Zum Inhalt springen

This page is also available in English.

Zur Powderguide-Startseite Zur Powderguide-Startseite
Abenteuer & Reisen

WinterCamping | Im Zeichen des Südstaus - Teil I

Mit dem Camper unterwegs in den Südalpen

von Totti Lingotti 23.01.2025
Seit nun mehr schon einigen Jahren versammeln sich einmal im Winter eineinhalb Handvoll Freunde, um mehr oder weniger ferne Bergregionen per Ski und Splitboard zu erkunden, aber auch um andere Länder und Kulturen kennenzulernen. Dabei ging es auch schon mal weit nach Rumänien, Kamtschatka oder Armenien, aber durchaus auch mal näher, wie z.B. ins Tessin. Diesmal, im Winter 2023/24, war das Ziel per Losverfahren auf die Julischen Alpen in Slowenien gefallen und zwar mit der Zusatzvorgabe ‚WinterCamping‘. Die Neuschneevorhersagekarten auf PowderGuide.com zeigten sich exakt für den Start besonders bunt und alle waren voller Vorfreude. Doch es sollte alles etwas anders kommen als geplant… wie die ersten Tage verliefen, lest ihr im ersten Teil!

Für die Beteiligten ist dieser Wintertrip zwar schon ein Jahr lang ein fester Bestandteil des Kalenders und es wird trotzdem nicht selten aufgrund von beruflichen oder familiären Verpflichtungen oder -änderungen kurz vor Abfahrt nochmals alles in Frage gestellt. Bisher ging es dann aber trotzdem immer los und das allermeistens in eineinhalb Handvollbesetzung. Diesmal waren wir aber nur zu sechst in Leutkirch im Allgäu eingetroffen. Um genau zu sein, waren wir erstmal nur zu zweit, da ein Teil mit dem Zug angereist war und die Deutsche Bahn ja allermeist nicht ganz pünktlich auf Haupt- und vor allem Nebenstrecken ist. So war noch Zeit für eine ausgiebige Einweisung in die zwei Camper, die wir von Sunlight gemietet hatten. Und für ein intensives Studium der damals gerade frisch programmierten Wetter- und Schneekarten auf PowderGuide.com.

Der Winter 2023/24 hatte im Süden praktisch erst Anfang Februar 2023 begonnen. Dafür hatte dann Frau Holle innerhalb von drei Wochen drei heftige Südstaus produziert, die es allesamt schafften als PowderGuide PowderAlarme Erwähnung zu finden. Die Schneelage war also, für den in der zweiten Märzwoche geplanten Trip, ok. Sicherlich nicht berauschend, aber just für das erste Wochenende wurde der vierte PowderAlarm innerhalb kürzester Zeit ausgerufen, und die Vorfreude war groß. Das größere Thema war die schwankende und schlecht vorhersagbare Schneefallgrenze in den nächsten Tagen.

Man muss dazu wissen, dass der Zeitraum und das Ziel schon in der letzten Nacht des letztjährigen Trips ausgerufen wird. Das war 2023 in Armenien. Es ist ein festes Ritual, dass eine ‚externe Losfee‘ die, von den Anwesenden eingereichten, Vorschläge ziehen muss - und dabei entstehen so manch interessanten Geschichten. Um ein Bild zu manifestieren und das Ende des Südstau-Trips schon ein klitzekleinwenig vorweg zu nehmen: Diesmal fanden wir uns durch Zufall in der einzigen noch offenen, gutbürgerlichen und bayrischen Wirtschaft in Nesselwang wieder. Nicht mal google konnte uns aber vorwarnen, dass kurz vorher der Pächter gewechselt hatte und wir auf dem Weg in eine mittelalterlich gestalteten Gaststätte waren. Das Essen und das Bier waren herrlich lecker, aber die Losfee war sonderbar bekleidet - aber dazu später mehr.

Das Los in Armenien fiel jedenfalls auf die Julischen Alpen, im Dreiländereck Österreich-Italien-Slowenien, hauptsächlich in Letzterem gelegen und durchaus schroff und steil, jedoch mit unter 3.000 m nicht sehr hoch. Das sollte noch an Gewicht gewinnen. Da das Los aber auch Gewicht hat und die Ausgangslage nicht gar so schlecht war, wurde über schlechtes WLAN im Zug gemeinsam nochmals bestätigt, dass es in die Richtung gehen soll. Einstimmig war auch die Entscheidung das stürmisch vorhergesagte Wochenende nicht schon ganz im Süden zu verbringen, sondern in Etappen über Dachstein/Krippenstein und Obertauern noch Freunde und etwas Schnee und besseres Wetter (be)suchen zu gehen. So landeten wir in der ersten Nacht auf dem Parkplatz in Obertraun und machten es uns erstmal gemütlich in unserem neuen Zuhause für die nächsten Tage.

Nach einer ersten, kurzen Nacht begrüsste uns am Morgen ein wolkenloser Himmel und von Sturm war an der Talstation nichts zu spüren. Der wurde uns erst bewusst(er) als wir in der bedenklich schwankenden Gondel über der Angeralm waren. Beim Austreten aus der Bergstation blies uns der Föhnsturm mit voller Wucht aus Süd ein intensives peeling ins Gesicht und schnell machten wir kehrt, um uns bis zur Nasenspitze einzupacken, direkt in die Skier zu springen und dem Sturm auf der nordseitigen mit 9 km und 1500 Hm längsten Abfahrt Oberösterreichs den Rücken zu zeigen und die Oberschenkel aufzuwärmen.

Die zweite Runde machten wir dann einen Abstecher in die Imisl-Variante und stellten schnell fest, dass der Wind ganze Arbeit geleistet hatte. Mit Powder war nicht zu rechnen, aber trotzdem erfreuten wir uns an dem reichlich vorhandenen Offpiste-Gelände - immer auf der Hut vor den beeindruckenden Karstlöchern, die in bedenklich reicher Anzahl mit ihrem offenen Schlund versuchten uns zu verschlucken. Das ist am Krippenstein grundsätzlich eine große, diesmal sicherlich die größte Gefahr, denn so etwas wie Lawinen konnte sich in dieser Schneedecke nicht wirklich entwickeln. Nach einem Besuch bei Freunden in den Hütten von Krippenbrunn und weiteren Kilometern im mittlerweile sulzigen Schnee auf der dritten Runde, wurde im Tal bei schönstem Wetter erstmal Mittagessen genossen. Für die letzte Abfahrt konnten dann nicht mehr alle motiviert werden. Ein Teil machte sich jedoch nochmals auf den Weg zum Gipfel, denn es hieß die Schönberg-Variante könnte angefirnt sein!

An der Bergstation angekommen kämpften wir uns bei eindrücklichen Wolkenformationen, die vom Sturm aus Süden über die Gipfel geschoben wurden, gegen den Wind in Richtung Heilbronner Kreuz. Und mussten mal wieder feststellen, dass Föhnstürme ganz und gar nicht warm sind, wenn man sich direkt darin befindet. Und als wir uns auf die ersten Abfahrtsmeter machten, mussten wir auch akzeptieren, dass kalter Wind die Märzsonne durchaus im Schach halten kann, wenn er denn ausreichend stark bläst - in Konsequenz war ganz und gar kein Firn zu finden. Eher eisige Verhältnisse begleiteten uns zur Mittelstation an der Schönbergalm. Trotzdem machten wir uns durchaus zufrieden am späten Nachmittag nach diesem intensiven ersten Tag auf den Weg, um aus der Basis Obertraun ein Obertauern zu machen und auf die südliche Seite des Dachsteins zu wechseln. Und auf der Fahrt bekamen wir schon die ersten Schneeflocken des Südstaus um den Camper geweht.

Auch wir haben während diesen Trips schnell festgestellt, dass heutzutage WinterCamping gar nicht mehr so unbeschwert ist wie vor 20 Jahren. Damals waren die Parkplätze noch leer, die Camper innen vereist und es war mit einer Portion Rücksicht gegenüber der lokalen Strukturen und Bevölkerung durchaus möglich in respektvoller Art und Weise in ein freundliches Miteinander zu kommen. Mittlerweile sind viel mehr Camper auch im Winter unterwegs und leider sieht man auch immer wieder viel Müll um die Parkplätze - von den Hinterlassenschaften in den nahen Wäldern möchte ich gar nicht schreiben. Dazu beigetragen hat sicherlich die Corona-Pandemie, in der das Thailand-Urlaubsgeld in einen neuen Camper investiert wurde, doch auch der höhere Komfort, der in den Camper heutzutage realisierbar ist, tut sein Übriges. Gepaart mit dem wachsenden gesellschaftlichen Phänomen des ‚vermehrten Nehmens und weniger Gebens‘ ergibt sich da manch berechtigter Unmut in der lokalen Bevölkerung.

Wir sind der Meinung, dass anstatt der Fäkalien durchaus das Geld und die gute Laune im Tal gelassen werden kann, Ersteres z.B. im Schwimmbad oder in der Therme, im Restaurant, zum morgendlichen Kaffee beim Bäcker und natürlich abends in der Bar bei den wohlverdienten Bieren oder einem gemütlichen Glas Rotwein. Letzteres da überall, um einen kleinen Beitrag zu leisten, dass Camper anders wahrgenommen werden. Dann würden sicher nicht so viele öffentlichen Parkmöglichkeiten abkassiert oder private Almparkplätze rigoros gesperrt werden. So war zumindest auch das Feedback vom Wart des Jugendhotels Felseralm, der gleich aufgeregt auf uns zu gerannt kam als wir am nächsten Morgen mit zwei Campern auf den Parkplatz vorfuhren. Früher hatten sie regelmäßig Übernachtungen im Camper zugelassen, aber das nahm deutlich überhand und nachdem niemand in das Restaurant ging und der Parkplatz dafür vermüllt und vollgeschissen war, stellten sie ihre Gastfreundlichkeit ein, wie er erklärte. Sehr schade, aber mehr als verständlich!

Tagesparkplätze sind dort weiterhin geduldet und so konnten wir uns ein paar Aufstiegsmeter sparen. Um dorthin zu gelangen mussten wir aber das erste Hindernis erstmal überwinden, denn als gutbürgerliche Verkehrsteilnehmer stellten wir uns am Beginn der kleinen Passstraße pflichtbewusst an die rote Ampel und warteten auf das Grün. Das kam jedoch nicht und wir dachten schon die Straße sei gesperrt bis wir endlich merkten, dass einfach der Knopf gedrückt werden muss! Manch Herausforderung ist einfacher lösbar als gedacht. Diejenige, die wir uns für den Tag ausdachten, war dann leider nicht ganz so einfach lösbar.

Wir begaben uns auf die Spuren von Chris Skala und wollten seinen PowderGuide-TourenTipp zur Glöcknerin nachvollziehen, aber der Schneefall und der Sturm hatten bis zum Abmarsch schon deutlich zugenommen. Der positive Nebeneffekt: Es lag schon einiges an Neuschnee und die Vorfreude wuchs auch. Der negative Effekt: Die Sicht- und Lawinenverhältnisse wurden dadurch nicht besser und wir entschieden uns zumindest durch den steilen Wald mal bis zum Kreuz aufzusteigen und die Situation neu zu beurteilen. Dort blies uns schon gehörig der Sturm um die Ohren und die Sicht war mitunter miserabel, wir ließen uns davon aber noch nicht (ganz) entmutigen. Als wir kurz darauf dann in einem Sichtfenster eine Gruppe weiter oben schon mit dem Sturm kämpfen und umbauen sahen und wir uns in den Böen kaum aufrecht halten konnten, waren wir dann auch überzeugt und machten uns für die Abfahrt bereit. Diese machte dann vor allem in unteren Teil sehr viel Freude und wir genossen die Schwünge in frischem Schnee!

Die gewonnene Zeit machten wir uns gleich zunutze und verlagerten unsere Basis direkt nach Italien nach Tarvisio, um dort noch eine kleine SPA-Einheit in einem Hotel einzulegen. Währenddessen prasselte der Regen auf das Vordach und wir malten uns die tief verschneiten Hänge der Sella Nevea aus, die wir am nächsten Tag in den realen Augenschein nehmen wollten! An Tourengehen war aufgrund einer recht hohen Schneefallgrenze und dem Fakt, dass oberhalb von 1800 m eine große und darunter eine erhebliche Lawinengefahr ausgerufen wurde, erstmal nicht zu denken. Es klang jedenfalls so, als ob sehr viel Schnee gefallen war und für Montag in den frühen Morgenstunden sollte der starke Niederschlag langsam abflauen.

Wie es weitergeht, lest ihr bald im 2. Teil der Story ‚WinterCamping - Im Zeichen des Südstaus‘!

Fotogalerie

Ähnliche Artikel

Kommentare

Lade...
Es sind noch keine Kommentare vorhanden.

Anmeldung

Wenn du noch kein Benutzerkonto bei uns hast, kannst du dich kostenlos registrieren.