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Schnee von morgen

Schnee von morgen | Recycelst du deine Skischuhe schon?

Welche Herstellet setzen auf Recycling und Kreislaufwirtschaft?

von Lisa Amenda 24.01.2022
Recycling ist ein andauerndes Trendthema in der Outdoorbranche. Sei es im Bereich Bekleidung oder Ausrüstung. Was tut sich aktuell in diesem Bereich bei Wintersportmaterial?

Reduce. Reuse. Recycle. Der Kreis bestehend aus den drei grünen Pfeilen. Recyceltes Polyester. Recycelte Wolle. Recycelte Fischernetze. Recycling ist Trend. Keine Frage. Es ist nicht nur angesagt PET-Flaschen zu recyceln und Dosen in den Pfandautomaten zu stecken, es ist vor allem angesagt neue Bekleidung oder neues Equipment aus recycelten Materialien zu kaufen. Dass das nicht der Weisheit letzter Schluss ist und wir damit nicht das Müllproblem unseres Planeten lösen, ist auch klar. Powderguide-Autor Lorenzo hat deshalb dazu bereits in der letzten Saison einen Schnee von morgen-Artikel über das nächste große Ding, die Kreislaufwirtschaft und was das mit dem Wintersport zu tun hat, geschrieben.

Jetzt also nochmal ein Beitrag über Recycling, obwohl wir doch schon wissen, dass das nicht reicht? Dass wir so nicht weiterkommen? Ja und nein. Denn ich will dir heute nicht nochmal vorbeten, warum Recycling im Downcycling enden kann. Heute wird’s eher praktisch. Ich will dir zu Beginn des Jahres nämlich Hersteller vorstellen, die sich mit Initiativen und Kollektionen dem Thema Recycling und Kreislaufwirtschaft verschrieben haben.

Aus Reststoffen wird neue Kollektion

Die wohl weit verbreitetste Form von Recycling in der Outdoorbranche ist das Upcyceln von Reststoffen. Denn Reststoffe gehören zu den größten Problemen der Textilindustrie. Allein in Deutschland landen jährlich rund 392.000 Tonnen Kleidung im Müll und weniger als ein Prozent der Textilien werden nach Schätzung der Fashion Alliance der UN zu neuer Kleidung verarbeitet. Im Bereich Bekleidung hat in diesem Sommer Ortovox mit der Protact Kollektion eine Kollektion vorgestellt, die komplett aus Reststoffen besteht. Diese Serie ist nach der hauseigenen Nachhaltigkeitsstrategie benannt und umfasst 22 Styles, die in limitierter Stückzahl von ausgewählten Händlern verkauft werden. Zwar versucht Ortovox bereits von Anfang an, Produktionsreste zu vermeiden, allerdings können Hersteller solche Leftovers nie ganz umgehen: „Wir müssen zu einem sehr frühen Zeitpunkt in der Kollektionsplanung Textilmengen bestellen, die dann manchmal von der schlussendlichen Verkaufskalkulation abweichen“, erklärt Katrin Bauer, Head of CSR.

Ein ähnliches Konzept hat auch Maloja mit der The Leftover Puzzle Collection verfolgt und eine Kollektion aus Reststoffen früherer Maloja Kollektion zusammengepuzzelt – und daraus vollkommen neue Designs entstehen lassen, die von ausgewählten Maloja Händlern vertrieben werden. 

Aber nicht nur Bekleidungshersteller schneidern neue Styles aus Reststoffen, auch Rucksack- und Taschenhersteller nutzen alte Stoffe für neue Produkte. Deuter hat schon vor mehreren Jahren damit begonnen, Reststoffe zur Materialverstärkung der eigenen Produkte oder für die Herstellung von Give-Aways zu verwenden. Doch irgendwann hat das den Deuter-Produktmanagern nicht mehr gereicht und es entstand die Idee für die Infinit Serie. Eine kleine Kollektion aus individuellen Unikaten. Deuter hat hierzu 26.200 Yards (das sind knapp 24.000 Meter) an Reststoffen weiterverarbeitet. Das sind ungefähr fünf Fußballfelder Stoff, die sonst entsorgt werden müssten. Zehn Prozent des Umsatzes der Kollektion spendet das Unternehmen an 1% for the planet.

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Von Recycling zur Kreislaufwirtschaft

Noch einen Schritt weiter will der Funktionstextilienhersteller Sympatex in den nächsten Jahren gehen. Bis 2030 hat sich Sympatex das Ziel gesetzt, den ökologischen Kreislauf in der Funktionstextilbranche zu schließen. Bereits 2020, auf der letzten ISPO, hat Sympatex erste Laminate aus gebrauchten, kreislaufwirtschaftlich gewonnenen Textilmaterialien sowie die Revolution Hybrid, eine Funktionsjacke aus 30 Prozent recycelten Alttextilien und 70 Prozent recycelten PET-Flaschen vorgestellt. Zudem will das Unternehmen, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre mindestens die Hälfte der für seine Funktionslaminate benötigten Rohstoffe aus einer zirkulären textilen Lieferkette stammen und wieder vollständig recycelbar sind. Bis 2030 soll dann alles zirkulär sein.

Recycle your boots – Kreislauf für die Skischuhe

Bei Textilien ist Recycling und Kreislaufwirtschaft also nichts Neues. Viele Hersteller probieren neue Wege aus und hinterfragen den Status Quo. Aber wie sieht es beim Equipment aus? Hier tut sich noch recht wenig. Es gibt immer wieder Meldungen von Skiherstellern, wie z.B. Faction, die zum Teil recycelte Materialien für Seitenwange, Base und Topsheet verwenden, doch solche Nachrichten sind selten.

Im Skischuhbereich gibt es ein paar Ansätze und Tecnica hat mit Recycle your Boots ein eigenes Recyclingprojekt nur für Skischuhe gelauncht. Denn wer kennt es nicht? Die Skischuhe sind nach ein paar Jahren irgendwie durch und wenn man keine weitere Verwendung dafür hat, landen sie einfach im Restmüll. Plastikmüll, der so nicht sein müsste. Tecnica will mit dem Kreislaufwirtschaftsprojekt dazu beitragen, gebrauchte Skischuhe zu Sekundärrohstoffen zu recyceln, Ressourcen zu sparen und CO2-Emissionen zu reduzieren. „Die Idee ist ganz einfach“, erklärt Maurizio Priano, Marketing- und Brandmanager von Blizzard & Tecnica. „Wir wollen jedem Skifahrer, der ein neues Paar Tecnica Skischuhe kaufen möchte, die Möglichkeit geben, seine alten Schuhe zurückzugeben, egal von welcher Marke. Tecnica wird das alte Paar in einem transparenten und nachhaltigen Prozess recyceln.“

Um alte Skischuhe zu sammeln, abzutransportieren und zu einem Sekundärrohstoff zu recyceln, arbeitet Tecnica ab kommendem Winter mit Sportfachhändlern im gesamten Alpenraum zusammen. Die alten Skischuhe werden bei Händlern gesammelt und in größeren Mengen weitertransportiert. Die Firma Fecam in Italien zerlegt die Skischuhe dann in ihre Einzelteile. Dabei wird das Innenfutter entfernt und die Kunststoffelemente von den Metallteilen getrennt. Alle Teile werden dann zum nahegelegenen Werk von Laprima Plastics transportiert und dort in Sekundärrohstoffe umgewandelt, die in der industriellen Produktion wiederverwendet werden. Auch die Innenschuhe werden recycelt und für die neue Polsterung verwendet. Der gesamte Prozess wird von Wissenschaftlern der Universität Padua in Italien überwacht. In Graubünden werden in den Werkstätten der ARGO (Stiftung für Integration von Menschen mit Behinderung) ebenfalls Skischuhe in die einzelnen Komponenten zerlegt und das Plastik zerkleinert und gemahlen. Das Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung in Rapperswil verarbeitet das Material weiter zu Filament für den Einsatz in 3D Druckern.

Im Interview mit Tecnica

Laut Tecnica wird das selbst ins Leben gerufene Projekt maßgeblich die Art und Weise beeinflussen, wie der italienische Hersteller in Zukunft Skischuhe gestalten wird. Grund genug, genauer nachzufragen und mit Maurizio Priano über das Projekt Recycle your Boots zu sprechen:

Wie entstand die Idee zu Recycle your boots?

Die Idee für das Projekt entstand aus dem Bewusstsein heraus, dass wir weltweit ein großes Problem mit Plastikmüll haben. Von den Bergen bis zu den Ozeanen haben alle die gleichen Probleme: Plastikverschmutzung und Klimawandel. Als Vater von zwei Kindern mache ich mir Sorgen um ihre Zukunft. Ich möchte, dass sie weiterhin die Schönheit der Natur genießen und Spaß in den Bergen haben. Unser Wunsch ist es, etwas Konkretes zu tun, um unseren Spielplatz zu schützen. Wir wollen alte Skischuhe, egal welcher Marke, recyceln, damit sie nicht auf der Mülldeponie landen.

Wofür werden die daraus entstandenen Sekundärrohstoffe verwendet?

Zunächst einmal müssen wir sagen, dass Skischuhe ziemlich komplex sind. Sie bestehen aus fast 120 Teilen und verschiedenen Materialien. Folglich sind das Ergebnis des Recyclingprozesses verschiedene regenerierte Rohstoffe wie TPU (thermoplastisches Polyurethan), PP (thermoplastisches Polypropylen), die von der Schale stammen, und ALU (Aluminium) und FE (Eisen), die von Schnallen und Schrauben stammen. RYB (Recycle your Boots) kann als ein Innovationslabor betrachtet werden. Wir haben bereits eine Menge gelernt, aber es muss noch mehr kommen. Wir arbeiten daran, verschiedene Anwendungen für die Wiederverwendung dieser Materialien zu finden. Das TPU wird nicht nur in Skischuhkomponenten wie Keilplatten und Manschettenverstärkungen verwendet, sondern auch in Ski für Verstärkungsplatten und in unseren Schuhen für Fersenzähler. Der Schaumstoff hingegen, der aus den Innenschuhen stammt, wird zu Polstern für Sitze und Schutzmatten weiterverarbeitet. PP und ALU werden zur Zeit noch nicht in unserer Produktion eingesetzt, sondern finden ihren Weg in die Produktion anderer Branchen.

Können aus den alten Skischuhen auch Materialien für neue Skischuhe gewonnen werden?

Abfahrtsleistung und Langlebigkeit sind zwei Hauptmerkmale, die die Qualität eines Alpin-Skischuhs bestimmen. Sie stehen in engem Zusammenhang mit der mechanischen Leistung der für die Schale verwendeten Kunststoffe. Die Herausforderung besteht darin, einen konsistenten, regenerierten Kunststoff zu haben, der die gewünschte Leistung garantieren kann. Dafür müssen wir wissen, welcher Kunststoff verarbeitet wurde. Bisher wissen wir nur bei unseren eigenen Skischuhen, welches Material in welcher Härte verwendet wurde. Da wir alte Skischuhe von allen Marken und aus allen Saisonen recyceln, erlauben uns die mechanischen Eigenschaften des regenerierten TPU, es nur für einige Teile zu verwenden, die nicht mit der Gesamtleistung des Skischuhs zusammenhängen. Wir arbeiten jedoch daran, dass wir künftig die Härte des Materials unabhängig davon bestimmen können, um aus einem Skischuh wieder einen Skischuh zu machen.

Wenn Skischuhe künftig kreislaufwirtschaftlich gedacht und designt werden, müssen sich dann auch die Materialien ändern, aus denen die Schuhe gefertigt werden?

Eine der ersten Erkenntnisse und Konsequenzen aus dem RYB-Projekt ist die Frage, wie wir unsere Skischuhe gestalten sollten, damit sie leichter zerlegt und recycelt werden können. Wir werden die Komplexität der unterschiedlichen Materialien reduzieren, insbesondere bei den Innenschuhen, um den Recyclingprozess zu vereinfachen und noch effizienter zu gestalten.

Außerdem werden wir jedes einzelne Bauteil unserer Skischuhe mit der genauen Materialangabe versehen. Das wird es uns ermöglichen, in Bezug auf Qualität und Leistung homogenere Rohstoffe der zweiten Generation zu erhalten (wenn die Skischuhe wieder recycelt werden).  Bessere Materialien der zweiten Generation mit hervorragenden mechanischen und bekannten Eigenschaften werden eine breitere und längere Wiederverwendung bei der Herstellung neuer Skischuhe ermöglichen, ohne die gewünschte Leistung und Haltbarkeit zu beeinträchtigen.

Wir fangen auch an, Kunststoffe auf Biobasis zu testen, aber bis heute sehen wir kein anderes Material als Kunststoff, das die Anforderungen an einen guten Skischuh erfüllen kann. Deshalb haben wir uns darauf konzentriert, neue und bessere Lösungen für das Recycling und die Wiederverwendung von Kunststoffen zur Herstellung neuer Produkte zu finden.

Wenn man das auf die gesamte Skibranche übertragen möchte, müssten dann alle Skischuhhersteller zusammenarbeiten, damit einheitliche Materialien verwendet werden, die dann anschließend leichter wieder in den Kreislauf zurückzuführen sind?

Das ist unser Ziel und unsere Hoffnung. Wir sind uns bewusst, dass wir nur dann eine große Wirkung erzielen können, wenn wir alle zusammenarbeiten. RYB ist unser Aufruf, nicht nur an andere Skischuhhersteller, sondern auch an andere Marken, Händler und letztendlich an die Berg-Community und Skifahrer:innen, sich unserem Projekt anzuschließen, es zu vergrößern oder es einfach in etwas anderes umzuwandeln.

RYB ist Teil des LIFE-Programms der Europäischen Kommission. Dieses hat eben genau das Ziel, innovative Projekte der Kreislaufwirtschaft und des Abfallmanagements zu unterstützen, die als Lerngrundlage für ähnliche Projekte in anderen Branchen oder Produkten dienen können. Ich erwarte, dass wir in Zukunft neue sinnvolle Partnerschaften entwickeln werden.   

Ist ein ähnliches Projekt in Zukunft auch mit Ski geplant? Bzw. findet hier ein Austausch zwischen Blizzard und Tecnica statt?

Ski unterscheiden sich von Skischuhen zum Beispiel durch das Material, aus dem sie hergestellt werden. Auch die Herausforderungen, die zu bewältigen sind, um Ski nachhaltiger zu machen, sind unterschiedlich. Die größte Herausforderung besteht wahrscheinlich darin, die verschiedenen Materialschichten zu demontieren oder zu trennen, bevor sie recycelt und wiederverwertet werden, da sie zusammengeklebt sind. Wie erwähnt, gibt es bereits einen Austausch zwischen Tecnica und Blizzard im Rahmen des RYB-Projekts, bei dem recyceltes TPU für die Verstärkung der Platten oder den Schutz von Tip und Tail verwendet wird.

Luft nach oben

Wie du siehst, ist beim Thema Recycling noch lange nicht die letzte Faser gedowncycelt. Es gibt immer wieder neue Projekte und Bemühungen der Hersteller ihre Prozesse zu optimieren und sich neue Lösungen für globale Probleme einfallen zu lassen. Dass das allein nicht reichen kann, wissen wir alle. Ein erster Schritt ist es trotzdem.

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