Weiter gehts mit dem International Snow Science Workshop 2016 und den dort vorgestellten Studien: Nachdem wir uns in Teil 1 bereits mit einigen Themen beschäftigt haben, die eher mit der Natur der Sache(n) Schnee und Lawinen zu tun haben, geht es nun in Richtung Menschen und deren Umgang mit Lawinen. Lawinenlageberichte und die Behörden, die diese ausstellen, sind für uns als Wintersportler ungemein wichtig, aber ihr Job ist nicht immer einfach. Einerseits natürlich weil der Schnee nicht immer das macht, was man vielleicht erwarten würde, andererseits weil sehr komplexe Sachverhalte möglichst einfach und intuitiv kommuniziert werden müssen. Was gibt es hier aktuell für Fragestellungen und wie wird daran heran gegangen?
Gefahrenstufe: Konsistenz zwischen Warndiensten?
Lawinenwarndienste haben die schwierige Aufgabe, viele verschiedene Informationen in einer einzigen Zahl zusammen zu fassen: der Gefahrenstufe. Natürlich enthalten die Lageberichte nicht nur die Gefahrenstufe, aber sie ist für viele der wichtigste – wenn auch hoffentlich nicht der einzige – wahrgenommene Inhalt. Lawinenwarner aus den USA haben sich folgende Frage gestellt: Kommen Lawinenwarner mit den gleichen Informationen immer zum gleichen Ergebnis, also der gleichen Gefahrenstufe? Die Studie bezieht sich auf die nordamerikanische Gefahrenstufen Skala, die sich geringfügig von der europäischen unterscheidet und vornehmlich in den USA, Kanada und Neuseeland angewandt wird. Die Definition der Gefahrenstufen ist bei der amerikanischen Variante etwas weniger eindeutig. Um die Eingangsfrage zu beantworten, wurden 10 hypothetische Schneeszenarien entwickelt, basierend auf alten Lageberichten verschiedener Regionen. Für jedes Szenario gab es eine kurze Zusammenfassung zum Wetter der letzten Tage, der Schneedecke, der Lawinenereignisse der letzten Zeit, usw.
68 derzeit im öffentlichen Dienst aktive Lawinenwarner aus den USA, Kanada und Neuseeland wurden gebeten, für die 10 Szenarien eine Gefahrenstufe auszugeben. Die Auswertung zeigt, dass durchaus unterschiedliche Gefahrenstufen gewählt werden, auch wenn die Ergebnisse „im Groben" überein stimmen. In keinem der 10 Szenarien wurde von allen Teilnehmern die gleiche Stufe gewählt und in 9 der 10 Szenarien wurden mindestens 3 verschiedene Stufen angegeben. Meist wurde von der Mehrzahl der Teilnehmer die Stufe gewählt, die auch tatsächlich ausgegeben wurde. Abweichende Angaben lagen in der Regel nur um eine Stufe höher oder niedriger. Die höchste Übereinstimmung herrscht bei Szenarien der Stufen gering und mäßig. Bei höheren Gefahrenstufen ist die Übereinstimmung schlechter, insbesondere bei für die Vorhersage schwierigen Szenarien, in denen eine bis dahin trockene Altschneedecke durchfeuchtet wird oder ein Altschneeproblem besteht.
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass es zwar durchaus eine allgemeine Konsistenz gibt, die Variabilität zwischen den einzelnen Ländern, Institutionen und Personen aber dennoch Beachtung erfordert. Für einheitlichere Beurteilungen sei eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Warndiensten nötig, sowie gemeinsame Schulungen. Außerdem wird angeregt, anderen Informationen neben der Gefahrenstufe im Lagebericht mehr Gewicht zu geben. Es wird betont, dass die Umfrage aus verschiedenen Gründen nicht direkt mit dem operativen Betrieb verglichen werden kann. Lawinenwarner profitieren normalerweise stark davon, dass sie die Schneedecke die ganze Saison über beobachten – eine Wissensgrundlage, die bei den Umfrageszenarien naturgemäß nicht gegeben war.
Studie: Brian Lazar, Simon Trautman, Mike Cooperstein, Ethan Greene, Karl Birkeland, 2016. North American Avalanche Danger Scale: Do Backcountry Forecasters apply it ocnsistently? Proceedings, International Snow Science Workshop, Breckenridge, Colorado.