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Splitboard-Special Teil II | Bindungen

Die aktuellen Bindungssysteme für Splitboards im Vergleich

von Patrick Wehowsky 23.02.2012
Lange Zeit waren Splitboards bei tourengehenden Snowboardern in Europa verpönt. Zu schwer und damit zu träge sei ein Splitboard bei der Abfahrt. Viel zu viel Gewicht müsste pro Fuß im Vergleich zu einem Tourenskisetup den Berg hochgeschleppt werden. Und dann erst die durch die breiten Ski und die weichen Softboots ausgelöste Problematik beim Traversieren auf hartem Untergrund. Das europäische Mittel der Wahl hieß Kurzski plus normales Freeridebrett.

Diese und weitere Argumente wurden im ErsteSpur Forum, der deutschsprachigen Referenz für Tourensnowboarder und damit dem europäischen Äquivalent zu splitboard.com eingebracht. Die Gewichtsdiskussion hat sich mit dem Aufkommen von abfahrtsorientierten Ski mit den dazugehörigen stabilen Bindungen und Schuhen weitestgehend erübrigt. Die Schwierigkeiten beim Traversieren bleiben weiterhin ein Problem. Relevant ist hierbei neben der Skibreite vor allem die Frage der Kraftübertragung auf den Ski und damit sowohl die Bootauswahl als auch das jeweilige Bindungssystem.

Um den kleinen Aufriss, den der Überblicksartikel in Sachen Splitboard(ver)bindungssystemen geleistet hat, weiter zu vertiefen, soll hier etwas genauer sowohl auf die prinzipiellen Anforderungen an ein Splitboard-Bindungssystem als auch auf die im Moment verfügbaren Systeme näher eingegangen werden. Die Anforderungen: Leicht, stabil, zuverlässig, einfach – kurz: das KISS Prinzip (keep it smart and simple). Wie sollte ein optimales Verbindungssystem bei einem Splitboard beschaffen sein? Fünf Punkte fallen dabei besonders ins Auge, wobei die ersten drei Punkte als essentiell, die letzteren zwei als Nice-to-have anzusehen sind. Da das Bindungssystem uns sowohl den Berg hinauf als auch den Berg wieder hinabbringen soll, muss es sich um eine stabile Konstruktion handeln. Leicht brechende Teile oder sich verbiegende Komponenten, die dazu führen, dass das Brett nicht mehr benutzt werden kann, haben deshalb nichts an einem Bindungssystem zu suchen.

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Weiterhin sollte das System zuverlässig unabhängig von äußeren Witterungsbedingungen und technischen Neigungen des Benutzers funktionieren. Bindungssysteme, die sich bei schlechten Witterungsbedingungen nicht mehr zusammenbauen lassen (Stichwort: Vereisung) sind ein No-Go. An diesem Punkt ist das von Burton entwickelte, eigene Bindungssystem gescheitert und wurde deshalb nicht weiter produziert.

In enger Verbindung zum letzen Punkt ist die einfache Ausführung des Mechanismus zu nennen. Er sollte gemäß dem KISS-Prinzip konstruiert sein, damit auch in ungemütlichen Situationen der Mechanismus einwandfrei funktioniert und er problemlos von Personen mit unterschiedlichstem technischen Verständnis bedient werden kann. Hierzu gehört, dass es möglichst wenige, am besten keine Teile gibt, die notwendig zum Auseinanderbauen/Zusammenbauen des Splitboards sind und im lockeren Schnee verloren werden können.
Niemand will schwerer unterwegs sein als unbedingt nötig. Das gilt für alle Outdoor-Sportarten und zeigte sich verstärkt in Form der Ultralight-Bewegung der letzten Jahre. Wenig Gewicht ist deshalb auch bei Splitboard-Bindungen ein relevanter Punkt, solange er nicht auf Kosten der drei oben genannten Essentials geht. Wer das Gewicht der verfügbaren Bindungen über die Jahre hinweg verglichen hat, sieht einen eindeutigen Trend hin zum Leichtbau.

Der letzte Punkt betrifft Aufbauhöhe der Bindung sowie die Verbindung von Bindung zu Ski im Aufstiegsmodus. Umso höher die Bindung auf dem Brett aufbaut, umso mehr geht das eigentliche, direkte Snowboard-Gefühl verloren. Ebenso wichtig ist die möglichst direkte, steife Verbindung von Bindung und Skiteil im Aufstiegsmodus. Umso direkter diese ist, umso besser lässt sich der Ski führen und setzen, was zu eine besseren Performance beim Traversieren führt. Neben dem Gewicht haben diese beiden Aspekte maßgeblich dazu geführt, dass die Spark R&D Bindung überhaupt entwickelt wurde.

Im Folgenden findet ihr einen Überblick über die verschiedenen derzeit erhältlichen Systeme.

Voilé

Das Voilé-System ist im Moment das mit Abstand am Weitesten verbreitete (Ver)Bindungssystem, was auch daran ersichtlich wird, dass neuere Systeme wie Karakoram sich am Lochmuster von Voilé orientieren. Mit Ausnahme der Atomic-Bretter werden alle erhältlichen Splitboards mit dem Voilé-Lochmuster und in Europa meistens auch mit dem zugehörigen Voilé-Kit ausgeliefert. Das System ist äußerst simpel und zuverlässig und erfüllt damit die drei erstgenannten Essentials nahezu perfekt. Konstruktionsbedingt ist es selbstreinigend und damit kaum anfällig, zu vereisen. Auf dem Slidertrack können alle handelsüblichen Soft-oder Hartbootbindungen montiert werden. Es hat, wenn der Sliderpin korrekt angebracht ist, keine verlierbaren Teile und ist äußerst einfach auch mit dicken Handschuhen zu bedienen.
Da manchmal Videos mehr sagen als tausend Worte, ein Video zur Verdeutlichung des Systems.

 

Voilé System + Varianten

Im Folgenden werden Entwicklungen vorgestellt, die alle weiterhin auf dem Puck-System von Voilé basieren, dabei aber versuchen, die zwei oben beschriebenen Nice-to-have Punkte besser als das Original zu erfüllen.

Spark R&D

Innerhalb der Community wurde intensiv darüber diskutiert, wie die Aufbauhöhe des Voilé-Systems reduziert werden könnte, ohne die Vorteile des Systems zu zerstören. Erste Lösungen bestanden darin, Aluminium Softbindungen auseinanderzuschneiden und einen Slidertrack hinein zu schweißen. Will Ritter aus den USA ging diesen Weg konsequent zu Ende und gründete eine eigene Firma für Splitboardbindungen – Spark R&D war geboren. Die Bindungen von Spark – von der Ignition I bis hin zu den aktuellen Modellen Blaze und Burner zeichnete von Anfang an die niedrige Aufbauhöhe und damit eine direktere Verbindung zum Brett aus. Ritter hat die oben skizzierte Idee aus den Hobbykellern weiterentwickelt und eine Bindung konstruiert, deren Baseplate als Slidertrack fungiert. Ein weitere Errungenschaft stellen die eigens konstruierten Harscheisen – Mr.Chomps – dar, die im Gegensatz zu den Harscheisen von Voilé „on the fly“, d.h während des Gehens eingesetzt werden können und zudem kleiner und leichter als die Voilé Harscheisen sind.

Von Modell zu Modell wurden und werden die Spark-Bindungen immer leichter, ohne ihre Zuverlässigkeit zu verringern. Die aktuellen Bindungen wiegen ca. 1650 Gramm pro Paar und gehören damit zu den leichtesten Bindungen auf dem Markt. Sowohl aus Gewichtsgründen als auch dem oben beschriebenen Aspekt der direkten Verbindung von Bindung und Brett im Aufstiegsmodus entwickelte Spark R&D sein eigenes System „LT-Pin-System“ in Konkurrenz zum normalen Voilé Touring-Bracket. Es ist zum einen durch Aluminiumpins ca. 100 Gramm leichter als das Voilé Original und hat durch die verbreiterte Kontaktfläche von Pin und Haltesystem eine viel direktere Kraftübertragung zur Folge. Die Kombination von Spark Bindung + LT Pin-System erfüllt damit die beiden optionalen Punkte der oberen Kategorisierung nahezu vollständig. Darüber hinaus bietet sich mittlerweile die Möglichkeit, mittels speziell angefertigter Pucks die Spark-Bindungen auch auf normalen Snowboards einzusetzen.

In Kombination mit dem LT- Pin System ist die Spark Blaze in Deutschland für 349,90 Euro und die Spark Burner für 379,90 Euro erhältlich. Die Harscheisen schlagen noch einmal extra mit 109,90 Euro zu Buche.

Voilé Lightrail

Die Lightrail ist als Reaktion von Voilé auf die Entwicklungen der Spark Bindungen zu sehen. Sie hat das gleiche Ziel einer niedrigen Aufbauhöhe und ist ebenfalls leichter als eine Kombination von herkömmlichem Slidertrack+Softbindung, dabei aber noch fast 300 Gramm schwerer als die aktuellen Spark R&D Modelle. Im Vergleich zu den Spark-Bindungen fällt sie etwas schmaler aus, was sie bspw. auf den handgemachten 3-teiligen Splitboards von Wildschnee zur favorisierten Bindung macht. Mit den beiden anderen Vorteilen der Spark inklusive Pin-System – die einfach zu montierenden Harscheisen und die bessere Kraftübertragung – kann sie jedoch nicht aufwarten. Als Alleinstellungsmerkmal verfügt sie über eine Verbindungsschnur zwischen beiden Ratschen-Schnallen. Mittels dieser Schnur soll man im Lawinen-Ernstfall schnell aus der Bindung aussteigen können, um so der Ankerwirkung des Snowboards zu entkommen. Die Lightrail kostet in ihrer aktuellen Version 299,00 Euro.

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Karakoram

Im Gegensatz zu Spark R&D, das auf dem bestehenden Voilé-System aufbaut, entwickelten die Brüder Bryce und Tyler Kloster ein komplett neues (Ver-)Bindungssystem, welches sie auf den Namen „Karakoram“ tauften. Im Jahr 2008 gegründet, ist ihr System nach einer intensiven Testphase jetzt im zweiten Jahr käuflich zu erwerben. Während Karakoram in Nordamerika schon letztes Jahr große Aufmerksamkeit und positive Feedbacks erntete, ist der Karakoram Hype bis jetzt noch nicht richtig in Europa angekommen. 2011 war für Karakoram ein äußerst erfolgreiches Jahr, was sich sowohl am Gewinn des „Backpacker magazine Editors’ Choice Snow Award „ als auch an der Zusammenarbeit mit Jeremy Jones ablesen lässt. Jones, der zu Beginn seiner Splitboardzeit auf Spark-Bindungen unterwegs war, hat sich mittlerweile vom Karakoram-System überzeugen lassen: “Over the last year and a half I have tested the Karakoram splitboard system extensively in some of the most challenging terrain in the world. By the middle of this past winter it was clear to me that it is the best system on the market […]”

Was unterscheidet das Karakoram-System von dem nahezu perfekten Voilé in Kombination mit Spark Bindung +LT-Pin-System, was behält es bei, was ist vermeintlich schlechter?

Karakoram greift die Verbesserungen seitens Aufbauhöhe und Verbindung zum Ski auf und ist mit Spark R&D hier auf einem Level, was die Verbindung zum Ski angeht, vielleicht noch einen Tick direkter. Ebenso lassen sich auch die Karakoram Harscheisen „on the fly“ montieren. Wie Spark R&D, Voile Lightrail und das klassische Voilé Setup hat Karakoram keine losen Teile, die man verlieren könnte. Im Wesentlichen unterscheidet sich das neue System in zwei Punkten. Erstens sind das die neuen Verbindungsclips, die anstelle der Voilé Chinese Hooks verwendet werden. Sie ziehen die Bretthälften aktiv zusammen und verbessern so die Stabilität des Bretts. Das gilt auch für das gesamte System – Karakoram nennt es marketinggerecht „active engagement“. Zweitens ist das die Möglichkeit, ohne aus der Bindung auszusteigen, vom Abfahrtsmodus in den Aufstiegsmodus zu wechseln, was gerade bei längeren Touren mit Flachstücken einen Vorteil bietet. So kann schnell vom Abfahrtsmodus in den Skimodus gewechselt werden und im Langlaufstil das Flachstück überwunden werden, während man bei den anderen Bindungssystemen deutlich länger zum Umbau braucht. Zudem sind die Bindungen in der Carbon-Version noch einmal deutlich leichter, als die Spark-Bindungen. Mit ca. 1400 Gramm pro Paar sind sie die leichtesten Bindungen aktuell auf dem Markt.

Zwei Videos verdeutlichen die Funktionsweise und Verbesserungen des Karakoramsystems

Bei so vielen Vorteilen, müssen auch irgendwo Nachteile sein, oder etwa nicht?

Ein Nachteil ist unbestritten, das Karakoram-System ist teuer: 599 Euro kostet das System mit Bindung in Deutschland. Teuer ist es aber hauptsächlich aufgrund der Tatsache, dass hierzulande Splitboards immer mit Voilé-Setup verkauft werden. Im Systemvergleich Karakoram vs. Voile-Setup plus spezielle Bindung ist der preisliche Unterschied jedoch nicht mehr so groß. Ein weiterer Nachteil ist der systembedingt komplexere Aufbau des Systems mit potentiell mehr Fehlerquellen als das simple Voilé-System und einer größeren Vereisungsgefahr. Bisher hat sich das System jedoch als stabil erwiesen, die theoretischen formulierten Nachteile konnten in der Praxis noch nicht bestätigt werden.

Atomic

Atomic hat im Jahr 2008 auf die langsam ansteigende Splitboard-Nachfrage reagiert und ein komplett eigenes (Ver)Bindungsystem auf den Markt gebracht, das bis heute unverändert produziert wird. Ziel von Atomic war es, ein möglichst leichtes und trotzdem stabiles System auf die Beine zu stellen. Das System kann im Gegensatz zu den anderen Systemen nicht allein gekauft werden, sondern ist nur in Verbindung mit dem Brett erhältlich.

Im Vergleich mit den oben aufgestellten Kategorien fällt das Fazit zum Atomic-System gemischt aus. Was man aus den wenigen Rückmeldungen und Statements, die es zum Atomic-System gibt, ablesen kann, ist es ein recht stabiles System. Die Verbindung zum Ski ist direkt und die Aufbauhöhe der Bindung ist gering – hier wurden die richtigen Schlüsse aus dem Voilé-System gezogen. Positiv am Atomic-System ist darüber hinaus der Preis. 999 Euro für Brett, Bindung und Felle sind eine klare Ansage an die anderen Hersteller. Einfach gehalten ist es das System dagegen nicht, wie im Video unten ersichtlich, hat man einerseits einige verlierbare Teile und andererseits ein eher umständliches Prozedere mittels Harscheisen als Werkzeug beim Zusammenbauen/Auseinanderbauen. Der Mechanismus ist im Gegensatz zum Voilé-System nicht selbstreinigend und stärker vereisungsgefährdet, was auch einige Testberichte bestätigen. Damit ist es nicht so zuverlässig wie die Konkurrenzsysteme.


 

Fazit

Es ist viel passiert in den letzten Jahren. Das Voilé-System hat sich in der Frühphase der Splitboardentwicklung gegen das alte Burton-Interface, das hier nicht mehr beschrieben wurde, durchgesetzt und gilt heute als der Standard im Splitboardsektor. Zu Recht, denn das System erfüllt die drei essentiellen Bedingungen, die an ein Splitboard gestellt werden und ist zudem durch seine Flexibilität (sowohl Hard- als auch Softbindungen sind montierbar) gut für Einsteiger aus allen Bereichen der Snowboardszene geeignet. Speziellere Produkte werden sich in Zukunft nur durchsetzen können, wenn sie die drei Essentials eben so gut wie Voilé beherrschen und darüber hinaus weitere Vorteile bieten können. Deutliche Schritte in diese Richtung wurden in den letzten Jahren gemacht. Spark R&D hat mit der Entwicklung seiner Bindung einen neuen Standard gesetzt und zu einer sinnvollen Weiterentwicklung des Voilé-Systems beigetragen, welches im aktuellen Entwicklungsstand jedoch an eine vorläufige Grenze gekommen ist. Den Vorteil, den Karakoram mit dem schnellen, komfortableren Umbaumodus bietet, kann mit dem Voilé-Puck-System nicht erreicht werden.

Sowohl Voilé in Kombination mit einer Spark R&D Bindung als auch das neue Karakoram-System sind eine wesentliche Verbesserung gegenüber dem klassischen Voilé-Setup und stellen deswegen die Maßstäbe künftiger Entwicklungen dar, wobei das Innovationspendels im Moment auf der Seite Karakorams verweilt. Wie lange das so sein wird, wird die Zukunft zeigen. Erste Antworten darauf waren bei den zurückliegenden Messen schon zu sehen, aber das ist eine andere Geschichte.

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