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Abenteuer & Reisen

Reisetagebuch | Freerideabenteuer in Georgien

Unterwegs zwischen Mestia, Tetnuldi und Ushguli

von Irian van Helfteren 04.11.2018
Ein Reisebericht in Tagebuchform von unserem Reporter Irian, der als Snowboardführer in Georgien unterwegs war. Irgendwo zwischen Schlaglöchern, Powder, der herzlichen Gastfreundschaft und der spektakulären Landschaft hat er sich in das Land verliebt:

Tag 1

Um 2.55 Uhr landen wir am Kutaisi Flughafen. Nur 30 Meter hinter dem Zoll stehen wir auf der Straße, wo das Taxi auf uns wartet und uns zu unserer ersten Unterkunft bringt. Nach dem Frühstück, mit Bratkartoffeln und einer Art Kebab, fahren wir nach Mestia im Norden Georgiens, eine Kleinstadt in der Region Svaneti. Unser Taxifahrer manövriert uns geschickt durch die Straßen voller Löcher, Kühen, Schweinen und Hühnern. Fünf Stunden und 200 Kilometer später sind wir in Mestia angekommen. Jedes größere Haus hat einen riesigen, mittelalterlichen Wehrturm im Garten stehen, was den Ort zum UNESCO-Welterbe macht. Mestia liegt auf 1500 Metern und ist unsere Basis für die kommenden Tage.

Tag 2

Wir wohnen bei einer Familie, deren Leben zu Hause sich vor allem in der Küche abspielt. Der Holzofen ist das Wichtigste im Haus. Hier wird drei Mal am Tag gekocht, der Müll verbrannt und unsere Kleidung getrocknet. Wir empfinden das Leben hier als pur. Die Locals sind sehr freundlich, alles wird geteilt und alles was auf den Tisch kommt, ist selbst gemacht. Vier Generationen leben in dem Haus und jeder hat hier seine Aufgaben.

Beim Abendessen besprechen wir unsere Möglichkeiten. Wir entscheiden uns erst einmal für das Skigebiet Hatsvali, weil Neuschnee kommen soll. Hatsvali liegt nicht so hoch und bietet Treeruns. Es ist ein kleines Ressort mit zwei Sesselliften, die von Mestia aus bis auf den 2300 Meter hohen Mount Zuruldi hochfahren. Die nächsten zwei Tage starten wir unser Freeride-Abenteuer also in Hatsvali. Es gibt mehr als 60 Zentimeter Neuschnee. Der steile Wald aus Fichten und Birken bietet einen riesigen Spielgarten mit vielen Pillows. Vom höchsten Punkt des Skigebiets aus laufen wir jedes Mal weiter den Grat entlang und immer wieder werden wir mit neuen unverspurten Schneisen belohnt. Als wir vom Lift nochmal 30 Minuten aufsteigen, finden wir kein Gipfelkreuz, dafür ein Rudel Hunde, das uns den restlichen Tag fröhlich hinterherrennt. Selbst während wir in den modernen Sesselliften sitzen, laufen die Hunde unter uns mit.

Tag 3

Wir wachen in einer gelben Landschaft auf. Über Nacht sind zwei Zentimeter Sand aus der Sahara auf die weißen Berge gefallen.

Tag 4

Es regnet. Auch hier gibt es Downdays. Wir nutzen die Zwangspause, um das Dorf zu erkunden und das Museum zu besuchen. Alles im Dorf gibt uns das Gefühl, in der Zeit zurückgereist zu sein. Nur die Sessellifte und das Museum sind sehr modern. Mestia investiert in die Zukunft. Fast jedes zweite Haus im und rund ums Zentrum ist eine Baustelle, weil jeder Gästezimmer anbauen möchte. Im Sommer gibt es anscheinend viel Tourismus in Mestia und die Menschen hoffen, dass die Besucher in den kommenden Jahren auch im Winter öfter kommen.

Tag 5

Nach unserem Downday starten wir voller Enthusiasmus in den nächsten Tag: Es geht ins Skigebiet Tetnuldi. Tetnuldi ist 45 Minuten von Mestia entfernt und liegt 2200 bis 3100 Meter über dem Meeresspiegel. Vier Sessellifte führen in flaches bis mittelsteiles Gelände. Wir sind froh über das hochgelegene Gebiet, weil es bis 2000 Meter hinauf geregnet hat. Das schlechte Wetter hat überall zu Erdrutschen geführt und einmal blockiert sogar eine große Tanne die Straße. Aber unser Fahrer kennt seinen Four Wheel Drive gut und hat keine Probleme mit solchen Hindernissen.

Das Skigebiet soll um 10 Uhr aufmachen. Zusammen mit ungefähr 40 Leuten stehen wir an, aber nichts passiert. Nach einer Weile bekommen wir vom Betreiber zu hören, dass der Lift geschlossen bleiben muss, weil Kabel eingefroren sind. Die wartende Menge ist alles andere als erfreut und es kommt zu einem kleinen Aufstand. Nach ein paar Minuten machen wir auch mit und rufen: „We want to ski, we want to ski…“ Zehn Minuten später kommen tatsächlich zwei Snowcats angefahren und bringen uns alle hoch ins Gebiet. Auf, hinten und sogar vorne in der Schaufel stapeln sich Ski und Snowboards.

Wir haben Splitboards dabei und amüsieren uns den restlichen Tag in dem sehr spielerischen Gelände – überall warten natural Hits und Rinnen auf uns. Nach jeder Abfahrt hiken wir das Skigebiet wieder hoch. Schneeprofile, die wir graben, sagen uns, dass sich der Schnee auf der Höhe relativ gut gesetzt hat, was für unsere Planung der kommenden Tagen hilfreich ist.

Es ist bewölkt. Aber immer wieder sehen wir zwischen den Wolken hindurch ein paar Berggipfel. Die lassen erahnen, wie schön es sein muss, wenn man hier Ausblick hat auf das Bergpanorama mit mehreren Fünftausendern.

Tag 6

Wir fahren wir nochmal nach Tetnuldi. YES! Die Lifte haben heute offen, zwar mit 20 Minuten Verspätung, aber sie funktionieren. Nach ein paar Runden unverspurtem Tiefschnee direkt neben der Piste hiken wir hoch bis zu einem kleinen Gipfel auf 3200 Metern. Wieder kommen Wolken, Wind und es fängt an zu schneien. Ständig schaue ich, wie sich die Sicht ändert, jederzeit zur Rückkehr bereit.

Eins weiß ich sicher: In Georgien möchte ich kein Risiko eingehen. Es gibt zwar einen österreichischen Wucher Hubschrauber in Mestia, aber der ist zum Heliskiing da. In den Skigebieten ist man eher auf sich selbst angewiesen.

Wir erreichen unser geplantes Ziel und starten unsere Abfahrt. Eine langer Run in offenem, alpinem Gelände, dann flaches, gemütliches Terrain mit ein paar kleinen Bäumen und ein lange, steile Schneise durch den Wald. In der Schneise müssen wir öfter einen kleinen Fluss oder Wasserfall überqueren. Nirgendwo ein Zeichen von Leben. Im Tal angekommen, finden wir einen Weg, der uns talauswärts führt. Endlich ein Zeichen von Zivilisation: Zwei Jäger mit Maschinengewehren und Fernglas schauen uns verwundert an. Ein wenig später erreichen wir das mittelalterliche Dorf Zhebushi, wo unser Taxi schon auf uns wartet.

Am Abend schaue ich mir nochmal den Wetterbericht an und entscheide, am nächsten Tag weiter nach Ushguli zu fahren. Ushguli ist das am höchsten gelegene, ganzjährig bewohnte Dorf Europas. Wir haben aber überhaupt nicht das Gefühl, in Europa zu sein. Ushguli liegt auf 2200 Metern und noch vor ein paar Jahren war Ushguli sechs Monate pro Jahr durch den Schnee völlig abgeschnitten von der restlichen Welt. Mittlerweile wird der gefährliche Bergweg ab und zu geräumt für die paar Touristen, die sich im Winter trauen, den Weg zu befahren.

Tag 7

Von Mestia nach Ushguli sind es 42 Kilometer, hauptsächlich auf Schotterstraßen. Wir haben den richtigen Tag erwischt. Die Straßen sind frei von Schnee und Steinlawinen. Links und rechts immer wieder kleine Dörfer, in denen nur ein oder zwei Familien leben. Alle anderen Häuser sind Ruinen. Aber anhand der großen Glasfronten und der schönen Holzverarbeitung lässt sich erkennen, dass es eine reiche Gegend gewesen sein muss.

Nach zweieinhalb Stunden kommen wir in Ushguli an. Die letzte Straße zu unserer Unterkunft Angelina ist allerdings zu steil für den Geländewagen. Nach mehreren Versuchen geben wir auf und laufen die letzten Meter. Hier wird kein Wort Englisch geredet. Die Kommunikation läuft mit Händen und Füßen - und 'Madloba' (Dankeschön).
Ushguli besteht aus vier Dorfteilen. Nach einem Tee und einem Kaffee packen wir unsere Splitboards aus und erkunden die Gegend. Es fängt wieder an zu schneien.

Es ist surreal. Wir in unserer farbigen Goretex-Kleidung in einer Landschaft, wo nur eine Stromleitung darauf hindeutet, dass wir nicht im Jahr 1500 gelandet sind. Es ist sehr eindrucksvoll und ruhig... eine alte gebückte Frau läuft an uns vorbei und ein Schwein folgt ihr auf einem Meter Abstand. Eine Mutter holt mit zwei Eimern Wasser aus einem Brunnen und ein Mann reitet auf seinem Pferd vorbei. Man spürt, wie urig und ursprünglich das Leben hier ist. Etwas, das wir durch Technik und Maschinen verloren haben.

Wir machen noch eine kleine Tour mit den Splitboards zu einer auf einem Berg gelegenen Ruine, bevor wir zu unserer Unterkunft zurückkehren. Dort genießen wir köstliches Essen aus verschiedenen Bohnen- und Fleischgerichten und bei einem Glas Wein planen wir die Tour für den nächsten Tag, ein Gipfel auf 3100 Metern.

Tag 8

Wir stehen um 7 Uhr auf, weil wir das vorhergesagte Gutwetterfenster mittags am Berg nutzen wollen. Um 8 Uhr starten wir unsere Tour. Nach nicht einmal zwei Stunden ziehen Wolken auf. Ich entscheide, die Tour abzubrechen. Aber einige unverspurte Tiefschneeschwünge zaubern uns wieder ein Lächeln ins Gesicht. Zurück in Ushguli schauen wir Bilder von einem Künstler an und am Nachmittag versuchen wir unser Glück noch einmal. Diesmal klappt es. Wir erreichen den Gipfel und genau da lässt sich die Sonne blicken. Kurz bekommen wir ein eindrucksvolles Bergpanorama zu sehen, aber schnell ziehen sich die Wolken wieder zusammen.

Wir sind am Südrücken hochgelaufen und fahren den steileren Westhang hinunter. Es ist später Nachmittag, aber die Sonne hat heute nicht viel Einfluss auf die Schneedecke gehabt und die Nassschneelawinen sind mit dem letzten Warmwettertag schon abgegangen. Im oberen Teil finden wir super Schneebedingungen. Weiter unten ist der Schnee feucht und in der letzten Rinne, durch die wir müssen, liegt eine Nassschneelawine. Ein anstrengender Tag, aber die Mühe hat sich gelohnt. Als wir bei der Unterkunft ankommen, wartet wieder eine herrliche Mahlzeit auf uns.

Tag 9

Wir fahren zurück nach Mestia. Es ist warm geworden und es regnet, mit dem Wetter haben wir es nicht getroffen... Wir fahren durch eine Landschaft wie in Game of Thrones und das schlechte Wetter macht mir Sorgen. Heute morgen sind unsere Fahrer von Mestia zu uns gefahren und haben auf dem Weg acht Stein- und Schneelawinen geräumt. Auch wir müssen zwei Mal stoppen, weil Steine vor uns auf die Straße fallen. Rechts von uns ist ein steile Felswand, mehrere hundert Meter hoch. Links eine 50 Meter tiefe Schlucht. Zum Glück ist die gefährliche Passage nach ein paar Kilometern vorbei und ich kann mich wieder zurücklehnen.

In Mestia packen wir unser Gepäck wieder aus und jeder verbringt noch etwas Zeit für sich. Ich besuche den Teil von Mestia, den ich noch nicht gesehen habe. Ich genieße die schöne alte Architektur, die Ruhe, die Tiere, die überall herumlaufen und die freundlichen Einwohner. Ich sehe aber auch, dass die Touristen Geld bringen und die jungen Leute moderne Häuser aus Beton und Autos mit Allradantrieb haben wollen. Die schönen alten Häuser verfallen, langsam wir auch hier alles modernisiert. Aber ein Teil ihrer Kultur im Einklang mit der Natur wird wahrscheinlich beibehalten. Am Abend treffen wir uns im Kaffeehaus, ab 19 Uhr läuft im Hinterzimmer immer ein Film.

An unserem letzten Tag fahren wir nochmal nach Tetnuldi. Wieder liegt Tetnuldi gerade hoch genug, dass wir guten Tiefschnee haben - und die Lifte funktionieren. Wir machen viele First Lines direkt unter dem Lift und shapen die natural Hits für mehr Airtime.

Der Weg zurück zum Flughafen ist wie jede Autofahrt hier spannend. Unser neuer Taxifahrer fährt teilweise mit 140 km/h über Straßen, die noch immer voller Löcher, Kühe, Schweine und Hunde sind. Immer, wenn ich ihn bitte langsamer zu fahren, macht er das maximal zwei Minuten. Erst am Flughafen kann ich mich wieder entspannen.

Mit viel Freude denke ich nochmal zurück an das Abenteuer Georgien. Die Autofahrten werde ich nicht vermissen, aber zum Freeriden finde ich, ist Georgien ein sehr schönes Land, vor allem zum Touren Gehen in einer Wildnis, die man in den Alpen kaum noch findet

Wer einen Trip nach Georgien mit Irian als Guide unternehmen möchte, findet hier weitere Infos.

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