PG: Hallo Marc, danke, dass du dir Zeit für uns genommen hast. Fangen wir am Anfang an: Worauf sollte man achten, wenn man neue Skischuhe kauft?
MA: Das häufigste Probleme ist, dass Leute viel zu große Schuhe kaufen. Nur wenn ich die richtige Größe habe, stimmt auch alles andere, zum Beispiel die Knöchelposition.
PG: Wie kann man sicher gehen, dass die Größe stimmt?
MA: Man muss die Schuhe natürlich anprobieren und je nach dem, wie viel Erfahrung man damit hat, muss man dafür in ein Fachgeschäft gehen, wo sich die Leute wirklich auskennen. Als typischer Konsument kaufe ich vielleicht alle 3 bis 5 Jahre einen Skischuh. Ich habe also alle paar Jahre einen Anlass, mich über Skischuhe zu informieren. Ein guter Verkäufer informiert sich ständig, der hat ganz andere Erfahrungswerte. Ein richtiges Fachgeschäft hat auch eine gewisse Vorauswahl von guten Produkten im Sortiment. Ich könnte viel mehr Schuhe im Laden stehen haben, aber ich möchte nur die, die wirklich funktionieren und die ich mit gutem Gewissen verkaufen kann. Ich lebe auch vom Verkauf, das ist ganz klar, aber ich lebe besser, wenn ich ehrlich etwas verkaufen kann.
PG: Wenn ich jetzt merke, dass mein Schuh zu groß ist und die Ferse rutscht, kannst du nicht viel machen, oder?
MA: Die Schale kleiner machen geht nicht. Die Leute kaufen Skischuhe wie Halbschuhe. Sie meinen, sie brauchen einen Fingerbreit Luft vor den Zehen, und damit ist der Skischuh eigentlich schon zu groß gekauft. Ich stehe in einem Skischuh ganz anderes, als in einem normalen Schuh. Man rollt da ja auch nicht ab, das geht gar nicht. Bei Skischuhen fehlt den Leuten die Routine und das Gefühl, wie man es von anderen Schuhen kennt– der passt mir oder der passt nicht. Wenn ich dann in ein Geschäft gehe, wo sich der Verkäufer vielleicht nicht auskennt oder keine Zeit hat, und ich kaufe einen Schuh, bei dem ich das Gefühl habe, der sitzt so wie meine Turnschuhe, dann ist der normalerweise viel zu groß.
PG: Was ist von geschäumten Innenschuhen zu halten?
MA: Wenn es gut gemacht ist sehr viel. Das Schäumen selber ist eigentlich nur Schaumschütteln, das Wichtigste ist die Vorarbeit. Die Schale und das Fußbett müssen ordentlich gemacht werden. Wenn der Schuh zu weit ist, kann man das mit Ausschäumen ganz gut richten. Einen Schuh zu schäumen, der zu schmal ist, bringt überhaupt nichts.
PG: Ich habe das Gefühl, dass mir bei meinen Skischuhen die 27-27.5er Schalengröße etwas zu knapp ist, 28-28.5 als nächst-größere Schale aber zu groß. Was soll ich da machen?
MA: Die größere Schale ist dir zu groß, das funktioniert nicht. Es gibt verschiedene Angaben für die Schuhgröße. Ein Halbschuh in Größe 38 ist zum Beispiel französisches Stichmaß, da ist der Unterschied zwischen den ganzen Größen 6.6 mm. Dann gibt es die UK Größen, 4, 4.5, 5, und so weiter. Da sind 8.4 mm zwischen den Größen. Skischuhe werden nur in Mondopoint produziert, da ist der Unterschied zwischen den Größen ein voller Zentimeter. Die 28er Schale ist also einen Zentimeter länger als die 27er Schale. Das ist fast so, wie wenn man normalerweise Größe 41 hat und dann plötzlich 43 kauft, was viel zu groß ist.
PG: Also immer die kleinere Größe nehmen, wenn man zwischen Schalengrößen ist, und dann den Schuh anpassen lassen?
MA: Eher die kleinere, ja. Wobei es natürlich auch darauf ankommt, wie breit der Fuß ist, wie schlank die Ferse ist und wie sonst die Hebel sind. Die Unterschalen werden in Zentimeter Abstufungen gemacht, aber die Manschetten sind oft über zwei oder drei Nummern gleich. Es kann schon sein, dass man einen 25er Schuh kauft, wo dann die Unterschale 25 ist und die Manschette 24-25.5. Wenn man eine Nummer größer nimmt, hat die Unterschale 26, die Manschette aber schon 26-27.5. Das ist ein ziemlich großer Unterschied, die Manschette ist oben viel weiter und geht höher rauf. Vor allem bei Kindern ist das oft ein Problem und von einer Größe auf die nächste passt plötzlich gar nichts mehr zusammen. Das muss man ausprobieren.
PG: Ich habe jetzt also einen Schuh und komme drauf, dass er drückt. Der Sportshop im Skigebiet wirbt mit Bootfitting und Passformgarantie. Bietest du solche Garantien auch an?
MA: Wenn jemand was von Passformgarantie schreibt, ist das mit Vorsicht zu genießen. Ich mache das jetzt seit 20 Jahren, ich habe alle Ausbildungen, die man in dem Bereich haben kann. Der Fuß ist eins der komplexesten Gebilde im menschlichen Körper. Zusätzlich ist das persönliche Empfinden oft ganz unterschiedlich. Ich würde mich nie trauen, eine Garantie zu geben. Das ist unseriös. Das ist so, wie wenn der Koch garantiert, dass das Essen schmeckt. In großen Sportgeschäften mit Garantie ist das oft irgendein Schnellservice.
PG: Was kannst du, was die nicht können?
MA: Was beim Skischuhanpassen zählt, ist Erfahrung. Ich weiß bei weitem nicht alles und ich werde nie alles wissen, aber mit jedem Kunden wird die Erfahrung größer und ich kann besser arbeiten. Du siehst ja, was hier für ein Maschinenpark steht. Die Sportläden haben vielleicht einen Ofen, wenn überhaupt. Ich habe viel ausprobiert und mir viele Maschinen selber gebaut, genau wie ich sie haben will. Die gehören zu meinem Betriebsgeheimnis!
Das Ganze ist ein Lernprozess und ich habe viele Schuhe auf eigene Kosten kaputt gemacht, bis ich rausgefunden habe, was funktioniert und was nicht. Dafür kann ich jetzt sagen, dass ich mit allen üblichen Schalenmaterialien gut zurecht komme und sie formen kann, zum Beispiel durch punktuelles Dehnen, Fräsen und thermoplastisches Verformen. An den Innenschuhen kann man natürlich auch sehr viel machen, bis hin zum kompletten Maßinnenschuh.