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Events

Das Alpinforum 2025

Ein Bericht vom diesjährigen Alpinforum, das im Zuge der Alpinmesse 2025 in Innsbruck stattfand.

09.12.2025
Martin Svejkovsky Fritz Crone
Erneut veranstaltete das Österreichische Kuratorium für alpine Sicherheit im Rahmen der Alpinmesse Innsbruck das Alpinforum. Vor einem interessierten Fachpublikum berichten jedes Jahr zahlreiche Expert:innen über ein topaktuelles und heiß diskutiertes Thema. Der Trend zu immer mehr Bergrettungseinsätzen im Sommer wie im Winter, der steigende Leistungsdruck, die Professionalisierung des Alpinismus sowie die Winterthemen Lawinen, Absturz und Kälte führten zu der diesjährigen Leitfrage: „Bergsteigen – nur gesund?”. In vier verschiedenen Themenblöcken wurde dieser Frage nachgegangen. Wir von PowderGuide durften an den spannenden Vorträgen, den teils hitzigen Debatten und den eindrücklichen Erfahrungsberichten teilnehmen und wollen im Folgenden von unseren persönlichen Höhepunkten berichten.

Begrüßung und der erste Themenblock 

Nach einer Begrüßung durch den Präsidenten des ÖKAS Peter Paal und einem Eröffnungsvortrag des Tiroler Landeshauptmanns Anton Mattle folgte der erste thematische Block zum Thema „Tourismus, Sport & Ethik – Von den 8000ern bis zu den Alpen“.

Gleich drei Vorträge des ersten Blocks zum Thema Höhenbergsteigen beförderten das Publikum zumindest gedanklich auf das Dach der Welt. In den Vorträgen ging es um das kontrovers diskutierte Thema der Xenon-Einnahme, durch welche das Besteigen der höchsten Gipfel der Welt nicht nur schneller, sondern auch sicherer werden soll. Ob dem wirklich so ist, wurde in einer anschließenden Diskussion heiß debattiert, doch dazu gleich mehr.

Im ersten Vortrag berichtete der Expeditionsanbieter Lukas Furtenbach von der von ihm durchgeführten 7-Tage-Everest-Flash-Expedition, der ersten Everest-Expedition, bei der das Edelgas Xenon erfolgreich eingesetzt wurde. Anschließend daran berichtete der Chefarzt für Anästhesie und operative Intensivmedizin Michael Fries darüber, wie Xenon im Körper wirkt.

Schließlich war er es auch, der im Rahmen der von Furtenbach durchgeführten Expedition die Xenongabe an Klient:innen durchgeführt hat.

Phillip Brugger befasste sich in seinem Vortrag hingegen mit einem lokaleren, aber nicht weniger spektakulären Thema. Der österreichische Alpinist und Spezialist für Speedbegehungen berichtete von seinen Projekten in den Nordwänden von Eiger, Mönch und Jungfrau, dort und in Tirol gelangen ihm 2025 gleich zwei Nordwandtrilogien in einer Woche.

Der vierte Vortrag im ersten Themenblock kam von Urs Hefti, dem Präsidenten der Medizinischen Kommission der International Climbing and Mountaineering Federation, kurz UIAA. Er stellte sich die Frage: „Gefangen zwischen Kommerz und Werten?“ und griff das Thema des „Medikamentenmissbrauchs“ beim Bergsteigen auf. Dies ist nicht nur beim Höhenbergsteigen, sondern auch hier bei uns in den Alpen längst ein Problem.

Der Schwerpunkt des ersten Themenblocks insbesondere der Einsatz von Hilfsmitteln, wurde in der abschließenden Diskussionsrunde heiß und teilweise emotional diskutiert. Neben den Vortragenden nahm daran auch die Bergführerlegende Hanspeter Eisendle teil.

Xenon – sicher oder gefährlich?

Aus der Perspektive des Publikums konnten unter den Diskutanten schnell zwei Lager ausgemacht werden. Auf der einen Seite Lukas Furtenbach. Er verteidigte trotz der Aufzählung von Xenon auf der Dopingliste der World Anti Doping Agency (WADA) eine Xenonbehandlung seiner Klient:innen. Zudem sprach er sich dafür aus die Einnahme von Xenon in Zukunft öffentlich zu bewerben.

Für ihn trug die Xenonvergabe maßgeblich zum Erfolg der von ihm geleiteten Expedition bei. Diese Aussage wurde im Laufe der Diskussion mehrfach von dem Anästhesisten Michael Fries bestätigt. Dennoch konnten sich die Diskutanten besonders bei zwei Fragen nicht einigen. Im Gegensatz zu Fries und Furtenbach betonte der ebenfalls als Arzt tätige Urs Hefti, dass die Wirkung von Xenon im Kontext des Höhenbergsteigens noch größtenteils unerforscht sei. Er bezog sich dabei auf eine Wochen vor der Diskussion von der UIAA veröffentlichte Stellungnahme.

Über seinen durch dieses Statement ausgelösten Ärger machte Furtenbach auf der Bühne keinen Hehl. Er machte deutlich, dass es ihm um die Aufklärung von Missverständnissen zum Thema Xenon geht und er sich durch eine teilweise falsche Berichterstattung in eine Ecke gedrängt fühlt. An seine Gegner richtete er das Argument, dass er als Expeditionsunternehmer an einer höchstmöglichen Sicherheit seiner Teilnehmer:innen und somit an einer stetigen Risikominimierung interessiert sei. Laut ihm und Fries verbessere die Kombination von Hypoxiezelt, Flaschensauerstoff und Xenongas die Sauerstoffaufnahme des Blutes, auch wenn die Luft aufgrund der Höhe eigentlich zu dünn ist.

Xenon - der ethische Gegenentwurf

Der krasse Gegenentwurf zu Furtenbachs Expeditionsstil ist das Bergsteigen „by fair means“, also aus eigener Kraft und mit möglichst wenigen technischen Hilfsmitteln. Auf der Bühne positionierte sich vor allem Philipp Brugger klar für ein solches „ehrlicheres“ und damit auch ethisch gerechteres Bergsteigen. Auch die UIAA vertritt diesen Ansatz. Im Gegensatz zu Furtenbach gehen Bergsteiger:innen hier keine ununtersuchten Risiken ein. Die UIAA warnt sogar vor der Einnahme von Xenon, da diese unter Umständen zu einer Beeinträchtigung der Gehirnfunktion oder sogar zu Schlimmerem führen könnte. Mit diesen Vorwürfen konfrontiert, konterte Furtenbach auf der Bühne, die UIAA ignoriere derzeitige wissenschaftliche Erkenntnisse und man dürfe sich jederzeit bei ihm und dem behandelnden Anästhesisten Fries nach den genauen Chancen und Risiken von Xenon erkundigen.

Letztlich beriefen sich sowohl das Lager rund um Furtenbach als auch das ihm entgegengesetzte Lager, zu dem man Brugger, Hefti und Eisendle angehörten, auf das Thema Sicherheit. Auch wenn es auf den ersten Blick paradox erscheint, so könnte man Furtenbachs Expeditionsstil als „kompromisslos, aber sicher“ beschreiben. Ob er mit diesem Ansatz Respekt von professionellen Alpinist:innen erwarten kann, wird sich zeigen. Die Diskussion fand im Publikum jedenfalls großen Anklang. Auch wir von PowderGuide beteiligten uns im Nachhinein an einer lebendigen Frage- und Diskussionsrunde, ehe zum zweiten Themenblock des Alpinforums übergeleitet wurde.

Sind wir alle (Berg-)verrückt? 

Der zweite Block beschäftigte sich mit spannenden psychologischen Themen. So stellte der Berg- und Skiführer Hanspeter Eisendle die Eingangsfrage, warum wir Bergsteiger so sind wie wir sind. Dabei ging er auch dem sogenannten „Sog der Masse“ zum Abenteuer und dem zeitlgleich wachsenden Anspruch auf Individualität nach.

Die Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, Katharina Hüfner, untersuchte in ihrem zweiten Vortrag des Blocks, wann die Freude am Sport in eine Sucht übergeht – ein sehr spannendes Thema.

Im dritten Vortrag erklärte Alexis Zajetz, Psychologe und Psychotherapeut, was am Berg zu Angst oder Panik führen kann und wie man damit umgeht. Laut ihm gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen Furcht und Panik. Außerdem gab er dem Publikum einen psychologischen Erste-Hilfe-Koffer mit auf den Weg.

Die Abschlussdiskussion drehte sich um die Frage „Was ist schon ‚normal‘ am Berg?“, neben den Vortragenden nahm der Referent Richard Oberndorfer am Gespräch teil. Er absolvierte in den letzten fünf Jahren jeweils über eine Million Höhenmeter, davon einen Großteil auch auf Skitour. Für viele von uns ist das eine unvorstellbare Zahl!

Da uns die in diesem Themenblock angesprochenen Inhalte so interessierten, werden wir ihnen einen eigenen PowderGuide-Artikel in der Rubrik „Schnee von Morgen“ widmen.

Nach der wohlverdienten Mittagspause startete der dritte Themenblock. Er beschäftigte sich mit dem für PowderGuide zwar weniger relevanten, aber am Berg durchaus sehr wichtigen Thema „Bergwandern: Unfälle, Wegklassifizierungen und digitale Helfer“. Hier sprachen neben Susanna Mitterer von ÖKAS auch Vertreter:innen der Alpinpolizei, der Universität Innsbruck, des Bergführerverbands und des Landes Tirol.

Lawinen und andere Gefahren!

Umso relevanter für uns Wintersportler wurde es dann im letzten Themenblock. Zum Auftakt sprach beim ÖAV tätige Bergführer Gerhard Mössmer. Anhand von nüchternen Zahlen machte er deutlich, dass neben Lawinen noch weitere Gefahren wie Absturz und Kälte auf uns Bergsteiger:innen und Skifahrer:innen warten.

Auch Peter Plattner, Chefredakteuer von analyse:berg, zeigte mittels einer Auswertung von Unfallzahlen auf, was man dagegen tun kann, eine Ganzverschüttung zu überleben.

Im Anschluss daran sprach Stephan Birkmaier. Er selbst wurde auf einer Skitour in Norwegen von einer Lawine komplett verschüttet und berichtete auf der Bühne erstmals über dieses, alles verändernde Erlebnis. Mit seiner ruhigen, beinahe sachlichen Art berührte der Vortrag das Publikum, weshalb auf einige Inhalte eingegangen werden soll. Eine ausführliche Version über den Unfall findet ihr hier.

Zusammen mit seinen Freunden sammelte Stephan Birkmaier einiges an alpinen Erfahrungen in den Alpen, bevor sie sich 2022 gemeinsam für einen Skitrip nach Norwegen begaben. Trotz ihrer langjährigen Erfahrung, entschieden sie sich auf Grund des unbekannten Geländes für eine professionelle Begleitung durch einen Bergführer. Im Vortrag wurde deutlich, dass weder naives Verhalten noch ein einzelner gravierender Fehler zu dem Unglück führten, eher erwies sich die Summe vieler kleiner Fehlentscheidungen als verhängnisvoll. Mit diesen Fehlentscheidungen ging Birkmaier in seinem Vortrag ehrlich um, bis heute geht es ihm nicht um die Schuldfrage, sondern um Dynamiken, mit denen sich jeder Mensch auseinandersetzen muss, der einmal eine Skitour unternommen hat.

Zu diesen Dynmaiken zählt er in seinem Vortrag das Vertrauen in Andere, implizite Erwartungen, das eigene Bauchgefühl und viele weitere Faktoren. Besonders eindrücklich schilderte er wie schnell Entscheidungen am Unglückstag zunächst getroffen, aber anschließend auch wieder relativiert wurden, weil scheinbar objektive Faktoren wie das gute Wetter gegen diese Entscheidung sprachen. Als Birkmaier in seinem Vortrag den Moment der Verschüttung beschrieb machte sich im Saal eine ganz besondere Atmosphäre breit. Trotz der nüchternen und präzisen Erzählart konnte man die Ohnmacht, die er in diesem Moment verspürt haben musste, nachvollziehen.

Auch die Beschreibung der Zeit unter der Lawine, war wahnsinnig intensiv und ließ uns im Publikum nicht kalt. Die völlige Isolation unter dem Schnee, die Einsamkeit als Verschütteter, aber auch die Folgen. All das sind starke Argumente dafür, viel Zeit und Muße in die Vermeidung von Lawinenunfällen zu investieren.

Wie Birkmaier selbst betonte, hatte er dem beherzten Handeln seiner Freunde und der medizinischen Erstversorgung sein Leben zu verdanken. Er selbst formulierte es so: „Bis zum Lawinenabgang ist vieles schiefgelaufen, danach aber fast alles richtig.“. Bewusst verzichtete der Vortrag am Ende auf eine simple Checklist und so stellte er ein absolutes Highlight des Alpinforums 2025 dar.

Birkmaier machte klar, wie wichtig die Sicherheit in den Bergen ist und welche Konsequenzen uns dort drohen können. 

Den letzten Vortrag des Tages hielt Jürg Schweizer, der Leiter des Schweizer Instituts für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos. Nach seiner mehr als 30 Jahre anhaltenden Karriere als Lawinenforscher berichtete er von seinen wichtigsten Erkenntnissen und dem Wandel des Lawinenwissens. Neben einigen unterhaltsamen, spannenden und teilweise auch heiteren Anekdoten aus dem Forschungsfeld wurde eines deutlich: Viele seiner Experimente scheiterten, zeigten unerwartete Ergebnisse oder überraschten auf andere Weise. Doch all diese Momente waren und sind Teil des Forschungsprozesses. Sie zeigen uns, dass wir noch viel über Lawinen und Naturgefahren lernen müssen.

Wie im diesjährigen Alpinforum deutlich wurde, ist das Österreichische Kuratorium für Alpine Sicherheit dabei ein wichtiger Player. Die zahlreichen Vorträge und Diskussionen zeugten vom tiefen Verständnis der Expert:innen für ihre Materie. Sie vermittelten dem Publikum auf interessante und kurzweilige Weise nicht nur Wissen auf höchstem Niveau, sondern regten auch zum Diskutieren, Nachdenken und Weiterforschen über die besprochenen Themen an.

Für alle die sich noch tiefergehender mit den diesjährigen Inhalten des Alpinforums beschäftigen wollen, wird auf der Website von ÖKAS ein Tagungsband veröffentlicht werden, außerdem findet ihr im Fachmagazin von ÖKAS, dem analyse:berg zahlreiche Inhalte.

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