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Events

Eventreport | 8. Snow & Safety Conference in Lech am Arlberg

Schwierige Schneebedingungen & gelungene Fachvorträge

von Patrick Wehowsky 08.01.2020
Man könnte sagen, der Wettergott habe es dieses Jahr mit der neuen, alten Snow&Safety Conference in Lech am Arlberg nicht gut gemeint. Regen in Lech war nicht unbedingt das, was sich Freerider und Variantenfahrer erhofft hatten. Andererseits ging es ja im Grunde genommen nicht ums Pulverschneefahren sondern um das Risikomanagement im winterlichen Gebirge. Hierfür waren die Bedingungen tatsächlich herausfordernd und damit alles andere als ungeeignet.

Überwiegend schlechte Sichtverhältnisse, durchwachsene und unterschiedliche Schneequalität auf kleinstem Raum forderten Guides und Teilnehmer.

Neben den schon traditionellen Guiding-Angeboten und verschiedenen LVS-Kursen und Szenarien, gab es dieses Jahr einige Neuerungen im Gesamtgefüge der Konferenz. Zum ersten Mal fand die Konferenz nun in Lech und nicht mehr in der Alpenrose in Zürs statt. Auch der Termin wurde wegen größerer Schneesicherheit vom Saisonstart auf Mitte Dezember verschoben.

Die Vorträge am Samstagabend fanden im wohl bestdesignten Skiverleih der Alpen bei Sport Strolz statt. Das Gebäude, welches nach außen hin in reduzierter Weise Anklang an natürlichen Hausformen nimmt, wird im Inneren durch eine große Spiraltreppe, die mehrere Stockwerke in die Tiefe führt, erschlossen. Zwischen Verleihski und Verleihboots hatten die Vorträge in den hohen Räumlichkeiten (Raumhöhe 4-5 m) einen besonderen Charakter. Dieses Jahr gab es anstatt der zwei Abende mit Vorträgen nur Vorträge am Samtagabend. Während es in den letzten Jahren ab und an Bergsportpersönlichkeiten mit manchmal zweifelhaften Messages unter die Fachvorträge geschafft haben, gab es dieses Jahr zwei Fachvorträge von ausgewiesenen Experten.

Den Anfang machte JT (Jan-Thomas) Fischer, seines Zeichens Lawinendynamiker und Leiter der Abteilung Schnee und Lawinen des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) sowie Präsident der neu gegründeten " Österreichischen Gesellschaft für Schnee und Lawinen", kurz ÖGSL

In seinem anschaulichen Vortrag mischte er gut gelaunt neue Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung mit grundlegendem Wissen zur Funktionsweise von Airbags im Schnee.

Aus der Grundlagenforschung wies er auf eine offensichtlich neue Dichotomie von Lawinenklassifikationen hin. Nicht mehr trocken/nass sondern warm/kalt wird nun als grundlegende Unterscheidung verwendet. Um den Einfluss der Temperatur auf Lawinendynamiken darzustellen, zeigte er Laborexperimente, die verdeutlichten wie sich Granulatgrößen bei Lawinen in Abhängigkeit von der Temperatur verändern. Teilweise verändern sich diese sogar innerhalb des Lawinenabgangs. Die Temperatur der Lawine hat, so stellte Fischer dar, deutliche Auswirkungen auf die Fließweiten von insbesondere großen Lawinen. Für Variantenfahrer und Tourengeher sind diese Erkenntnisse erstmal nicht so wichtig, allerdings haben sie Einfluss auf die Berechnung der Sicherheitszonen in den Tälern. An dieser Infrastruktursicherheit sollten alle Menschen in den Bergen ein großes Interesse haben.

Mittels geschickter Vortragsführung und anschaulichem, experimentellem Nachweis - Popcorn! - stellte er nachfolgend dar, dass Airbags aufgrund der inversen Segregation ihren Beitrag zum Überleben leisten können und nicht aufgrund einer verkleinerten Dichte aufgrund des Airbags --> Airbags sind keine Schwimmwesten! Wer meint, solche wissenschaftliche Differenzierung sei unnötiges Beiwerk, der sollte sich vergegenwärtigen, zu welchen Folgen falsche mentale Modelle führen können. Das mentale Modell eines Airbags als Schwimmhilfe hat fatalerweise kein größeres Problem mit Geländefallen, ein Korken kommt schließlich immer wieder an die Oberfläche.

Die Bürde des zweiten und letzten Vortrags hatte Alexander Prokop, der sowohl beim Snow&Safety als auch am Arlberg wohlbekannt ist. Prokop ist Dozent für Schnee- und Lawinenforschung. An den Unis Graz und Wien leitet er zahlreiche internationale Forschungsprojekte im Bereich Lawinensicherheit und forscht auch schon seit langem am Arlberg.

Sein Vortrag hatte den Titel „Schneereiche versus schneearme Winter – wann & wo lauert die Lawinengefahr?“ Zum Einstieg, und damit als geschickte Anbindung an die letzten zwei schneereichen Winter mit den besonderen Niederschlagsereignissen, wies er darauf hin, dass sich aufgrund der starken Erwärmung der Arktis (+5°C in den letzten 100 Jahren in Spitzbergen) der Jetstream strukturell verändert habe. Durch die geringere Temperatur mäandriert der Stream stärker, was dazu führt, dass Wetterlagen - Nordstau oder Sonnenschein -  allgemein länger andauern. Die stark unterschiedlichen Winterverläufe - schneearm vs. schneereich demonstrierte er anhand der stark unterschiedlichen Saisongrafiken einer Schneemessstation aus dem Lecher Skigebiet. Didaktisch auf das Wesentliche reduziert vermittelte Prokop die Charakteristika der jeweiligen Winter :

schneereich = hauptsächlich Trieb-/Neuschneeproblem, sowie Gleitschnee

                                                         >>> kurze Zeiträume mit hoher Lawinengefahr

schneearm = Altschneeproblem

                                                          >>>  länger anhaltende Lawinenrobleme

                                                          >>> eher große Lawinen, die aus den flächigen Schwachschichten resultieren

                                                          >>> eher wenig Gleitschnee, eher lange Zeiträume mit ungünstigen Bedingungen.

Dabei wies er auf Experimente aus seiner wissenschaftlichen Praxis hin, die zeigten, dass nur runder, abbauend umgewandelter Schnee viel Feuchtigkeit aufnehmen kann. Große, kantige Kristalle, wie sie in schneearmen Schwimmschneewintern vorkommen, nehmen fast keine Feuchtigkeit auf, was auch das geringere Vorkommen an Gleitschneelawinen erklärt

Im Rückblick auf den letzten, schneereichen Winter in den Nordalpen ging er auch auf das Lawinenunglück in Lech ein und verwies zur Vermeidung sogenannter heuristischer Fallen als hilfreiches Tool auf die auch schon bei Powderguide vorgestellten FACETs zur Schärfung der eigenen Wahrnehmung vor und während der Tour/des Freeridens. Unterm Strich waren die zwei Vorträge, was Länge, Gehalt und die Mischung aus neuen Erkenntnissen und Vermittlung von grundsätzlichem Wissen angeht, dieses Mal optimal abgestimmt. Die fehlende Diskussionsrunde wurde nicht wirklich vermisst.

Fazit

Trotz der eher schwierigen Wettersituation mit Wind und schlechter Sicht waren das wieder einmal lehrreiche Tage am Arlberg. Für das nächste Jahr bleibt zu hoffen, dass die kostenlosen Guidings für Jugendliche wieder ins Programm finden. PS: Es gab sogar eine eigene, feine Snowboardtruppe mit Chris Schnabel als Guide. Auch für die Snowboarder als aussterbende Spezies ist also gesorgt!

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