar Tage ins Wallis geht, oder ins Berner Oberland. Man muss nicht näher spezifizieren, was genau geplant ist, der Name allein weckt Assoziationen von großen Bergen, langen Touren und lohnenden Mühen.

Anfang 2017 war irgendwann eindeutig klar: In den Alpen ist sehr wenig Schnee, in Kalifornien sehr, sehr viel. Schon jahrelang hatte uns ein nach Kalifornien ausgewanderter Freund von der Eastern Sierra vorgeschwärmt und in Kombination mit dem Frust über ständigen Steinkontakt zuhause war das nun endlich Anlass genug für einen Osterurlaub in den USA.

Mit einem Leihauto machen wir uns von San Fransisco aus auf nach Tahoe, um uns dort zwei Tage „einzufahren“. Die Berge sind hier eher rundlich, meist mit einer steilen Seite, und mehr oder weniger bis oben bewaldet. Frank, Tahoe-Local und ein Freund des ausgewanderten Freundes, nimmt sich unser an und zeigt uns eine der klassischen Touren am Südende des Lake Tahoe. Powder, Sonne, eine richtige Basis: Unser erster Skitag in Kalifornien könnte besser nicht sein.

Nach einem zweiten Tourentag in Tahoe machen wir uns auf Richtung Süden, Richtung Mammoth und zur „richtigen“ Eastern Sierra. Die Fahrt führt eher an den Bergen entlang als hindurch. Je weiter man auf den Windungen der Straße nach Osten kommt, desto trockener ist es. Zur Linken ist die Landschaft steppenartig, irgendwann tauchen die bizarren Gesteinsformationen am Monolake auf. Links, im Osten, ist es sonnig. Zur Rechten hingegen hängt eine Wolkenwand. Knapp unter den Wolken fängt der Schnee an und lässt erahnen, dass es dort steil nach oben geht.

Mammoth liegt hinter der Wolkenwand auf 2400m. Während es am Monolake gefühlt noch eher Frühling war, ist hier zweifelsohne Winter. Wir schlittern mit dem Leihauto in den Parkplatz unseres Motels und flüchten vor beißendem Wind und waagrechtem Schneefall nach drinnen.

Der nächste Tag zeigt sich sonnig, aber noch immer sehr windig. Auf Empfehlung von Frank beginnen wir ihn mit Frühstückscroissants in Schat's Bakery. Die Croissants sind etwa dreimal so groß wie in Europa handelsübliche Croissants und mit Bacon und Rührei gefüllt. Danach möchte man erstmal länger nichts essen. Ideal also als Skitourenbasis, vorausgesetzt es wird einem nicht zu schlecht.

Wegen des Winds und des allgemein eher zweifelhaften Wetters entscheiden wir uns auch hier erstmal für eine Standardtour, diesmal in Sichtweite des Skigebiets von Mammoth. Belohnt werden wir mit wechselhaftem Schnee und einer interessanten Aussicht nach Westen tiefer in die Sierra hinein und über die Vorberge im Osten.

Die Skitourenmöglichkeiten in der Eastern Sierra befinden sich großteils, grob gesagt, zwischen Mammoth im Norden und Bishop im Süden. Südlich von Bishop im Bereich von Lone Pine und Big Pine gibt es auch noch interessantes Gelände, es ist aber weiter von der Straße weg und die Zustiege werden etwas mühsamer. Der 4421m hohe Mount Whitney, der höchste Berg der USA außerhalb Alaskas, liegt etwa 70 Meilen südlich von Bishop und wird im Frühjahr nicht selten als anspruchsvolle Skitour gemacht. Die Skitourenbibel für die Gegend ist ein Buch namens Backcountry Skiing: California's Eastern Sierra von Dan Mingori und Nate Greenberg.

Wir verbringen den folgenden Schlechtwettertag mit einem Besuch bei den nahegelegenen Hotsprings, einer ziellosen Autofahrt Richtung Sonne (dafür muss man nur 10 Minuten nach Osten...) und Bibelstudium. Abends gesellt sich nochmal Frank zu uns – er möchte über das Osterwochenende in der Eastern Sierra zelten.

Franks Plan bestehd darin, ein Tal (Rock Creek Valley) soweit hoch zu fahren, wie die Straße geräumt ist, dann den Rest des Tals hoch zu laufen, am Ende über einen Pass (Cox Col) in das nächste Tal abzufahren und anschließend dort zu zelten. Damit wären einige der begehrenswertesten Abfahrten aus der Bibel am nächsten Tag in Reichweite. Frank versucht, alle nach und nach abzuhaken.

Schnell wird am nächsten Morgen klar, dass die Straße noch nicht sehr weit hoch geräumt ist. Ein Räumfahrzeug, nur wenig über die aufgeschobenen Schneewände emporragend, schien der Aufgabe nicht so recht gewachsen. Frank versichert uns im Vorbeigehen:

„Doch, doch, in zwei Wochen ist bis hinter geräumt, dann ist Fishmas!“

„Fishmas?“

„Ja, da kommen die Angler, dann fängt die Saison an. Ist ein Riesenevent! Für die wird selbstverständlich geräumt!“

Da wir keine Angler sind und außerdem zwei Wochen zu früh, schleppen wir unsere Rucksäcke eine gefühlte Marathondistanz das Tal hoch, den Cox Col immer im Blick. Irgendwie kommt er einfach nicht näher.

Die Sonne brennt, trotz relativ kalter Temperaturen. Frank hat eine Art Tauchermaske mit Schildkappe, die er speziell für Touren in der Eastern Sierra erworben hat. Wir behelfen uns mit Mützen und Bandanas und sehen allesamt aus wie vermummte Bankräuber, die in einen Outdoormarkenfarbtopf gefallen sind.

Franks Ambitionen, auf dem Weg zum Cox Col noch das sehr verlockende Cat's Ears Couloir mitzunehmen, schmelzen angesichts fast 20 Kilometern Strecke und 1600hm schnell dahin, vor allem, weil sich der Schnee des letzten Sturms noch kaum gesetzt hat und der Rest der Gruppe schon ziemlich auf dem Zahnfleisch geht. Die letzten Meter auf den 3960m hohen Col werden zu Fuß bewältigt – nach dem langen, flachen Talmarsch ist das steilere Gelände durchaus willkommen – und es bleibt noch eine knappe Stunde Sonne, um hinten abzufahren und einen Zeltplatz zu suchen.

400 Meter weiter unten, neben der zugefrorenen und verschneiten Ebene des Lake Italy, schlagen wir an einem großen Stein die Zelte auf. Sollte es windig werden, sind wir hier geschützt. Zumindest reden wir uns das ein. Alle sind zu müde, um noch länger nach einem besseren Platz zu suchen. Geplättet von der Kilometern, den Höhenmetern, dem Rucksackgewicht und der Größe der Berge, kriechen wir in die Schlafsäcke. Frank versichert: Außer uns ist hier im Umkreis von mindestens 15 Kilometern keine Menschenseele.

Für den nächsten Tag hat er das Nordcouloir am Feather Peak im Auge. Feather Peak liegt nochmal ein Tal weiter und wir marschieren wieder bei brennender Sonne und mit kalten Füßen (gefrorene Skischuhe sind jedes Mal wieder ein Erlebnis!) zum nächsten Pass. Feather Peak ist, wie viele der prominenteren Gipfel hier, eine Art breiter Granitturm, der oben mehrere Nadeln bildet. Zwischen zwei der Nadeln ist das beeindruckende Couloir. Leider verläuft eine ebenso beeindruckende Anrisskante quer hindurch. Angesichts des noch immer relativ umständlichen Zustiegs und den wenig vertrauenerweckenden Schneebedingungen legen wir ein Veto ein.

Als Alternative bleibt ein namenloser Gipfel in der Nähe des Übergangs ins nächste Tal mit gemäßigteren Abfahrtsvarianten und vielversprechender Aussicht. Wie alles hier, ist auch dieser Gipfel weiter weg als gedacht. Glücklich, wer abends nur hinter dem nächsten Hügel ins Zelt fallen muss. Wir lassen uns Zeit, genießen die Aussicht und die völlige Menschenleere. Der Schnee ist dann auch erstaunlich gut und selbst Frank scheint zufrieden.

Die zweite Nacht ist etwas windiger und der Himmel kündigt an, was der Wetterbericht schon vor unserem Anmarsch wusste: ein Sturm zieht auf. Wir packen unsere Sachen und machen uns wieder auf Richtung Cox Col. Als wir abfahren, ziehen bereits die ersten Schneeschauer auf. Zurück am Auto ist es immerhin noch lange genug sonnig, um, fertig vom langen Rausschieben, auf dem Parkplatz liegend ein Bier zu trinken.

Das schlechte Wetter bleibt uns zwei weitere Tage erhalten. Wir vertreiben uns die Zeit in den Hot Springs (auch bei Regen empfehlenswert) und mit einem Ausflug ins Death Valley. Von -10°C im Zelt und meterhohem Schnee in der Sierra sind es nur wenige Autostunden an einen der trockensten, heißesten Punkte der Erde. Überall sind Schilder, die vor Hitzschlag und Verdurstungstod warnen. Man soll die markierten Wege nicht verlassen, ja vielleicht am besten einfach im klimatiesierten Auto bleiben - bei +35°C erscheint auch uns das gar nicht so abwegig. Die Landschaft im Death Valley ist beeindruckend, von den Saltflats über die Dünen bis zu den bunten, wellenartigen Felsen.

Als Tagesausflug von Mammoth ist das Death Valley grenzwertig weit. Es loht sich, etwas mehr Zeit einzuplanen. Ansonsten sind sowohl Los Angeles als auch San Fransisco und der Rest der Bay Area von Mammoth aus in etwa 6 Stunden Autofahrt zu erreichen. Dem potentiellen Schlechtwetterprogramm, sollte selbiges mal länger andauern, sind also kaum Grenzen gesetzt.

An unserem letzten Skitag müssen wir leider feststellen, dass es ziemlich weit hoch geregnet hat. Wir entscheiden uns für eine relativ unspektakuläre Tourenoption nahe Tom's Place, die leicht von der Straße aus zu erreichen ist. Etwas unterhalb des anvisierten Gipfels drehen wir um: unter einer minimalen Neuschneeauflage ist der Schnee vom vorherigen Regen durchweicht und nicht wieder gefroren. Die unteren paar Hundert Höhenmeter dagegen bieten Firn vom Feinsten, wie wir ihn auf dieser Reise eigentlich erwartet hatten.

Nicht, dass ich mich über Powder beschweren würde, aber: sollte ich nochmal in die Eastern Sierra kommen, und das würde ich gern, würde ich den Besuch noch etwas später in die Saison legen. In einem guten Winter reicht der Schnee in hohen Lagen bis in den Hochsommer und ab Ende April gibt es, behaupten Frank und die Bibel, verlässlich tolle Firnbedingungen, die steilere Unternehmungen zulassen.

Fazit

Die Eastern Sierra bietet schier endloses Skitourenpotential. Neben einfach zugänglichen Optionen direkt oder fast direkt neben der Straße (auch hier kann man wählen zwischen gemütlich und recht anspruchsvoll), sind Schwierigkeit und Abgelegenheit beliebig erweiterbar, je weiter man sich in die Sierra hinein begibt. Dennoch bleibt alles, verglichen mit anderen Gebirgsregionen, einigermaßen zugänglich, da der Zugang durch nichts (zB Wald oder komplexe Gletscher) wesentlich versperrt wird. Mehrtägige Aktionen mit Zelt sind keineswegs notwendig, um hochinteressantes Gelände zu erreichen. Auch Tahoe ist natürlich einen ausgedehnteren Besuch wert.

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