Wintersaison 2014/15 – großes Angebot an Lawinenairbags
Doch nun zum Angebot an Lawinenrucksäcken. Den heutigen großen Markt für Lawinenairbagsysteme bereitete der Lawinenairbag-Pionier ABS (Peter Aschauer) während zweier Jahrzehnte vor. Die Konkurrenz auf dem Markt hat sich erst in den letzten Jahren durch neue Systeme und Rucksäcke verstärkt. Für den Endkunden führt dies zu der erfreulichen Konsequenz, dass das Angebot steigt, die Preise sinken und innovative Alternativen verfügbar sind; gleichzeitig aber wird der Markt unübersichtlicher. Es lohnt sich also, genauer hinzusehen und sich über die unterschiedlichen Rucksäcke und System zu informieren.
Welche Airbagsysteme sind erhältlich und wie unterscheiden sie sich?
Bis zum Jahr 2013 waren es fünf verschiedene Lawinenairbagsysteme: Die Systeme von ABS, Snowpulse und deren Weiterentwicklung durch Mammut (seit 2011), Backcountry Access (BCA), Wary (Avi-Vest) und Mystery Ranch. Die beiden letztgenannten Firmen kommen aus den USA, konzentrieren sich dabei hauptsächlich auf den nordamerikanischen Markt und sind in Europa kaum oder gar nicht erhältlich – sie werden in den weiteren Betrachtungen deshalb vernachlässigt. BCA wurde 2013 von K2 übernommen und ist nun ebenso in vielen Geschäften erhältlich. Seit Herbst 2014 sind zwei neue Systeme – Alpride (bisher nur von Scott verbaut) und JetForce von Black Diamond (auch von den hausinternen Firmen Pieps und POC verbaut) erhältlich. Das Alpride-System verwendet die bekannte Technik des Aufblasens der Ballons mit Hilfe von komprimiertem Gas. Allerdings mit einem anderen Gasgemisch (und mit weniger Druck) in zwei kleineren Kartuschen, die auch im Flugzeug transportiert werden können. Das JetForce-System beruht hingegen auf der elektrischen Funktionsweise einer Hochleistungsturbine, die das Aufblasen der Ballons ebenso schnell – in ca. drei Sekunden – bewerkstelligt. Ein Vorteil des letztgenanntem Systems ergibt sich vor allem durch das beliebig häufige Auslösen des Airbags, z. B. zu Trainingszwecken (der Akku kann über Nacht wieder geladen werden) und dass keine problematischen Hochdruckkartuschen benötigt werden. Denn auf Flugreisen dürfen die unter hohem Druck stehende Gaskartuschen nur unter bestimmten Bedingungen mitgenommen werden – und in manchen Regionen überhaupt nicht (USA, Kanada). Die Systeme von ABS, Snowpulse, Mammut und BCA nutzen ebenfalls komprimiertes Gas zum Aufblasen der Auftriebskörper, es gibt aber von Mammut, Snowpulse und BCA wiederbefüllbare Alu-Kartuschen, die leer transportiert werden dürfen.
Wie unterscheiden sich die Auftriebskörper der verschiedenen Systeme?
In den Snowpulse-Rucksäcken wird das sog. „Lifebag-System“ verbaut, welches von Mammut zum austauschbaren P.A.S.-System (Protection Airbag System, seit 2013) weiterentwickelt wurde. Zusätzlich gibt es von Mammut noch das leichtere und günstigere R.A.S.-System (Removable Airbag System, seit 2011). Der Unterschied zwischen R.A.S.- und P.A.S.- bzw. Lifebag-Ballons liegt in der Art und Weise wie die Luftsäcke geformt bzw. wo sie in aufgeblasenem Zustand positioniert sind. Letztere werden hinter dem Kopf an der Oberseite des Rucksacks aufgeblasen und vergrößern sich rechts und links neben dem Kopf bis vor die Brust (ein Teil der Ballons befindet sich in den Trageriemen des Rucksacks). Dadurch können mechanischen Verletzungen des Kopfes und Oberkörpers während eines Lawinenabganges unter Umständen reduziert werden.4 Das R.A.S.-System wird an der Oberseite des Rucksacks ausgelöst, die Ballons vergrößern sich auch neben dem Rucksack, bleiben aber hinter bzw. neben dem Körper. Ähnliches gilt für das Alpride-, BCA- und JetForce-System, allerdings variieren die Verhältnisse von Volumen oberhalb des Rucksacks (hinter dem Kopf) zu neben dem Rucksack (hinter den Armen).
Das ABS-System verwendet noch immer zwei separate Ballons (sog. TwinBag), die ausschließlich an den Seiten des Rucksacks aufgeblasen werden. Mit 170 Litern besitzen die TwinBag-Ballons ein recht großes Auftriebsvolumen; nur die Auftriebskörper vom JetForce-System sind mit 200 Litern größer. Die anderen Systeme verfügen über ungefähr 150 Liter. Ein direkter Zusammenhang zwischen Airbagvolumen und Verschüttungstiefe oder anderen positiven Rettungseffekten (z. B. Lage des Kopfes nach Verschüttung) und dem Volumen bzw. der Positionierung der Auftriebskörper konnte bisher (aufgrund zu geringer „echter“ Fallzahlen“) nicht nachgewiesen werden.
Rucksack-Variabilität durch austauschbare Airbag-Systeme oder durch Lizenzpartner von ABS
Wer sich für das ABS-System entscheidet, kauft sich eine Basiseinheit (Powder, Vario oder Vario Limited Silver Edition) und kann dann zwischen verschiedenen ABS-Rucksack-Aufsätzen wählen. Die Aufsätze werden einfach mittels eines Reißverschlusses verbunden (ABS Zip-Ons). Die beiden letztgenannten Basiseinheiten können zusätzlich mit einem Rückenprotektor von Komperdell kombiniert werden. Zusätzlich gibt es mittlerweile von vielen anderen Rucksackherstellern kompatible Aufsätze, welche mehrheitlich mittels eines eigenständigen Tragesystems als Rucksäcke ohne ABS (z. B. im Sommer) genutzt werden können (ABS Zip-On Partner, einzig die Evoc-Zip-Ons haben kein eigenes Tragesystem!).
Außerdem wurden von ABS Lizenzkooperationen vergeben und von anderen Herstellern eigene Rucksäcke entwickelt in denen das ABS-System fest eingebaut ist (sog. ABS-Inside Partner). Bisher fährt hier nur Ortovox eine eigene Linie und hat das austauschbare auf das ABS-System aufbauende M.A.S.S. entwickelt, welches in verschiedenen Rucksäcken Platz findet und vom Benutzer gewechselt werden kann. Die ABS Limited Silver Edition ist das hochpreisigste Produkt von ABS und unterscheidet sich neben der silbernen Farbe von der herkömmlichen Vario-Einheit nur durch das Gewicht, und dass ein silbernes Rucksack-Cover und eine Karbon-Kartusche mitgeliefert werden.
Mammut hat sich mit seinen herausnehmbaren R.A.S.- und P.A.S.-Systemen der Variabilität von Lawinenrucksäcken zugewandt und es können mittlerweile zehn bzw. fünf verschiedene Rucksäcke gekauft werden, in die dasselbe Airbag-System eingebaut werden kann. Auch Mammut vergibt mittlerweile Lizenzen und gibt anderen Rucksack-Herstellern die Möglichkeit das R.A.S.-System zu integrieren (R.A.S. Inside Partner). Lifebag- und JetForce-Systeme sind fest in den jeweiligen Rucksack integriert.Dafür gibt es das JetForce-System auch in anderen Rucksackherstellern (JetForce Inside Partner). Das Alpride-System ist auch herausnehmbar, kann aber im Moment nur in die Rucksäcke von Scott eingebaut werden – zukünftig werden vermutlich noch andere Hersteller hinzukommen.