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Interviews

PowderPeople | Shades of Sandra

Ein Interview mit Freeriderin und Filmemacherin Sandra Lahnsteiner

von Lisa Amenda 16.03.2018
Staatlich geprüfte Skilehrerin. Mentaltrainerin. Freeriderin. Und Filmemacherin. Kaum eine Skifahrerin zeigt beruflich so viele Facetten wie Sandra Lahnsteiner. Sie hat Freeskiing mit Shades of Winter weiblicher gemacht und erzählt im Interview, warum es sich lohnt, einfach mal etwas zu machen, wieso es mutig ist, auch mal „Nein“ zu sagen und warum ihre Filme auch Männer zum Skifahren inspirieren.

Sandra, du kommst ursprünglich aus dem alpinen Skirennsport und bist staatlich geprüfte Skilehrerin. Wie hat es dich eigentlich zum Freeskiing verschlagen?

Stimmt, eine Profikarriere im Freeskiing hatte ich nicht auf dem Schirm!

Ich habe Sport-und Trainingswissenschaften an der Universität Salzburg abgeschlossen, als eine von nur wenigen Frauen die C-Trainer Ausbildung gemacht (die höchste Ski Alpin Trainerausbildung in Österreich) und direkt danach begonnen, hauptberuflich als Trainerin im Alpinen Skirennlauf zu arbeiten. Ich war im Landesskiverband Salzburg und in der Skitourismusschule Hofgastein tätig (dort sind auch Anna Veith, Marcel Hirscher und Philipp Schörghofer zur Schule gegangen) und habe zudem von 2004 bis 2014 Anna Veith, damals Fenninger, als private Konditionstrainerin betreut.

Aber: Skifahren war schon immer meine große Leidenschaft. In jeder Form und in jeder freien Minute. Und somit auch das Freeriden, was damals noch Geländefahren hieß.

Und: Ich bin ein Mensch, der die Herausforderung liebt, braucht und immer wieder sucht – und im Freeriden besser zu werden, war definitiv eine Herausforderung. Also habe ich an mir gearbeitet, bin viel Ski gefahren, habe jede Möglichkeit beim Schopf ergriffen, abseits unterwegs zu sein. Und das hat am Anfang sicherlich nicht „filmreif“ ausgesehen!

Dass sich daraus eine Karriere als Freeski Profi ergeben würde, in der ich auch noch meine eigenen Filme produziere, war nicht geplant. Als sich aber die Möglichkeit ergeben hat, habe ich sie zu 100% in Angriff genommen.

2008 hast du angefangen, in Skifilmen mitzufahren und warst damals in der, sagen wir mal, „Männerdomäne Freeskiing“ eine der wenigen Frauen in Österreich. Wie war das für dich?

Inspiriert und motiviert vom Filmpart einer amerikanischen Freeskierin bei MSP bekam ich vor 10 Jahren die Möglichkeit, als einzige weibliche Athletin in einer österreichischen Freeskifilmproduktion mitzufahren. Das war natürlich cool, eine mega Ehre und tolle Chance, für die ich den Jungs aus Abtenau von Ydreamproduction super dankbar bin.

Dabei lernte ich eine neue, kreative Seite an mir kennen. Die Arbeit mit Kamera und Fotografen, mit Licht und Schatten am Berg und selber als Skifahrer der Pinsel auf der weißen Leinwand sein zu können, das hat mich sofort motiviert. Es geht aber auch darum, die Performance als Skifahrer auf den Punkt zu bringen. Genau diese Kombination ist die große Herausforderung, die mich bis heute reizt.

Das Filmen für „Made in Austria“ mit Jungs wie Matthias Mayr oder Matthias Haunholder hat mich extrem gepusht, mir Möglichkeiten aufgezeigt, mich für mehr motiviert.

Und wie ist es dann zu deinem ersten Film „As we are“ gekommen?

Es war zu dieser Zeit (2009) als ich feststellte, dass es eigentlich keine Freeskifilmproduktionen gibt, die ausschließlich weibliche Athletinnen featuren. Jede Produktion hatte maximal eine Athletin.

Ich hatte ja Glück, war eigentlich versorgt mit „Made in Austria“, aber nach der Saison mit den Jungs hatte ich einfach die Idee, das gleiche nur mit Mädels zu machen. Aus diesem Grund habe ich dann gemeinsam mit einem befreundeten Kameramann, Mathias Bergmann, meinen ersten eigenen Film organisiert: "As We Are – A Girls Ski Movie". Der Film begleitet einen Roadtrip von sechs Freeriderinnen, darunter u.a. Lorraine Huber, Giulia Monego und Melissa Presslaber, quer durch die Alpen.

Aufgrund seiner Einzigartigkeit hat es der Film bis in die USA geschafft und das war dann die Motivation, der Startschuss, für meine eigene Produktion: Shades of Winter, mit dem "unique selling point", die besten Freeskierinnen und höchste Produktionsqualität zu vereinen. Mathias Bergmann wurde dabei einer der Hauptverantwortlichen, um die Momente am Berg und beim Reisen mit Kameras einzufangen.

Deine Filme zählen zu den ganz wenigen „All Female“- Filmen der Szene. Hast du jemals darüber nachgedacht, auch Filme mit Frauen und Männern zu machen?

Nein, eigentlich nicht. Shades of Winter hat seinen USP entwickelt und steht dafür, weiblichen Athletinnen und ihrer Performance Raum und Platz zu geben, sich zu präsentieren. Und da gibt’s einfach immer noch so viel zu tun. Wenn ich Budgetfreiheit hätte, wüsste ich so viele coole Geschichten zu erzählen.

Und der Zuspruch, den ich bekomme, bestätigt das auch: Athletinnen finden es cool, weil wir plötzlich einen Platz haben, unsere Performance zu zeigen. Die Filmfestivals haben jedes meiner Projekte eben genau deswegen mit offenen Armen aufgenommen – weil es Frauen, Athletinnen, gezeigt hat. Auch die Skiindustrie war von Anfang an unterstützend. Und Männer finden es gut, weil wir mit Performance und Action überzeugt haben.

Außerdem: „Shades of Winter“ Filme sind nicht nur für Frauen. Ich denke, auch Männer finden es super und inspirierend, wenn sie Frauen sehen, die Gas beim Skifahren geben und sind motiviert, selber Ski zu fahren und Sachen auszuprobieren.

Mittlerweile hast du vier Shades of Winter Filme produziert. Dieses Jahr hast du zusammen mit Janina Kuzma „Crossroads“ rausgebracht. Ein Kurzfilm, der euch beide auf einem ganz entspannten Skitrip in Kanada begleitet. Bei deinen Filmen ist mit der Zeit die reine Skiaction ein bisschen in den Hintergrund gerückt und du lässt mehr Raum für Erzählungen rund um die gemeinsame Zeit am Berg und die entstandenen Freundschaften. Machen diese Themen Skifahren auch für dich aus?

Am Anfang hatte ich schon das Gefühl, dass wir uns ein gewisses Standing mit unserer Skiperformance erarbeiten müssen. Aber die zahlreichen Awards und Nominierungen von Athletinnen in den Filmen bestätigen, dass wir das erreicht haben. Und dann kam der Storytelling-Gedanke dazu. Inspiriert von uns selber – wir Athletinnen genießen es ja zu reisen, neue Länder und Gebiete kennenzulernen, in das Leben vor Ort einzutauchen, in die Kultur und auch in das Skifahren und die Skigeschichte dort. Und das interessiert natürlich auch die anderen Leute.

Immer nur reine Skiaction, da muss man nicht um die halbe Welt fliegen, da haben wir mit den Alpen ja einen der schönsten Spielplätze direkt vor der Haustüre. Es sind die Erlebnisse in den Ländern und mit den Leuten, die uns bereichern, unseren Horizont erweitern. Reisen mit Skifahren kombinieren zu können, Bilder davon mit nach Hause zu bringen, das ist meine ganz große Leidenschaft.

Glaubst du, dass bei Frauen Skifahren eine andere Bedeutung hat als bei Männern? Zählt z.B. bei den einen nur die Performance und bei den anderen das gemeinsame Draußensein?

Nein, ich denke, dass es sowohl bei Frauen als auch bei Männern beides gibt.

Den Unterschied macht der Profisport. Im professionellen Freeskiing geht es uns Athletinnen genauso um Performance wie den Männern. Und dann gibt es sowohl bei den Profis als auch bei den Nicht-Profis Tage, da geht es nur ums Draußensein, um den gemeinsamen Spaß, ums Erleben.

Um noch einmal auf die gemeinsamen Erlebnisse und Freundschaften zurück zu kommen: Meinst du, dass dieser Aspekt in den Shades of Winter Filmen auch dazu beigetragen hat, dass mehr Frauen Interesse an Freeskiing haben?

Ja, ich denke schon. Wirklich beurteilen können das wohl eher andere, aber ich habe schon den Eindruck, dass extrem viel passiert ist in den letzten Jahren und das ist gut so.

Zum einen gibt es viel mehr Filme, in denen Athletinnen präsent sind, die Filmparts der Athletinnen sind länger geworden, Mädels haben mehr Möglichkeiten bekommen und zum anderen haben auch immer mehr Athletinnen das Zepter in die Hand genommen und realisieren ihre eigenen Projekte.

Ich kann mich an ein Filmfestival 2010 erinnern, da kam ich mir als einzige Athletin extrem verloren vor. Mittlerweile gibt es da ein großes Hallo und viele Sportlerinnen.

Und die Präsenz von Frauen in Ski-/Outdoor-/Actionsport-Filmen trägt sicher auch dazu bei, dass mehr Frauen Interesse am Freeskiing haben. Es ist für Mädels alles leichter zugänglich und auch Social Media trägt sicherlich dazu bei, dass sich mehr Frauen denken „oh cool, das taugt mir, das probier ich auch!“

Bietest du deshalb auch die Shades of Winter Camps an?

Mein erstes damals noch „Girls Freeride Camp“ habe ich bereits 2011 organisiert. Aus purer Lust, mit anderen Mädels Ski zu fahren, sie zu motivieren und zu inspirieren.

Ich habe dann immer ein Camp pro Saison veranstaltet und seit 2013/14 laufen meine Camps unter dem Namen „Shades of Winter“ und stehen für CONNECT – INSPIRE – EMPOWER.

Meine Erfahrung, mein Hintergrund als Coach und Trainerin, gepaart mit meiner Leidenschaft für den Sport, fürs Freeriden und dem Bedürfnis, das zu teilen, was Skifahren für mein Leben gemacht hat, ist meine größte Motivation für die Camps.

Ich liebe es einfach, andere zu pushen, ihnen zu helfen, ihre Grenzen zu verschieben, neues Selbstvertrauen zu geben, zu zeigen was alles möglich ist, wenn man die richtige Einstellung hat. Das erfüllt mich extrem!

Der "Need" für "all female" Camps ist natürlich auch eine riesige Motivation. Und der Zuspruch aus allen Altersgruppen und so vielen Ländern. Beim letzten Camp in Gastein im Februar war die jüngste Teilnehmerin gerade einmal 20 Jahre und andere in ihren besten 30ern und 40ern. Und es ist völlig egal! E ist so wunderschön zu sehen, wie sehr sich die Mädels und Frauen gegenseitig unterstützen können, mit ihren individuellen Geschichten, Lebenserfahrungen, Einstellungen und natürlich ihrer Motivation zum Skifahren. Die Teilnehmerinnen diesmal kamen aus sieben verschiedenen Ländern: Österreich, Deutschland, Schweiz, Norwegen, Finnland, Schweden und Brasilien!

Im Sommer wird es auch das erste Mal „Shades of Winter"-Mountainbike Camps geben.

Ehrlich gesagt war ich früher immer eher zwiegespaltener Meinung, ob wir uns als Frauen einen Gefallen tun, wenn wir alles in „Women's Only“ verwandeln. Mittlerweile glaube ich aber, dass wir uns unter Frauen unsere Ängste eingestehen und uns gegenseitig, aber auch auf einem anderen Level pushen können, nach dem Motto „Wenn die das kann, kann ich das auch“. Beobachtest du das auch in deinen Camps?

Ich gebe dir recht und ich bin kein Fan von pinken Teppichen und davon, dass wir Frauen irgendeine Sonderbehandlung brauchen. Ich bin dafür, dass wir gleiche Möglichkeiten bekommen. Nicht dass wir uns vergleichen müssen, aber gleiche Voraussetzugen sollten geschaffen werden.

Diese „all female“ Plattformen geben Frauen auch Raum, sich zu entwickeln und zu pushen. Viele Frauen haben das Gefühl, sich mehr ausprobieren zu können unter Frauen. Beim Freeriden zum Beispiel: Alle sind motiviert, mal wo drüber oder runter zu springen, aber die wenigsten haben vor dem Camp Erfahrung damit. Erst beim Camp, wo alle gleich sind, einem die Zeit gegeben wird, sich darauf einzustellen, man jegliche Emotionen zeigen darf, probiert man sich mal aus, scheitert, steht auf, macht es nochmal und es gelingt. Sich ausprobieren und gegenseitiges Empowerment kann ich definitiv bestätigen.

Hat es dich auch selbst weiter gebracht mit den verschiedensten Frauen am Berg unterwegs zu sein?

Absolut. Es motiviert und inspiriert. Man unterstützt sich gegenseitig, kann sich beraten, was möglich ist, darf auch mal emotional sein und Zeit brauchen. Außerdem motiviert es einfach, wenn jemand eine coole Line fährt oder einen Backflip springt und du denkst dir „hey cool, das kann ich auch“ und du probierst es. Das ist bei uns Profis eigentlich genauso wie bei den Camps.

Wenn wir schon bei „Women´s Only“ sind: Glaubst du, wir brauchen spezielle Damenskiprodukte bzw. sind sie von Vorteil für uns?

Nur weil sie pink sind und Blümchen haben, sind sie noch lange kein Damenprodukt, deswegen bin ich da vorsichtig.

Aber ja, es gibt Bedarf. Auch bei den Damen gibt es unterschiedliche Ansprüche und dem könnte die Industrie versuchen, gerechter zu werden. Es gibt hochsportliche Damen, die sportliche Ski brauchen und es gibt andere, die brauchen weniger sportliche. Da kann man nicht alles in einem Topf schmeißen. Aber klar macht ein Damenschuh Sinn, allein im Hinblick auf einen niedrigeren Schaft. Und da kann man noch brutal viel machen.

Neben deiner Arbeit als Freeskierin und Filmproduzentin arbeitest du außerdem als Mentalcoach u.a. für alpine Skirennläuferinnen aus dem ÖSV-Kader. Was gibst du Skifahrerinnen mit auf den Weg, wenn sie einmal vor einer mentalen Herausforderung stehen?

Im mentalen Bereich arbeite ich hier speziell mit jungen Athletinnen aus der ÖSV Schwerpunktschule, der Skitourismusschule Gastein. Aber ich bin auch wieder als Konditionstrainerin im Team von Anna Veith tätig. Das ist eine extrem bereichernde Arbeit und ähnlich wie bei den Camps macht es mir einfach viel Freude, andere Athleten auf ihrem Weg zu unterstützen.

Im Mentaltraining geht es da natürlich vor allem darum, die Leistung abzurufen und auf den Punkt bringen zu können. Da geht es viel um Selbstvertrauen und Fokus.

Bist du auch selbst beim Skifahren schon einmal an deine mentalen Grenzen gestoßen?

Absolut, speziell bei Big Mountain Lines in Alaska. Da passiert ganz viel im Kopf. Das ist mental eine riesige Herausforderung. Einerseits gibt es so vieles, das dich ablenkt, andererseits sollst du dich in dem Moment nur aufs Skifahren konzentrieren. Gleichzeitig aber doch wieder wachsam sein, um auf alles reagieren zu können.

Da gibt es so viele Situationen, wo ich mir gedacht habe „okay, nein, das geht nicht“ und dann versuchst du, ruhig zu werden und nochmal so rational wie möglich die Line durchzudenken und dann fällt die Entscheidung – ja oder nein… Und ein Nein ist eine große und wichtige, ja mutige Entscheidung am Berg, auch dazu muss man mental bereit sein.

Generell gehören Performance und Mental Skills einfach zusammen. In jeder Situation, beim Skifahren aber auch im Business. Es geht darum, beides auf den Punkt zu bringen.

Sandra, vielen Dank für das Interview. Wir wünschen dir noch eine tolle Rest-Saison!

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