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Materialtests

Materialtest | Tecnica Zero G Tour Pro

Der vierschnallige Skitourenschuh im Test

von Alex Schober 12.03.2020
Viele Hersteller versuchen, den Grat zwischen Abfahrts- und Aufstiegsperformance zu erobern, sei es im Textilbereich oder bei klassischer Hardwear wie Ski, Bindungen oder Skiboots. Einen speziellen Ausrüstungsgegenstand, der durch eben dieses Bestreben entwickelt wurde, wollen wir euch heute in unserem Testbericht vorstellen: Den Tecnica Zero G Tour Pro. Der Skischuh überzeugt durch geringes Gewicht, hohen Gehkomfort und macht auch bergab eine gute Figur.

Tester und Testbedingungen

Der Skischuh wurde von mir seit Beginn in der Saison (19/20) durchgängig gefahren. Er begleitet mich als „one for all“ Lösung sowohl auf Skitour, beim liftunterstützten Freeriden und auch bei gelegentlichen Ausflügen auf der Piste. Es ist mir durchaus bewusst, dass es für jeden dieser Teilbereiche spezialisierte, besser geeignetere Boots gäbe, jedoch will ich ehrlich gesagt keine drei oder mehr paar Skischuhe daheim rumstehen haben. Aus diesem Grund gefällt mir diese „one for all“ Lösung ganz gut. Meistens kam er in Verbindung mit einem Dynafit Beast 108 und der Radical ST zum Einsatz.

Erster Eindruck

Der erste Eindruck, der sich eigentlich jedes Mal wiederholt, wenn ich den Schuh in die Hand nehme, ist das geringe Gewicht des Skischuhs. Mit seinen vier Schnallen, dem Powerstrap und der neongelben Farbe sieht er mehr nach einem sportlichen Alpinschuh als nach einem leichten Skitourenschuh aus. Im Vergleich zum Vorgängermodell (den Testbericht findet ihr HIER) fällt auch sofort der überarbeitete Gehmechanismus und die inzwischen wieder angenieteten (und nicht geschraubten) Schnallen auf. Hier hätten mir die geschraubte Variante besser gefallen, da diese im Falle einen Defekts leichter getauscht werden können.

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Passform und Handling

Die Leistenbreite ist – wie bereits beim Vorgängermodell – mit 99mm angegeben und somit im Vergleich zu einigen anderen Skitourenschuhen etwas schmäler geschnitten. Sowohl der Innenschuh, als auch die Schale können (und m.M.n auch sollten) sehr gut an den jeweiligen Fuß angepasst werden. Bei mir gab es im Zehenbereich ein paar Druckstellen, welche beim Bootfitting problemlos beseitigt werden konnten.

Auch wenn nicht unbedingt passend zu diesem Absatz, würde ich an dieser Stelle gerne noch erwähnen, dass die Standard-Sohlen des Innenschuhs nur zur Deko taugen und durch eigene, angepasste Einlegesohlen getauscht werden sollten. Dies ist meiner Meinung nach jedoch nur ein geringer Kritikpunkt, da ich die Sohle in jedem Fall gewechselt hätte.

Das Verriegeln des Gehmechanismus erfolgt klassisch durch Umlegen eines „Hebels“ im unteren Wadenbereich. Da der Hebel beim Umlegen in den Gehmechanismus schwierig zu greifen ist, befestigt Tecnica hier ein kleines Schnürchen am unteren Ende des Hebels, womit es dann auch mit den Handschuhen funktioniert. Nicht immer ganz einfach, klappt jedoch wenn man das Schnürchen zu greifen bekommt einwandfrei.

Aufstiegseigenschaften

Die Schaftrotation ist herstellerseitig mit 60 Grad angegeben und kann sich für einen derartigen Boot sehen lassen. Die Bewegungsfreiheit nach hinten ermöglicht auch in längeren, flachen Passagen eine relativ natürliche Gehbewegung. Um jedoch ein Maximum an Bewegungsfreiheit zu erlangen, müssen sowohl die oberen zwei Schnallen, als auch der Powerstrap sehr locker bzw. geöffnet sein, was in meinem Fall leider dazu führt, dass ich minimal Spiel im Fersenbereich bekomme. Aus diesem Grund schließe ich eine der beiden oberen Schnallen auch im Aufstieg locker und nehme ein paar Grad Einbuße in Kauf. Nach vorne ist der Bewegungsfreiraum ebenfalls angenehm und reicht für mich als Skitourengeher mit Fokus auf der Abfahrt gut aus. Der Innenschuh verfügt über ein Schnürband, welches zugeknotet werden kann und somit das Verrutschen im Innenschuh minimieren soll. Mir ist dieses Schnürband vor allem in der Abfahrt wichtig, im Aufstieg hab ich es zwar auch immer zugeknotet, musste dann aber feststellen, dass es sich während längeren Aufstiegen öfters öffnet. Als größter Pluspunkt hinsichtlich der Aufstiegsperformace ist schließlich das geringe Gewicht der Schuhs zu nennen. Mit knapp unter 1400g pro Skischuh (Größe 26,5)  „hebt“ er sich leicht und ermöglicht auch mal eine Skitour jenseits der 1000hm.

Ebenfalls sehr positiv ist mir die Vibram-Sohle des Zero G Tour Pros aufgefallen: Kletterpassagen am Fels oder der verschneite Weg zum Bus sind mit der rutschfesten Sohle mit erstaunlich gutem Profil kein Problem.

Abfahrtseigenschaften

Die meisten Leser dieses Testberichts wissen vermutlich, dass es sich bei den angegebenen Flex-Werten bei Skischuhen um ungenormte Werte handelt und diese keine einheitliche Auskunft über die Steifigkeit einen Skischuhs geben. Innerhalb des Sortiments eines Herstellers kann der Flex-Wert jedoch als guter Anhaltspunkt verwendet werden.

Dieser ist beim Zero G Tour Pro mit 130 angegeben und somit am härtesten Ende des Sortiments angesiedelt. Diesen harten Flex spürt man auch bei der Abfahrt: Während man im Aufstieg noch der Meinung war, einen Skitourenschuh an den Füßen zu haben, beginnt der Schuh sich mit dem Schließen der Schnallen, des Powerstraps und dem Wechseln in den Abfahrtsmodus mehr und mehr wie ein Freerideschuh anzufühlen. Natürlich ist die wahrgenommene Steifigkeit sehr davon abhängig wie eng die Schnallen – und vor allem der Powerstrap – geschlossen werden. In der Abfahrt flext der Schuh recht angenehm, obwohl es mir vorkommt, dass er erst ab einem gewissen Punkt progressiv flext und mit zunehmendem Druck fester wird. Da ich jedoch meistens dazu neige, den Schuh gut anzuknallen (was übrigens mithilfe des Powerstraps sehr gut funktioniert) fällt mir das nicht negativ auf. Da der Schuh, wie bereits erwähnt, angenehm steif bei der Abfahrt ist, lassen sich auch schnellere Runs im harten bzw. verfahrenen Schnee gut mit ihm meistern. Die Kraftübertragung erfolgt sehr direkt und bei geschlossenen Schnallen und Powerstrap hat der Fuß (bei mir) keinerlei Spiel im Inneren des Skischuhs.

Die seitliche Kraftübertragung ist mit den richtigen Einlagesohlen ebenfalls sehr präzise und lässt keine Wünsche offen.

Für einen Skitourenschuh ist die Abfahrtsperformance meiner Meinung nach echt gut. Der Schuh macht auch im harten Schnee eine gute Figur und erlaubt sportliches Fahren bei allen Bedingungen. Steinhart und stocksteif ist er nicht, das muss er aber auch nicht unbedingt, dafür gibt es Alpin- bzw. Freerideschuhe ohne jeglichen „Gehkomfort“.

Fazit

Die Gratwanderung zwischen Aufstiegs- und Abfahrtsperformance erweist sich immer wieder als spannender Bereich, um Innovationen und Fortschritt zu beobachten.

Dies lässt sich auch für den Tecnica Zero G Tour Pro festhalten: Abfahrtsmerkmale wie angenehmer, progressiver Flex, vier Schnallen, Powerstrap und eine direkte, präzise Kraftübertragung gepaart mit komfortabler Aufstiegsperformance sprechen für sich. Wie bereits weiter oben erwähnt, findet man vermutlich in jedem einzelnen Kriterium einen spezialisierteren, „besseren“ Boot.

Für mich macht es jedoch das gelungene Gesamtpaket aus, mit dem es Tecnica definitiv gelungen ist, einen würdigen „one for all“ Skiboot für alle Skitourengeher zu entwickeln, denen die Abfahrtperformance mindestens genauso wichtig ist wie der Aufstieg.

Vor- & Nachteile

+ geringes Gewicht

+ gute Abfahrtsperformance

+ auch für längere, anspruchsvolle Skitouren geeignet

+ rutschfeste Vibram Sohle

- rudimentäre Innensohle des Innenschuhs

- Umstellen des Gehmechanismus nur über ein kleines Schnürchen

Details laut Hersteller

  • C.A.S.: Shell
  • Schale: Grilamid
  • Cuff: Carbon Fiber, co-injected
  • Footprint: ISO 9523 mit low tech VIBRAM full rubber
  • Mobility Cuff: Self Adjusting System mit Double Blocking
  • Innenschuh: Ultralight-Light Fit mit Senkel
  • Schnallen: 4 Light Magnesium
  • Ratchets: Mit Hiking Position Hook
  • Powerstrap: Light Lock Powerstrap
  • Forward Lean Adjustment: 12-13°
  • Gewicht: 1320g

Hier geht es zum Schuh auf der Tecnica Website.

Der Schuh wurde PowderGuide zum Zweck des Tests kostenlos vom Hersteller zur Verfügung gestellt. Wie wir testen, erfahrt ihr hier. 

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