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Welt der Wissenschaft| Schneedeckenstratigraphie aus der Luft

50.000 “Schneeprofile” in 20 Minuten mithilfe von Drohnen und GPR

von Anna Siebenbrunner • 04.03.2024
Auf der Suche nach Schwachschichten innerhalb der Schneedecke testen die Salzburger GEORESEARCH Forschungsgesellschaft mbH und die Tiroler Lo.La Peak Solutions GmbH im Rahmen des Forschungsprojekts STRATIFY eine neue Methode zur Aufnahme einer Schneedeckenstratigraphie. Anders als beim herkömmlichen Schneeprofil erfolgt die Datenaufnahme hierbei aus der Luft, genauer gesagt per Drohne und GPR (Ground Penetrating Radar).

Von Schwachschichten und Schneeprofilen

Schneebrettlawinen entstehen bekanntlich aufgrund einer gebundenen Schicht (“Brett”) über einer Schwachschicht (z.B. eingeschneiter Oberflächenreif) in der Schneedecke. Das für WintersportlerInnen Tückische dabei ist, dass diese Schwachschichten oberflächlich nicht zu erkennen sind. Dabei spricht man vom sog. Altschneeproblem. Neben der Berücksichtigung der Informationen aus dem Lawinenlagebericht war das Graben eines Schneeprofils - bisher - die einzige Möglichkeit, Einblicke in die Schneedecke zu bekommen. Schneeprofile zu graben oder Schneedeckenstabilitätstests durchzuführen ist aber nicht gerade ungefährlich. Vor allem in Zeiten einer angespannten Lawinensituation kann der Aufenthalt in steilem Gelände riskant sein. Zudem liefern Schneeprofile immer nur punktuell zuverlässige Aussagen, für einen ganzen Hang oder gar eine Geländekammer sind Schneeprofile aufgrund der punktuellen Messungen daher nicht aussagekräftig genug.

Gerade für die Einschätzung der Gefahr von Schneebrettlawinen ist es aber essenziell, über die Ausbreitung der potenziellen Schwachschicht(en) Bescheid zu wissen. Sind diese flächenhaft ausgebreitet, steigt das Risiko einer Schneebrettlawine. Bei inhomogen auftretenden Schwachschichten ist die Bildung eines Schneebretts entsprechend weniger wahrscheinlich. Um an derartige flächenhafte Daten zum Schneedeckenaufbau zu kommen, ohne sich dafür in Gefahr begeben zu müssen, wurde im FFG-geförderten Forschungsprojekt STRATIFY ein neuartiger Ansatz entwickelt.

Die Kombination aus Drohne und Radar macht’s möglich

Die Drohne kann von einem sicheren Standort aus gesteuert werden, sodass menschliche Exposition im Gefahrenbereich nicht notwendig ist. Zur Datenerfassung ist die Drohne mit mehreren Sensoren ausgestattet: Das Altimeter (Radar oder LiDAR) stellt sicher, dass die Drohne einen vordefinierten Abstand zur Schneeoberfläche annähernd konstant einhalten kann. Der “Skyhub” dient als On-board-Computer. Das Georadar ist auf der Unterseite der Drohne angebracht.

Im Allgemeinen sendet ein GPR kurze elektromagnetische Wellen aus. Diese Wellen treffen auf verschiedene Materialien im Boden, wie z.B. Steine, Sand oder Wasser. Je nach Materialeigenschaften werden die Wellen unterschiedlich stark reflektiert, also zurückgeworfen. Das GPR empfängt die reflektierten Wellen und misst die Laufzeit des Signals. Aus dieser Zeit kann man berechnen, wie tief das jeweilige Material im Boden liegt. Auf die Schneedecke übertragen bedeuten “verschiedene Materialien” vereinfacht gesagt verschiedene Schichten an Schnee, die sich z.B. in ihrer Härte unterscheiden.

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50.000 “Schneeprofile” in 20 Minuten

Einem vorab erstellten Flugplan folgend fliegt die Drohne dann das Untersuchungsgebiet ab. Mit einer Akkuladung kann die Drohne ungefähr 20 Minuten in der Luft bleiben. In dieser Zeit können um die 50.000 Messungen durchgeführt werden, also deutlich mehr, als man an Schneeprofilen in dieser Zeit schaffen würde. Hat man Wechselakkus zur Verfügung, kann die Flugzeit verlängert werden. Ein kurzer “Layover” für den Akkutausch sollte dann in der Flugplanung berücksichtigt werden. Starke Windböen oder gefrierender Regen stellen eine Limitierung für die Anwendung dieser Methode dar.

Nach der Datenaufnahme ist vor der Analyse

Zur Evaluierung der Methoden werden nach der Absolvierung der Flugpläne Referenzmessungen durchgeführt. Das sind zum einen klassische Schneeprofile inklusive Stabilitätstest (ECT), zum anderen einfache Schneehöhenmessungen per Sonde. Letztere dienen als “Proxys” zur Validierung der Methode. Diese Referenzwerte werden im Nachgang bei der Datenauswertung und Analyse mit den GPR-Daten verglichen. So ist es möglich, Aussagen über die Validität zu treffen.

Aktuell befindet sich das Forschungsprojekt im zweiten Testwinter. Die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend. Wenngleich die Bedingungen aufgrund des schneearmen Frühwinters in der Saison 2022/23 nicht gerade ideal waren, konnten bereits einige Feldkampagnen durchgeführt werden. Während die Schneehöhe auf Basis der GPR-Daten schon in der vergangenen Saison recht zielsicher ermittelt werden konnte, gab es bei den Schneeprofilen noch etwas Luft nach oben. In der aktuellen Wintersaison steht daher zweiteres im Fokus. Der Plan ist, bei den zukünftigen Feldkampagnen möglichst viele Schneeprofile zu graben, um viele Referenzmessungen für die Validierung zur Verfügung zu haben.

Die Ergebnisse des ersten Testwinters wurden am International Snow Science Workshop (ISSW) vorgestellt, der im Oktober 2023 in Bend, OR stattfand. Der begleitende Konferenzbeitrag ist online verfĂĽgbar: Siebenbrunner, A.; Delleske, R.; Keuschnig, M.: UAV-BORNE GPR Snowpack Stratigraphy. International Snow Science Workshop Proceedings 2023, Bend, Oregon.

Wohin kann die Reise gehen?

Aktuell liegt der Fokus auf der Automatisierung der Datenanalyse. Eine schnelle Analyse der im Gelände aufgenommenen Daten ist im Kontext des Lawinenrisikomanagements schließlich essenziell. Davon hängt auch die Praxistauglichkeit dieser Methode ab. Die Ergebnisse der letzten Saison waren bereits vielversprechend. Die Zeichen stehen also gut, dass die “Schneedeckenstratigraphie aus der Luft” schon bald öfter zum Einsatz kommt.

Weitere Infos zum Thema

Weitere Infos zum Forschungsprojekt STRATIFY finden sich auf den Websites der beiden beteiligten Firmen:

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