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Splitboarden mit Hardboots: Großer Überblick

Für alle, die einen Umstieg erwägen

von Anselm Köhler 08.03.2022
Splitboarden ist in den vergangenen Jahren definitiv erwachsen geworden. Auch wenn es immer noch verwunderte Zuschauer beim Umbau am Gipfel gibt, sind die Systeme mittlerweile allesamt sehr ausgereift und auch zahlreich am Markt repräsentiert. Mit Skischuhen an den Füßen verblüfft man aber nach wie vor. Zwar sind Splitboarder, die ein so genanntes Hardboot- oder AT-Setup nutzen, ebenfalls immer häufiger anzutreffen, aber noch immer eine verschwindend kleine Minderheit.

Dabei hat ein Hardboot-Setup viele Vorteile für ambitionierte SplitboarderInnen zu bieten! Allerdings ist der Wechsel von Softboots zu Hardboots nicht immer ganz einfach.

Während beim Softboot-Setup alle Teile von der Bindung bis zum Interface mittlerweile sehr gut funktionieren, gilt das beim AT-Setup nur eingeschränkt. Hier ist die Entwicklung bei den Bindungssystemen am weitesten fortgeschritten. Bei den Hardboots ist die Entwicklung hin zu kauffertigen, gut funktionierenden Schuhen deutlich langsamer, aber auch in dem Bereich hat sich in den letzten Wintern etwas bewegt. Zumeist werden bestehende Skitourenschuhe genutzt und häufig etwas modifiziert.

Um eine Umstiegsentscheidung für euch etwas einfacher zu gestalten, haben wir diesen Überblick verfasst. Nachfolgend werden die verfügbaren Hardboots, Bindungssysteme sowie in den Teilbereichen Aufstieg und Abfahrt die zentralen technischen Erfordernisse und Argumente dargestellt, für einen möglichst umfassenden Überblick über den Stand des Hardboot-Splitboardens.

Wir sind begeisterte Splitboarder

Tobias hat nach den Schneeschuhen alles ausprobiert - vom zersägten DIY-Splitboard über einen kompletten Holzeigenbau mit einem Schrankwand-Flex, bis hin zu guten, aktuellen Splitboards mit zuletzt sehr steifen Softboots K2 Aspect und Spark R&D Surge Bindung. In all dieser Zeit hat er aber immer neidisch auf die légèren Pinbindungsskifahrer geschaut und ist das Gefühl nicht losgeworden, auch genau so aufsteigen zu wollen. Aber was wäre mit der Abfahrt? Zugegeben … das war schwer vorstellbar. So hat er den Umstieg auch recht lang hinausgezögert, aber nicht bereut.

Anselm ist mit seinem für 100€ gebraucht erworbenen Splitboard vor 15 Jahren am Mont Blanc wegen Bruch der Selbstbau Hardboot-Bindung gescheitert und seit dem auf Revanche aus. Zwar hat er es bisher nicht wieder zum höchsten Berg der Alpen geschafft, aber so einige Neuerungen im Splitboardbereich erlebt. Seit etwa 5 Jahren nur mehr ausschließlich mit Hartboots unterwegs, verleiht er seine Spark Surge bei Bedarf an Besuch und Freunde.

Patrick ist nach seinem ersten Winter mit Schneeschuhen (MSR einfach immer noch eine klare Empfehlung), auf verschiedenen Splitboards unterwegs gewesen und hat sich dabei so ziemlich durch die ganze Bandbreite an härteren Softboots getestet. Vor einigen Jahren dann einige Touren mit einem umgebauten Scott, die aufstiegsmäßig ein Traum und abfahrtsmäßig auch okay waren. Hätte dann weiter tüfteln müssen, aber dann kam auch schon der Arbeitsalltag und deshalb aktuell wieder mit Softboots unterwegs. Falls es aber jetzt endlich mal mit Hardboots von der Stange klappen sollte, wäre er jederzeit wieder dabei, noch einen Versuch zu wagen.

Jonathan hat den beständigen Wunsch, sein Snowboard-Touren-Setup zu optimieren, um so den Spaßfaktor und die Möglichkeiten auf Tour zu verbessern. Von den obligatorischen Schneeschuhen zum ersten Splitboard mit Voilé-Setup von mr.splitboards (www.splitboards.eu) folgte ein Upgrade auf eine Spark Burner und 2015 letztlich der Umstieg auf Hardboots mit dem Kauf einer Phantom Alpha. Auch wenn er seitdem ausschließlich auf Hardboots mit seiner Phantom unterwegs ist, ist die Optimierung in diesem Punkt noch nicht abgeschlossen. Erfreulicherweise gibt es seit 1-2 Jahren immer mehr gute Optionen für splitboard-spezifische Hardboots. Der (einzige) Nachteil an einem Hardboot-Setup? Wenn einem die Skifahrer-Kollegen davonlaufen, kann man es nicht mehr aufs Material schieben!

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Die Schlüsselstelle: Die Auswahl des richtigen Hardboots

Möchte man auf ein Hardboot-Setup wechseln, so ist die schwierigste Aufgabe, einen passenden Schuh zu finden. Splitboarder waren bis vor Kurzem dazu gezwungen, Skischuhe zu benutzen, die nicht konkret für die Bedürfnisse von Snowboardern entwickelt wurden. Deshalb müssen die Schuhe meist in mehr oder weniger großem Ausmaß modifiziert werden, um vor allem die Abfahrtsperformance des Schuhs den Bedürfnissen des Snowboardens anzunähern. Hier sind die wesentlichen Unterschiede:

Im Aufstieg gleichen sich Anforderungen von Skifahrern und Snowboarderinnen - man will eine große Beweglichkeit nach vorne und hinten und möglichst wenig seitlichen Flex, um gut aufkanten zu können. In der Abfahrt unterscheiden sich die Anforderungen jedoch gewaltig. Hier möchte man beim Skifahren einen möglichst direkten Schuh - also eher wenig Flex nach vorne und hinten und gar keinen seitlichen Flex. Beim Snowboarden dagegen möchten wir nach vorne einen  - je nach persönlicher Vorliebe - weicheren oder härteren Flex und benötigen zudem eine seitliche Flexibilität zur Gewichtsverlagerung.

Dementsprechend ist das Ziel der Modifikationen, im Aufstieg die Fähigkeiten des Schuhs möglichst zu erhalten, aber in der Abfahrt einen stärkeren seitlichen Flex, sowie mehr Bewegung nach vorne und hinten zuzulassen. Dies geschieht häufig, in dem man im Schaft insgesamt mehr Flexibilität ermöglicht, was aber zur Folge hat, dass dann die Ferse nicht mehr so gut im Schuh sitzt. Dementsprechend ist die zweite Modifikation - eine möglichst feste Ferse (häufig durch das Versetzen von Schnallen)- eine Folge des zentralen Bedürfnisses nach mehr Flexibilität im Schaft.

Welcher Schuh eignet sich also konkret für die Verwendung als Snowboardtourenschuh? Wir haben die Schuhe so aufgelistet, dass man von den aktuell verfügbaren "Komplettlösungen" (Phantom, Key Equipment, Gignoux) hin zu den eher zu modifizierenden Schuhen kommt.

Tipp

Egal welchen Schuh ihr auswählt, ein thermoformbarer Innenschuh kann nochmals einen ganz anderen Komfort ermöglichen. Falls ihr also irgendwo die Möglichkeit habt, euren bevorzugten Hardboot mit einem Palau-Liner (steckt im Key Disruptive schon drin) oder einem Intuition-Liner (steckt im Phantom Slipper schon drin) zu probieren, nutzt das auf jeden Fall.

Key Equipment "Disruptive"

Der Disruptive von Key Equipment ist neu auf dem Markt, ausschließlich zum Snowboarden designed und 100% made in EU. Für Design, Produktion und Vermarktung haben sich zwei Akteure, die schon sehr lange im Splitboardgeschäft mitmischen, zusammengetan: Tal Etallaz, der bei Plum maßgeblich die Splitboard-Bindung entwickelt hat, sowie Hampus Cederholm, der seit Jahren bei Furberg die Innovationen voran treibt (Nut-Feder-System).

Der Disruptive verspricht den Flex eines klassischen, harten Softboots und ist komplett modular aufgebaut. Er verfügt über eine weiche Zunge für einen progressiven Flex nach vorne und einen breiten Strap über das Fußgelenk, der die Ferse zuverlässig fixieren soll. Über Zunge und Strap soll auch der Forward Flex noch etwas beeinflusst werden können. Der Forward Lean Mechanismus ist ist ähnlich aufgebaut wie bei einer Softbootbindung, d.h. es gibt keine Fixierung des Flex nach vorne (wie beispielsweise durch die typische Arretierung eines jeden Skischuhs oder auch wie bei den Phantom Link-Levers). 

Der obere Teil des Schuhs, der dem Highback einer Softbootbindung entspricht, soll viel medialen Flex ermöglichen und den Schuh in der Abfahrt so sehr komfortabel machen. Abgerundet wird der Schuh durch einen qualitativ hochwertigen Innenschuh von Palau, der thermisch anpassbar ist, Vibrationen dämpft und dazu noch in Palau, Frankreich produziert wird. Key Equipment gibt die Passform als vergleichbar mit dem Atomic Backland an. Der einzige zentrale Unterschied ist eine etwas weitere Zehenbox im Disruptive. 

Die Schale des Disruptive besteht aus einem thermoplastischen Polyurethan (PU) und ist dadurch ebenfalls durch kontrollierte Erwärmung an den eigenen Fuß anpassbar.

Zusätzlich sind alle Einzelteile austauschbar, wodurch der Schuh lange halten und einfach selbst zu reparieren sein sollte. Key Equipment gibt an, dass alle zukünftig erscheinenden Verbesserungen abwärtskompatibel sein werden, so dass man keinen komplett neuen Schuh kaufen muss, um up-to-date zu bleiben. Falls der Schuh doch einmal das Ende seiner Lebenszeit erreicht, plant Key Equipment ein Recyclingprogramm, in dem der alte Schuh zurückgenommen und recycelt wird und man im Gegenzug eine Vergünstigung für den Kauf eines neuen Schuhs bekommen soll.

Uns gefällt das Konzept von Key Equipment. Ein erster Test des Disruptive kommt bestimmt.

Phantom "Slipper"

Die bereits erwähnte Firma Phantom Snow hat nicht nur die Dynafit Mods entwickelt, sondern nun auch einen eigens zum Splitboarden entwickelten Hartschalenschuh auf den Markt gebracht, den Phantom Slipper (und jetzt neu Slipper HD). Der Phantom Slipper ist im Prinzip ein weit optimierter Atomic Backland, der letztlich einen eigenen Charakter bekommen hat und sich damit klar vom Ausgangsschuh abhebt.​ Der Schaft wurde modifiziert, wirkt leichter und flexibler. Zudem entfällt die Vorderfußschnalle des Backland, dafür gibt es eine Schnalle um die Ferse. Deutlichster Unterschied ist jedoch der Walk-Ride-Mode Hebel, der Link-Lever.

Mit den Link-Levern hat Phantom Snow eine neue Arretierung für den Abfahrtsmodus erfunden. Die Link-Lever sind Federelemente und ersetzen den Hebel hinten am Schuh. Sie bieten einen entscheidenden Vorteil, denn sie sind nach vorne nun durch die Feder beweglich aber nicht so offen wie der reine Gehmodus. Nach hinten gibt es auch einen kleines Mehr an Flex. Damit wird jener Flex simuliert, den Snowboarder von der Kombination aus Softboot und Highback gewohnt sind. 

Tipp

Phantom Snow verkauft die Link-Lever auch einzeln, so dass man seinen Atomic Backland damit aufrüsten kann. Die Link-Lever generieren einen angenehmen Flex nach vorne, wobei die Härte des Flex individuell auf Vorlieben und Körperproportionen durch einen Austausch der Federhärte angepasst werden kann. Die Link-Lever haben auch einen Gummipuffer als Anschlag nach hinten, um beim Aufkanten auf die Backside das harte “Stop”-Gefühl der originalen unflexiblen Hebel zu verhindern. Das funktioniert in der Realität auch erstaunlich gut, wodurch man den Kantenhalt auf der Backside in hartem, steilen Schnee etwas besser kontrollieren kann. Zu guter Letzt lässt sich auch der Vorlagewinkel der Link Lever individuell anpassen, ähnlich zur Verstellung des Highbacks einer Softbootbindung.

Gignoux Black Snowboard

Pierre Gignoux ist ein kleiner, französischer Hersteller von Carbon Skischuhen, der sein Geld hauptsächlich mit optimierten Schuhen für das Wettkampf-Skibergsteigen verdient. Aber wie das nunmal so ist, hat er seit ein paar Jahren auch einen optimierten Snowboardschuh im Angebot. Dieser ist preislich - Carbon lässt grüßen - eher in der Porscheliga angesiedelt und sieht zumindest edel aus. Zur Performance können wir leider nichts sagen, ausser dass der Schuh eher für den Race-Einsatz zu sein scheint, weil er doch arg leicht und filigran wirkt.

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Tourenskischuhe für Tüftler 

Dynafit

Im Prinzip sind die Dynafit TLT Schuhe die Mutter der ganzen Sache. Mit den "Fröschen" (die grünen TLT1 von 1984) wurden viele der frühen Versuche im Hardboot-Splitboarden unternommen. Jedoch wurden die TLT meist so modifiziert, dass sie danach nicht mehr zum Skischuh zurückgebaut werden konnten. Phantom hat sogar ein fertiges Kit zum Modifizieren der Modelle TLT 6 und Speedfit zusammengestellt und zum Verkauf angeboten. Dynafitschuhe sind aber leider recht schmal geschnitten, weswegen sie für viele nicht in Frage kommen.

Atomic Backland

Mittlerweile hat sich der Atomic Backland zum Spliboarden ziemlich verbreitet. Man könnte fast sagen, der Backland ist der Nachfolger des Dynafit TLT5/6 unter den Splitboard-Hardboots. Die aktuellen Modelle mit Boa am Rist funktionieren genauso gut wie die älteren mit der Plastikzunge. Man sollte vielleicht nicht zu den Carbon-Modellen greifen, die sind nochmal ne Ecke steifer. Der Backland hat ein etwas breiteres, angenehmes Fußbett für mittelbreite Füße. Alle Teile sind verschraubt und nicht genietet, das ist ein Riesenplus. Man kann den Schuh ziemlich komplett zerlegen und wieder zusammenbauen, ohne ihn zu zerstören. Sollte das Experiment scheitern, könnte man ihn zum Skischuh zurückbauen. Einige fahren diesen Schuh sogar ganz und gar ohne Modifikation. Hier findet man Bilder eines extremen Beispiels einer Modifikation des Backland.

Tipps aus der Redaktion

Jonathan fährt einen im April 2017 gekauften Backland Alpine (das Plastikmodell ohne Carbon in blau/orange). Nach zahllosen Versuchen, den Backland zu modifizieren und dessen Abfahrsperformance zu verbessern, ist hier eine kurze Liste, welche Modifikationen wirklich was gebracht haben: 

  • Den größten Vorteil bzgl. der Abfahrtsperformance haben zweifelsohne die Phantom Link-Lever (siehe oben) und ein Strap über das Fußgelenk gebracht.
  • Der Klettstrap kann benutzt werden, um diesen Strap über das Fußgelenk zu basteln, ähnlich wie Phantom das bei ihrem Slipper mit dieser Schnalle gelöst hat
  • Die obere Schnalle ist wichtig, um den Schuh zu schließen. Auf die untere Schnalle und das kurze Drahtseil kann man nach meinem Empfinden verzichten. 
  • Ich verwende die Einsteckzunge, man könnte sie aber auch weglassen, um noch einen etwas weicheren Flex zu bekommen. Dafür hält die Einsteckzunge auf Dauer besser den Schnee außerhalb des Schuhs.

Tobias fährt das Nachfolgermodell, also den Backland aus dunkelblauem Plastik ohne Carbon. Nach zahllosen Versuchen der Optimierung sind das seine zentralen Erkenntnisse:

  • oberer Strap weg
  • obere Schnalle bleibt
  • untere Schnalle und das Seil weg
  • diese Schnalle am Schaft montiert und mit einer Dyneema-Schlinge Fersenstrap gebaut
  • halbe Zunge mit Voilé-Strap gefestigt
  • neuer PALAU Liner, Modell All Track Power, wirkt nochmal Wunder

Das Ganze bei ihm ohne Link-Lever. Er findet gerade das direkte Ansprechen ziemlich stark, hat aber auch noch keine Link-Lever getestet. Nachteil der halben Zunge: der Schutzstoff darunter wird abgerieben. Kürzlich hat Tobias deswegen die Klebenaht rundum mit SeamGrip versehen. Das wirkt ziemlich stabil.

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Arc'teryx Procline

Anselm fährt aktuell noch bzw. seit etwa 4 Jahren die Carbon Version des Arcteryx Proclines. Nach 200+ Schneetagen wird der Schuh verdient in den Ruhestand gehen. Für ihn ist der Schuh mit der Zeit besser geworden, nachdem sich der Schaft "ausgeleiert" hat. Modifiziert hat er den Verschluss am Schaft: Die Schnalle hat er durch eine PG Skistrap ersetzt, um etwas Flex nach vorne zu bekommen. Gefallen findet er am sehr freien Geh-Modus und am schnellen Umschalten zwischen super-bequem und abfahrtfest. Aktuell überlegt er, das Schuhmodell zu wechseln und tendiert zu Backland mit Link-Lever.

Neben den oben genannten Schuhen gibt es eine Vielzahl an weiteren Tourenskischuhen, die Potential für die Verwendung als Snowboardtouren - Hardboot haben. Gemeinsam haben alle potenzielle Schuhe, dass sie in der Regel Zweischnaller sind. Das heißt, es sind aufstiegsorientierte Skitourenschuhe mit eher weichem Flex. Manche SplitboarderInnen verabschieden sich dann sogar noch von einer der beiden Schnallen und ersetzen sie durch einen flexiblen Strap oder Klettverschluss. Sie funktionieren, wenn sie gut passen und die Schuhe entsprechend den persönlichen Bedürfnissen noch etwas verändert werden. Zu nennen wären hier zum Beispiel der Fischer Travers, Scarpa Alien/Gea und La Sportiva Sideral. Allerdings haben wir keine persönliche Erfahrung mit diesen Schuhen. Falls jemand hier etwas beitragen kann, gerne melden, dann tragen wir das hier im Artikel nach.

Aufsteigen - Je leichter desto besser

Sind die Schuhe nun am Fuß, geht es an den Aufstieg. Hier spielt das AT-Setup ganz klar seine Trümpfe aus. Mit einer schlanken Pinbindung an den Zehen steht man angenehm tief und direkt auf den Bretthälften und steigt mit einem Gewichtsvorteil von bis zu 1,5kg pro Fuß auf wie eine Gams. Grundsätzlich sind die Boardhälften etwas breiter als die meisten Tourenski, daher wird nicht die gleiche Kraftübertragung beim Traversieren erreicht. Das liegt auch an dem deutlich härteren Flex der Ski, welche die Kraft deshalb besser übertragen können und am geringeren Radius einer Splitboard-Außenkante, aufgrund dessen man mit dieser Kante schlechter aufkanten kann als mit der geraden Innenkante oder einem Tourenski. 

Nichtsdestotrotz ist der Aufstieg mit Hardboots ein neues Level. Harscheisen werden deutlich später gebraucht. Kraftersparnis, Komfort und Sicherheit werden tendenziell auch gegenüber den harten Softboot-Systemen deutlich verbessert. Im Aufstieg sind die direkte Verbindung zwischen festem Schuh und Ski über die Dynafitbindung sowie die eigene Aufstiegstechnik entscheidend. Mittlerweile kann man daher durchaus sagen, dass ein aktuelles Hardboot-Setup im Aufstieg vergleichbar gut funktioniert wie ein aktuelles Freeride-Ski Setup mit ca. 110 mm breiten Ski. Man kann ähnlich gut auf hartem Schnee aufsteigen und legt auch fast zeitgleich mit den skifahrenden KollegInnen die Harscheisen an. 

Zudem hat man mit Hardboots im anspruchsvollen Gelände einfach das bessere Schuhwerk an den Füßen. Im harten Schnee können problemlos Stufen geschlagen werden, es passen automatische Steigeisen und häufig sind die Schuhe auch etwas leichter als die vergleichbaren Softboots.

Klingt gut, also kann man einfach eine alte Dynafitbindung kaufen und die Vorderteile montieren? Ja, das geht, allerdings nur mit einem Adapter. Hier hat der Bindungshersteller Spark R&D schon frühzeitig auf die Bedürfnisse reagiert und Adapterplatten für Dynafit-Zehenteile hergestellt. Mit Hilfe der Adapter kann man die drei Standard-Voilé-Inserts nutzen und darauf dann das Zehenteil einer Pinbindung schrauben, so dass man nicht etwa ins Board spaxen muss. 

Wenn einem diese Adapterlösung zu fummelig ist, oder man einfach noch etwas mehr Gewicht sparen will, gibt es seit dem Auslaufen des Dynafitpatents einige Komplettlösungen zu kaufen. Das heißt: ein Tech-Zehenteil, das auf das Voilé Insertmuster ausgelegt ist. Die speziellen Zehenteile/Tech-Toes zum Splitboarden gibt es von Spark R&D , Phantom, Plum und Voilé. Diese kann man direkt aufs Board schrauben. Technisch heben sich nur die Teile von Voilé ab, da sie statt mittels Feder mit einem manuellen, seitlichen Arretiermechanismus funktionieren. Damit sind die Teile wesentlich kürzer und ermöglichen mehr Spielraum beim Platzieren der Pucks. Somnit sind sie für kleine Leute mit kurzem Stance eine gute Wahl. Mit kalten Fingern am Morgen kann der Start mit den Voilé Brackets aber zu einer Herausforderung werden.

Harscheisen:

Alle Dynafit Zehenteile und die speziellen Tech-Toes von Spark R&D und Phantom haben dieselbe standardisierte Aufnahme für Harscheisen. Daher können die gängigen Dynafit-kompatiblen Harscheisen verwendet werden. Die Auswahl hängt daher auch maßgeblich davon ab, wie breit die Splitboardhälften sind. Das Spark R&D Modell D Rex gibt es für normal breite (bis 130 mm) und extra breite (bis 140 mm) Splitboardhälften. Das gleiche Harscheisen gibt es auch von Phantom. Nicht ganz so groß, aber ebenso tauglich sind die Harscheisen von ultrabreiten Freerideski. Von Dynafit gibt es Harscheisen in 130 mm Breite und von ATK in 135 mm Breite. Ein schöner Nebeneffekt der Harscheisen von Dynafit oder ATK ist, dass sie etwas kleiner und leichter (und das von Dynafit auch günstiger) als die der Splitboardhersteller sind. Für die Plum und Voile Zehenteile scheint die Aufnahme nicht mit Dynafit kompatibel zu sein und die Hersteller bieten eigene Harscheisen an. 

Splitboard-Typ:

Zweiteilige Splitboards sind bei weitem am häufigsten anzutreffen, da die Auswahlmöglichkeiten hier mittlerweile sehr groß geworden ist. Ein Hardboot Setup bringt bereits auf einem Zweiteiler entscheidende Vorteile im Aufstieg. Für viele Splitboarder stellt ein zweiteiliges Splitboard einen guten Kompromiss aus Aufstiegseignung und Einfachheit/Schnelligkeit beim Umbau in den Abfahrtsmodus dar.  

Die Vorteile der Hardboots im Aufstieg werden aber noch weiter vergrößert, wenn konsequenterweise ein drei oder vierteiliges Splitboard verwendet wird. 

Hier wird die Skibreite im Aufstieg deutlich verringert, da das Mittelteil am Rucksack getragen wird. Dieser Vorteil kann aber nur mit Hardboots voll ausgespielt werden, da ansonsten die Aufbaubreite der Softboots die Vorteile des Dreiteilers wieder relativiert.

Mit etwas mehr Arbeit beim Umbau funktionieren diese Splitboards gut, wie auch im ausführlichen Test des Salomon Premiere deutlich wird. Bisher gibt es nach wie vor nur einen kleinen Markt für diese Spezialbretter. Zu erwähnen sind hier das Salomon Premiere, die Vollholz-Augenweiden von Phenix und auch Splitboard-Power hat sich auf den Bau von mehrteiligen Splitboards spezialisiert. Es gibt sogar eins, das man optional als Ski zur Abfahrt hernehmen kann. Ein Besuch auf deren Webseite lohnt sich allemal.

Tipp:

Tobias möchte in stürmischen oder kalten Situationen schnell umbauen und sicher packen können. Daher hat er einen Karabiner außen am Rucksack, damit die Bindung direkt greifbar ist und nicht zu anderen, vielleicht empfindlicheren Teilen in den Rucksack gequetscht werden muss. Anselm hängt sich die Bindung auch schnell mal an den Rucksack, wenn er ohne Felle kurz irgendwo im Skimodus raus watschelt.

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Abfahren -  it is all about the down!

Aber man will ja auch noch runter vom Berg! Das Runter ist schließlich auch irgendwie die Hauptsache unseres wunderbaren Hobbys. Denn, was bringt mir eine bessere Aufstiegsperformance, wenn ich nicht mit einem guten Gefühl die selbst erstiegenen Höhenmeter in der Abfahrt genießen kann? Hier scheiden sich die Geister, was in Teilen mit dem unterschiedlichen Wissensstand über den Stand der Technik zu tun hat. 

Allgemein kann man wohl sagen, dass sich das Abfahrtsgefühl selbst mit der besten Kombination aus Hardboot und Bindung immer noch etwas von einem Softbootsetup unterscheidet. Allerdings sind die Unterschiede ziemlich gering geworden. Ein Thema ist das direkte Ansprechen bei Kantenbelastung - das gefällt dem einen und missfällt der anderen. Für Querungen ist es in jedem Fall sehr angenehm, weniger Kraft aufwenden zu müssen. Wer eher auf visuelle statt argumentative Überzeugung steht: So schlecht sieht das gar nicht aus.

Wer einen starken Duck-Stance fährt, wird seine Winkel mit Hardboots etwas verändern müssen. Man kann jedoch in einer Art Duck-Stance bleiben. Der hintere Fuß rückt mehr in den Bereich um die -3°, der vordere Fuß dreht auf in Richtung 20° oder mehr. Außerdem kommt man nicht ohne die so genannten Canted-Pucks aus. Die sind um 3° nach innen geneigt, um die Beinstellung linearer zu gestalten und Druck vom Knie zu nehmen. Womit wir auch schon bei den Bindungen wären.

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Bindungen

Bei den Hardbootbindung ist es ähnlich wie bei den Softbootbindungen: Je nach Grundsystem (Voilé, technische Bindungen á la Plum, Karakoram) gibt es mittlerweile von allen "großen" Herstellern entsprechende Hardbootbindungen. Die klassischen Puck-Bindungen sind auch hier vertreten, wozu man eben die Canted-Pucks benötigt.

Spark R&D hat schon lange die Dyno DH im Programm. Bewährtes System mit der gleichen Technik, funktioniert statt mit Highback, Heelcup und Straps einfach mit zwei Bomberbügeln. 

Dazu gesellt sich seit jeher Voilé mit der Mountain Plate, die für die aktuelle Saison gefaceliftet daherkommt. Hier steht man allerdings sehr hoch über dem Brett, denn die Mountain Plate wird auf den Slider aufgeschraubt. Im Gegensatz zur Dyno DH ermöglicht die aus Kunststoff gefertigte Mountain Plate schon etwas seitlichen Flex von der Bindung her.

Die Fima Splitboard-Power aus Frankreich hat seit über 6 Jahren eine Aluminium- und Titanbindung auf Puck-Basis am Start, die nochmal deutlich leichter, aber auch teurer ist. Splitboard-Power hat jedoch nur einen Direktvertrieb, sodass wir über die Bindungen nicht mehr wissen als die Webseite verrät. Der Hersteller schreibt, dass die Aluminiumbindung etwas mehr seitlichen Flex als die Dyno HD bietet und die Zehenbox breiter ist.

Wer nicht direkt viel Geld ausgeben will, kann für den Anfang auch eine funktionierende Hardboot-Bindung selber basteln. Man nehme einen Slider und eine alte Race-Bindung und schon ist man startklar. Tobias hat eine Bindung aus einer alten Wombat Bindung gebaut. Hier sind die Löcher schon passend für die Voilé-Slider und mit etwas Glück passen die Bügel direkt zur Sohlenlänge. Er musste zwei Bohrungen im Slider auffeilen und verbinden, um etwas Spielraum zu bekommen. Kostenpunkt ca. 50€, sie wiegt aufs Gramm so viel wie die Dyno DH. Danke an Markus von Wildschnee, der ihm im letztjährigen Mangelwinter den entscheidenden Tipp gegeben hat. Apropos, die Canted-Pucks sind übrigens keine neue Erfindung. Diese Wombat-Bindung aus den 90igern (?) hatte auch schon geneigte Plastikplättchen drin, die genau den gleichen Effekt erzielen.

Ebenso wie im Softboot-Bereich gibt es technische Bindungen, die nicht auf Pucks basieren. Die beiden Hersteller Plum und Karakoram bieten auf ihren eigenen Interfaces die Plum SOK respektive die Karakoram GUIDE HB als entsprechende Hardboot-Modelle an. Bei beiden Bindungen hat man sogar die Möglichkeit, im Aufstieg auf die Tech-Toes zu verzichten und das normale Interface zu nutzen. Hier verspielt man allerdings wieder ein gutes Stück des Gewichtsvorteils. 

Phantom Snow hat mit der M6 die womöglich am besten durchdachte bzw. auf Splitboarden mit Hardboots ausgelegte technische Bindung im Angebot. Hier steht man quasi direkt am Brett, die Bindung selbst kommt schon canted daher und der Mechanismus ist ausgereift. Die Bindungen von Phantom und Karakoram versuchen schon im eigenen Setting etwas seitlichen Flex zu generieren. Hier findet ihr einen Test der minimal unterschiedlichen Vorgängerbindung Alpha.

Gegen die technischen Bindungen spricht letztlich nur die Glaubensfrage Puck oder nicht-Puck. Nicht-Puck Bindungen sind nicht immer direkt kompatibel mit mehrteiligen Splitboards. Abschrecken kann auch der meist hohe Preis und bei Phantom das Nicht-Vermarkten in Europa.

Was fahren die Autoren?

Tobias fährt die Bindung Dyno DH von Spark R&D. Sie funktioniert mit Pucks und mit Sparks bewährtem Tesla System. Diese Bindung ist ausreichend leicht. Tobias ist aufgrund der Zuverlässigkeit ein großer Freund der Pucks. Die Bindung sitzt satt am Schuh und fährt sich prima. Er nutzt sie auch auf seinem Solidboard im Skigebiet.

Anselm fährt ebenso die Dyno HD, da sie auf zwei und mehrteiligen Bettern funktioniert. Unzerstörbar ist sie nicht, mit der Zeit verwindet sie sich und beweglichen Teile leiern aus - unbedingt regelmäßig den satten Sitz der Schuhe überprüfen! Ebenso hatte er Glück, in dieser (Mangel-) Saison eine aktuelle Dyno zu bekommen, da die Baseplate der 5-Jährigen gebrochen ist. Sie ist einfach, funktionell und ausreichend robust, und außerdem auf Puck-Basis.

Jonathan fährt seit 2015 eine Phantom Alpha Bindung, die auch nach vielen Saisons noch zuverlässig in jeder Situation funktioniert, sowohl auf zahlreichen langen und steilen Touren in den Alpen, in endlos tiefem Schnee auf Hokkaido und auch auf absolut einsamen Touren in den norwegischen Alpen. Die lange Nutzungsdauer relativiert für ihn den hohen Anschaffungspreis. Mit der Phantom Bindung steht man angenehm nah am Brett und die Boardhälften werden sehr gut miteinander verbunden, da die Bindung sehr viel Überlapp erzeugt. Allerdings muss man je nach Bedingungen beim Zusammenbau etwas Eis wegkratzen. Im Vergleich funktioniert die Spark Dyno DH ebenfalls sehr gut, man steht zwar etwas weiter vom Board weg, dafür ist die Dyno DH etwas günstiger, besser in Europa verfügbar und das Puck System selbstreinigend, also weniger vereisungsanfällig. Unterm Strich sind beide Bindungssysteme ausgereift und Jonathan kann sowohl Phantom als auch Spark empfehlen. 

Und jetzt?

Hardboots sind bestimmt nicht die erste Wahl für die immer breiter werdende Masse an SplitboarderInnen. Und der Umstieg ist eine Herausforderung, denn es braucht etwas Mut und Neugierde und die Bereitschaft, auch mal eine Tour in den Sand zu setzen, umkehren zu müssen oder Schmerzen zu ertragen, bis etwa der Schuh gut sitzt. Nachwievor ist es ein Problem für Wechselmutige, dass es quasi nirgends ein Hartboot-Setup zum Probefahren gibt und ein Umstieg erstmal mit einer größeren Investition beginnt.

Für wen ist das Ganze nun interessant? Anselm schrieb in seinem letzten Überblick hier auf PowderGuide über aufstiegsorientierte SplitboarderInnen. Das ist sicherlich immer noch ein großer Bestandteil der Wechselmotivation, aber gerade mit den Backlands und den Link-Levern sieht man immer mehr professionelle SplitboarderInnen und Guides, die ziemlich abfahrtsintensiv unterwegs sind, ihren Style (wenn er den wichtig ist) behalten und einfach richtig gut snowboarden. Eine ähnliche Sichtweise gibt dieser prägnante Pro-Contra Überblick. Und für den Style haben die Jungs von Helvetic Backcountry ab Minute 14:06 einen Tipp

Wir haben selbst vor dem Umstieg viele Foren gewälzt, Artikel gesucht und Erfahrungsberichte gelesen. Leider gibt es das Referenz-Forum "ErsteSpur" nicht mehr. Auch scheint Splitboarding.com in den letzen Jahren etwas eingeschlafen zu sein. So verteilen sich leider die Infos zum Hartboot-Splitboarden auf viele verschiedene Foren. 

Auffällig ist die häufige Aussage von SplitboarderInnen, die auf Hardboots gewechselt sind, dass das Zurück auf Softboots zumindest für das Tourengehen keine Option mehr sei. 

Wir mussten es wie alle anderen auch einfach probieren. Der Wechsel auf Softboots ist für uns aktuell keine Option mehr...

Viel Spaß beim Basteln!

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