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Interviews

Die Skischuh Beratung | Besuch bei Sport Conrad

PGlerinnen Toni und Klara fassen zusammen, auf was zu achten ist

von Klara Stang 04.01.2024
Toni und ich (Klara) besuchen Sport Conrad, mit der Mission uns bezüglich Skischuhe beraten zu lassen. Worauf bei einem Kauf zu achten ist, wollen wir hier an euch weitergeben. Den meisten ist Sport Conrad wohl als Online-Skifachhandel bekannt, entstanden ist es jedoch als ein Familiengeschäft über 128 Jahre aus einem Schuster-Fachgeschäft.

Sport Conrad wirbt mit einer kompetenten und fachspezifischen Beratung. Wir vom PowderGuide Team wollten es genau wissen und haben Sport Conrad in Penzberg besucht. Unser Ziel: Eine Skischuhberatung. Dass das kein einfaches Thema ist, ist allen, die schon mal vor der Frage standen „Welcher Skischuh ist der Richtige für mich“, bewusst.

Wir haben uns also ein paar Fragen überlegt, unsere alten wie auch neuen Skischuhe mitgebracht, und uns beraten lassen. Wie können schon Mal vorwegnehmen: Es hat sich gelohnt!

Magnus, unser Ansprechpartner bei Sport Conrad für Skischuhe, hat uns beraten und uns die Schuhe, Sohlen und ihre Eigenschaften erklärt. Seit 8 Jahren arbeitet er in der Skischuhabteilung. Er liebt die Skischuhberatung, weil man hier wirklich richtig beraten kann und die Materie sich immer weiter entwickelt.

Zuallererst gilt es für uns zu ermitteln, was für einen Schuh wir suchen: Freeride-, Pisten- und Tourenschuhe?
Die meisten Freeride Schuhe sind quasi Pistenschuhe aber mit der Option in eine Pin-Bindung einzusteigen und Walk Mode Option. Tourenschuhe sind für den Aufstieg super, aber nicht so stabil für die Abfahrt. Wir suchen einen All-Rounder. Einen abfahrtsorientierten Schuh, der uns aber auch auf unseren Touren ein treuer Begleiter ist, also einen Freeride Schuh.

Die zweite große Frage ist: Was ist die eigentliche Fußgröße?  Hierfür haben wir unsere Füße von Magnus einscannen lassen. Wir wissen nun ganz genau, wie lang und breit unser Fuß ist. So weit so gut. Magnus kann dadurch schon mal breite Skischuhe für uns ausschließe. Ist der Schuh am Ende zu breit, fängt man an zu “schwimmen” und verliert Halt. Magnus sagt: „der meistgemachte Fehler ist, dass der Skischuh von vorneherein zu groß gekauft wird“. Beim Probieren im Laden ist der Schuh eng, er sitzt gut, ist bequem. Nach den ersten paar Tagen auf den Brettern ist er aber dann schon zu groß. Denn Innenschuhe weiten sich, je nach Marke, ziemlich schnell. Er rät: „Skischuhe lieber ein Ticken zu klein kaufen als zu groß“.

Es stellt sich aber die Frage: Wann passt der Schuh? Eine Faustregen ist „Wenn man beim grade Stehen vorne leicht anstößt, beim in die Knie gehen aber keinen oder kaum noch Kontakt vorne hat, dann passt der Schuh“. Klar reine Tourenschuhe dürfen ein Ticken größer sein, weil man da den Fokus stärker auf den Aufstieg hat und der bequem sein soll. Abfahrtsorientierte Schuhe dagegen sind steifer. Da der Innenschuh beim Kauf noch sehr dick und aufgeplustert ist, darf man auch gut vorne mal anstoßen. Nach ein paar Mal fahren weitet der sich automatisch. Beim Kauf also ein Spurt zu eng wählen, denn der Innenschuh weitet sich über die Zeit, die Schale aber bleibt gleich groß. Einen Schuh, der zu groß ist, kleiner machen, ist so gut wie nicht möglich. Einen Schuh, der zu klein ist, größer machen, gar kein Problem. Was wir nicht wussten: Innenschuhe können beliebig ausgeweitet, ausgehöhlt und verformt werden. Z.B. können sie bei Sport Conrad den Innenschuh verlängern. Dies geschieht durch Erwärmung des Innenschuhs und anschließende Nutzung einer Zehenkappe, die auf die Fußzehen gesetzt wird, bevor man in den Schuh schlüpft, um ihn damit nach vorne auszudehnen. Die Verformung kann beliebig angewendet werden um Druckstellen entgegen zu wirken. Auch aufklebe Patches können hier genutzt werden.

Wenn es also drückt: kein Problem. Sogar den Außenschuh können sie bei Sport Conrad, falls nötig, ein Stück verlängern. Wieder heißt es: kleiner machen geht aber nicht. Also lieber am Anfang etwas zu eng kaufen als am Ende zu groß. Gib dir die Zeit und lauf einmal 10-15min in dem Schuh durch den Laden. Spür rein. Falls der Innenschuh nach ein paar Saison durchgefahren ist die Schale aber noch gut passt, kann dieser auch ausgewechselt werden.

Übrigens: wenn du schon bei Kauf den Schuh bis Anschlag „zuballerst“, dann wird der Schuh dir später definitiv zu groß sein! (“Oder du kommst aus dem Rennsport und hast sowieso ein anderes Schmerzempfinden in den Haxen”).

Die zweite Frage ist „Welchen Flex brauche ich?“. Die Flexangabe zeigt an, mit wieviel Druck der Schuh einen wieder zurück in die Ausgangssituation zurückdrückt. Der Schuh ist dir zu weich, wenn du das Gefühl hast, dass dein Ski nicht schnell genug reagiert und du nicht mehr zurück in deine Ausgangssituation beim Fahren kommst, den Schuh also durchdrückst. Eine Faustregel ist: „Wenn du bei geschlossenen Skischuhen, ohne großen Aufwand, nach vorne drückst und dein Knie ungefähr auf Höhe deiner Fußspitzen kommen, dann passt der flex für dich“. Wenn du in die Knie gehst, also dein Schienbein in den Schuh drückst, und nichts passiert, du ihn also nicht nach vorn drücken kannst, ist der Schuh zu hart für dich. Wenn der Schuh dir schon im Laden sehr hart vorkommt, dann denk dran, bei der Kälte draußen wird er noch härter. Tu dir also den Gefallen und sei ehrlich zu dir 😊

Ein weiterer wichtiger Faktor ist, welche Bindung gefahren wird. Was oft beim Skischuhkauf vergessen wird, ist darauf zu achten, dass der Schuh auch auf den Ski und in die Bindung passen muss. Reine Tourensohlen sind mit älteren Modellen der Abfahrtsbindungen laut „Norm“ oft nicht kompatibel. Sie lösen nicht entsprechend aus. Freeride oder Pin-Bindungen, die eine Multinorm ermöglichen, sind jedoch fast immer kompatibel. Zudem fehlt reinen Tourensohlen die Sohlenplatte unter dem Fuß, welche das Auslösen der Bindung im Falle eines Unfalls erleichtert. Die meisten Freeride Schuhe besitzen genau diese Platte, ebenso wie alle Alpinschuhe. Je nach Bindung, Anspruch an den Schuh und Berg-Vorhaben, sollte darauf aber in jedem Fall geachtet werden.  Also wichtig: wer noch eine alter Alpinbindung hat und diese auch weiterfahren möchte, sollte das bei der Wahl der Skischuhe beachten! Freeridebindungen mit einer Multinorm und fast alle aktuellen Alpin Bindungssysteme ab 2018 sind kompatibel. FIS Norm Renn-Bindungen sind wiederum nicht kompatibel mit den aktuellen Freerideschuhen.

Ein Freerideschuh ist KEIN Tourenschuh! Das heißt nicht alle Freerideschuhe sind Pin- und Rahmenbindungen kompatibel.
Atomic und Salomon Freeride Schuhe haben z.B. keine Wechselsohlen und daher kommt man nicht in Bindungen älter als 2018. Die Sohlen des Atomic Hawx Ultra XTD sind z.B. gar nicht zu tauschen.

Alle Freeride Schuhe, für die es Wechselsohlen gibt passen in alle Alpinschuhe rein und alle Freeride Schuhe die KEINE Wechselplatten haben sind nur mit neuen Modellen oder Tourenbindungen kompatibel.

Auch interessant zu wissen: Bei vielen Schuhen kann die Sohle von einer Alpinsohle auf eine Freeride oder Tourensohle gewechselt werden, wie z.B. bei den Atomic Hawx Prime XTD, bei anderen Modellen, wie bei dem etwas schmaleren Atomic Hawk Ultra XTD aber nicht. Fast alle moderne Freeride Schuhe haben außerdem eine Grip Walk Sohle.  Dies wurde einst von Marker erfunden. Grip Walk ist für alle interessant, die gerne auch mal Bootpacken oder einfach ungern mit den Schuhen durch die Gegend schlittern, sondern lieber etwas mehr Halt haben. Die Sohle ist gummiert, also rutschfest und ein Abrollen beim Laufen ist möglich, was den Gehkomfort steigert. Auf den Fahrkomfort hat die Sohle aber keinen Einfluss. Diese Vorteile, gegenüber den harten, rutschigen Alpinsohlen haben für eine rasend schnelle Verbreitung auf dem Markt gesorgt hat.

Bisher haben wir für uns festgestellt: Wir suchen einen schmalen Freeride Schuh mit Flex um die 110-120. Wir wollen die Sohlenplatte und eine Gripwalk Sohle.

Jetzt geht es ans Eingemachte. Wir schauen uns die Innenschuhe mal genauer an. Der Innenschuh ist angeblich das teuerste am Skischuh. Nordika und Technika sind Marktführer, was Innenschuhe angeht. Die beiden Skischuhhersteller haben die meiste Innovation in den Innenschuh gesteckt. Auch visuell ist das zu erkenne. Die Fersenschale ist geräumig, darüber, an der Achillessehne, jedoch stark verengt für mehr Halt und die Knöcheln nochmal extra verstärkt. Das Ganze wird übertragen auf die Schale. Besonders Technika bietet zudem eine Schale, die komplett anpassbar ist. Wenn der Schuh also drückt, kann da nachgeholfen werden. Wieder: Nur Weiten geht, nicht enger machen! Atomic hat zwar auch einen Innenschuh, der die Fußform widerspiegelt, die Umsetzung ist jedoch nicht ganz so ausgeklügelt wie bei Nordika und Technica, die z.B. auch für eine extra Wärmeisolierung Primaloft in ihre Innenschuhe verarbeiten.

Übrigens: für alle, die ihre Skischuhe lieben: Machts die Innenschuhe zum Trocknen raus! Der Schuh wird euch länger leben, wenn ihr ihn ein wenig pflegt und die Gefahr, dass er nass schimmelt und anfängt zu stinken, ist deutlich geringer! Heizung erscheint logisch als schnelle Trockenquelle, tut dem Schuh aber auch nicht gut. Keep it simple und trocknet ihn einfach bei Zimmertemperatur. Im Sommer könnt ihr den Innenschuh dann drin lassen. Allgemein solltet ihr im Sommer den Schuh locker zu machen und trocken lagern. Wenn ihr wärme Einlagestäbe nutzt, achtet darauf, dass diese auch ein Gebläse haben, somit einen Luftstrom aus dem Schuh raus ermöglichen. Nur Wärme kreiert eine wunderschöne Oase für Bakterien und Keime im Schuh!

Was wir auch gelernt haben: Wie alt ein Skischuh ist, könnt ihr selbst prüfen. Besonders bei Second Hand Produkten lohnt es sich das zu prüfen. Schaut der Schuh noch top aus, ist aber schon 10 Jahre alt solltet ihr die Finger davonlassen. Das Plastik verhärtet und ist nicht mehr so belastungsfähig. Ihr findet ein rundes Siegel, eingraviert auf den Außenschuh, welches euch das Jahr und den Monat der Produktion eures Schuhs anzeigt. Älter als 10 sollten sie nicht sein.

Nachdem wir also meine Fußgröße (39, aber im Skischuh 24,5), Breite (schmal) und Flex (110-120) ermittelt haben, geprüft haben welche Bindung ich fahren (aktuell die Shift 13 und die Marker Alpinist 10) und meinen Einsatzbereich definiert haben (Abfahrtsorientiertes Tourengehen) fiel meine Wahl auf das Damenmodell des Atomic HAWX XTD 115. Zuletzt hatte ich einen Technica in 25.5. Der war mir aber nach zwei Saison viel zu groß und ich bin dahin geschwommen. Den klassischen Fehler des „Zu-groß-Kaufens“ habe ich also auch begangen. Die nächsten Saisons werden zeigen, ob ich jetzt die richtige Wahl getroffen habe.

Nun kommen wir zu einer PG-lerin Frage: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Damen und Herren Skischuhen?

  1. Herren Skischuhe sind oft höher als Damenskischuhe, weil der Wadenansatz von vielen Frauen weiter unten ist als bei Männern und der Skischuh natürlich Waden-mittig sitzen soll. Wo die Wade aber individuell anfängt, ist immer Personenabhängig. Kleine Herren haben niedrigere Waden, große Damen tendenziell eher höhere Wadenansätze. Von der Definition Damen- oder Herrenskischuh sollte man sich daher nicht abschrecken lassen. Der Schuh an sich, ist der Gleiche. Man sollte das für sich wählen, was eben besser passt!
    Magnus bietet den KundInnen auch, je nach Körpergröße, beide Modelle an. Fun Fact: es gibt immer mehr Frauen mit großen Füßen und immer mehr Herren mit Kleinen!

  2. Außerdem sind Herrenschuhe tendenziell mit einem härteren Flex ausgestattet. Wer also seinen Skischuh wie ein Gummistiefel durchdrückt, wie die meisten RennsportlerInnen es machen, sollte man bei den härteren Herrenschuhe vorbei schauen. Denn was wirklich variiert sind die Härten: Ein mittelsportlicher Skischuh ist im Damenbereich hat zwischen 90-95 Flex, bei den Herren ca. 110-120.  Ein 90er Herrenschuh gibt es auch, ist aber nicht mit der gleichen hochwertigen Ausstattung bestückt, wie ein Damen 90-Schuh. Ein 90er Herrenschuh ist sozusagen „unterste Technikstufe“ bei den Damen befindet man sich hier aber schon im mittleren Bereich des Fahrkönnens.

  3. Im Herrenbereich gehen Skischuhe bis auf Größe 24 runter , Damenskischuhe bis auf Größe 22. Dafür gehen die Damenmodelle nur bis Größe 27.5 hoch, die Herrenschuhe dagegen bis meistens 31.5, manchmal aber auch bis 34.5. Wobei tendenziell in den großen Größen keine so schmalen Modelle mehr angefertigt werden. Bei jedem Größensprung wird der Skischuh 2mm breiter. Das bedeutet, umso größer/länger der Schuhe ist, desto breiter wird er auch (1cm Länge bringen 2mm Breite). Der Absatzmarkt für sehr schmale lange Füße ist aber wohl noch zu gering, als dass es sich für Hersteller lohnen würde diese zu produzieren.

Magnus beruhigt mich also mit meiner Sorge, dass die Wintersport Industrie bei den Damensachen Mal wieder etwas pfuscht. Die Qualität ist gleich und ich kann getrost auch meinen Damenskischuh fahren.

Wir kommen zum Ende unseres Sport Conrad Besuchs. Als Fazit können wir sagen: Eine Skischuhberatung bei Sport Conrad lohnt sich! Wir gehen mit einem rauchenden Kopf voller neuer Informationen und einem neuen Paar Skischuhe nach Hause. Wir empfehlen allen, die vor der Frage stehen, welcher Schuh der Richtige für sie ist, sich die Zeit zu nehmen und eine Beratung in Anspruch zu nehmen. Es lohnt sich nicht zwischen Tür und Angel sich für einen Schuh zu entscheiden. Gebt euch und euren BeraterInnen die Zeit euch beraten zu lassen. Man kann aus Foren lesen und herausziehen wieviel man will, am Ende ist die Beratung doch die beste Informationsquelle, die man haben kann.

Wir haben uns köstliche bei Sport Conrad amüsiert und hatten eine Gaudi. Magnus können wir nur weiterempfehlen und es hat echt Spaß gemacht, weil man merkt, dass er seine Begeisterung für Skiequipment gerne und gut teilt! DANKE!

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